Austritt aus Europa-Fraktion? Erpressungsversuche gehören zum „Politikverständnis Orbáns“

Der ungarische Premierminister Viktor Orbán lässt sich den chinesischem Corona-Impfstoff Sinovac spritzen.

Der ungarische Premierminister Viktor Orbán lässt sich den chinesischem Corona-Impfstoff Sinovac spritzen.

Brüssel. Der Streit zwischen dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) eskaliert. Orbán drohte jetzt mit dem Austritt seiner Fidesz-Partei aus der EVP-Fraktion im Europaparlament. Damit könnte ein jahrelanger Streit zwischen der rechtsnationalistischen ungarischen EVP-Mitgliedspartei und der Führung der größten Fraktion des Europaparlaments vielleicht schon bald zu Ende gehen.

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In einem Brief an den Chef der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), schrieb Fidesz-Parteichef Orbán, der Austritt werde erfolgen, sollte die Fraktion am Mittwoch einer Änderung ihrer Geschäftsordnung zustimmen. Damit soll die Suspendierung ganzer nationaler Delegationen in der Fraktion möglich werden. Es wurde erwartet, dass eine Mehrheit der Abgeordneten dem Antrag Webers zustimmen wird.

Seit vielen Jahren Ärger

Erpressungsversuche gehörten zum „Politikverständnis Orbáns”, sagte der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) in einer Reaktion auf den Brief Orbáns. Das werde vielleicht dazu führen, dass „sich der eine oder andere nun etwas schwerer tut”, sagte Radtke. „Aber ich bin mir sicher, dass es diese Mehrheit geben wird.”

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Die konservative Parteienfamilie EVP, deren größte Gruppe die Abgeordneten von CDU und CSU stellen, liegt seit Jahren mit Orbán über Kreuz. Der Grund dafür sind die mutmaßlichen Verstöße der ungarischen Regierung gegen EU-Grundwerte sowie Verbalattacken auf den früheren EU-Kommissionschef und EVP-Mann Jean-Claude Juncker.

Auch die EU-Kommission mahnt seit Jahren die Einhaltung von Grundwerten in Ungarn an. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte zuletzt die Asylpraxis Ungarns in Teilen für rechtswidrig.

Streit um Rechtsstaatlichkeit

Orbán geht gegen die Pressefreiheit in seinem Land vor, will nach eigenen Worten aus Ungarn eine „illiberale Demokratie“ machen und steht im Verdacht, Günstlingen Zugang zu EU-Mitteln verschafft zu haben. Zuletzt hatte Orbán zusammen mit der polnischen Regierung gedroht, ein Veto gegen den EU-Haushalt und das Corona-Hilfspaket einzulegen. Hintergrund war der Streit um die Einführung einer sogenannten Rechtsstaatsklausel. EU-Länder, die sich nicht an die Regeln halten, könnten nun erstmals weniger Geld aus Brüssel bekommen.

Seit 2019 ist die Mitgliedschaft der Orbán-Partei Fidesz in der EVP-Parteienfamilie auf Eis gelegt. Zur EVP-Fraktion im Europaparlament gehören die Fidesz-Abgeordneten jedoch weiterhin. Das könnte sich nun ändern. Wenn sich eine Mehrheit für die Änderung der Geschäftsordnung findet, dann könnte das in Kürze auch zum Ausschluss der Fidesz-Delegation aus der EVP-Fraktion führen. Der ungarische Premierminister könnte dem Ausschluss allerdings zuvorkommen, wenn er seine Drohung wahr macht.

Sollte es zum Ausschluss der Fidesz aus der Fraktion kommen, würde es erheblich leichter, auch die Mitgliedschaft der ungarischen Partei in der EVP-Familie zu kündigen. Das strebt EVP-Chef Donald Tusk an. Eine Abstimmung darüber ist beim nächsten Parteitreffen im Juni geplant. Dazu ist nach den Parteistatuten die physische Präsenz der Delegierten notwendig.

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Was macht Laschet?

In der Vergangenheit monierten Kritiker, dass die deutschen Parteien CDU und CSU eine schützende Hand über Orbán hielten. Auch der neue CDU-Chef Armin Laschet hat bislang klare Aussagen dazu vermieden, ob die Orbán-Partei weiter einen Platz in der konservativen europäischen Parteienfamilie haben soll. Der CDU-Europaabgeordnete Radtke nahm Laschet in Schutz. „Armin Laschet ist nun Chef der größten EVP-Mitgliedspartei und hat gute Chancen, bald Bundeskanzler zu sein”, sagte Radtke dem RND: „Dass er da nicht forsch mitten ins Getümmel springt, ist bei der multiplen Problemlage doch verständlich.” Die EVP-Fraktionen werde am Mittwoch einen wichtigen Schritt machen, „und die Partei wird im Juni sicher folgen, wenn es dann noch nötig sein sollte”, so Radtke.

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