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Kaum Chancen auf baldigen Frieden?

Baerbock: „Putin allein kann diesen Krieg beenden“

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) spricht auf einer Pressekonferenz (Archivbild).

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) spricht auf einer Pressekonferenz (Archivbild).

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zeigt sich mit Blick auf einen Frieden in der Ukraine im Jahr 2023 wenig optimistisch. „Trotz aller internationaler Bemühungen sieht es derzeit leider nicht so aus, dass Putin plant, 2023 seine brutale Zerstörung einzustellen“, sagte Baerbock im Interview mit „Table Media“.

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Der russische Präsident habe diesen Angriffskrieg angefangen. „Und er allein kann ihn beenden“, führte die Außen­ministerin weiter aus. Dabei gibt es laut Aussage Baerbocks es nur zwei Optionen: „Wenn Russland aufhört zu bombardieren und seine Soldaten zurückzieht, haben wir Frieden. Wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, gibt es keine Ukraine mehr.“

Russlands „Selbstzerstörung“: Putin verliert an Rückhalt

Viele Russen fragen sich in ihren Neujahrsferien, wie es in dem von Niederlagen überschatteten Krieg gegen die Ukraine weiter geht.

Sie verstehe den Wunsch nach einem Schweigen der Waffen in Teilen der Bevölkerung, bekräftigte Baerbock. „Aber dahinter steckt ja, dass man bereit wäre, einen russischen Diktatfrieden einfach so zu akzeptieren.“ Eine Abwesenheit von Krieg würde jedoch keinesfalls Frieden bedeuten. „Wir wissen aus den von Russland besetzten Gebieten, was das bedeuten würde, was einige heute als Kompromiss bezeichnen: Frauen der Vergewaltigung preiszugeben, Männer Mord und Folter, Kinder der Verschleppung. Befreite Städte wie Butscha, Isjum und Balalklija sind Zeugnis dafür.“ Dennoch liefen diplomatische Bemühungen um einen Frieden „nonstop seit dem 24. Februar“.

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Baerbock: Putin antwortet auf Diplomatie mit „immer mehr Gewalt“

So versuche man seit nunmehr zehn Monaten, Kremlchef Wladimir Putin von einem Ende des Krieges zu überzeugen. „Seine Antwort war immer mehr Gewalt.“ Alle diplomatischen Bemühungen vor der russischen Invasion seien zudem gescheitert, „weil Putin einer imperialistischen Vorstellung folgt, in der internationale Absprachen nur so lange Bestand haben, wie sie ihm nützen“.

Russland warf die Grünen-Politikerin erneut vor, „die ganze Welt“ vor Beginn der Invasion angelogen zu haben. Moskau habe die westlichen Warnungen vor Drohungen gegen die Ukraine stets als „Hysterie“ abgetan. „Und dann mussten wir zusehen, wie Mariupol dem Erdboden gleichgemacht wurde, wie die russischen Panzer nicht Babynahrung gebracht haben, sondern Tod, Leid und Zerstörung überall in der Ukraine.“ Diese Brutalität des russischen Angriffs habe sie sich vorher nicht vorstellen können.

„Wir sind stärker als Putins Krieg“

Die Bundesregierung und die deutsche Bevölkerung würden das angegriffene Land unterstützen, „solange die Ukraine uns braucht“, betonte die Außenministerin gegenüber „Table Media“. Die Menschlichkeit hierzulande, aber auch in Europa, sei ein positiver Aspekt der Entwicklungen der vergangenen Monate. „So eine Solidarität habe ich noch nicht erlebt.“ Im ganzen Land nehme sie eine Botschaft wahr: „Wir sind stärker als Putins Krieg.“

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Angesichts des russischen Angriffskriegs sowie weiterer Krisen wie der Corona-Pandemie unterstrich Baerbock die Notwendigkeit einer nationalen Sicherheitsstrategie. Diese solle jedoch als „integrierte Sicherheit“ mit einer internationalen Komponente gedacht werden. „Cyberangriffe auf Krankenhäuser, die Pandemie, die Energie­preis­krise, all das zeigt, dass innere und äußere Sicherheit sich nicht mehr trennen lassen.“

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Auch China im Zentrum der Sicherheits­strategie

Ein Aspekt der Sicherheitsstrategie ist eine größere, insbesondere wirtschafts­politische Unabhängigkeit von China. Die China-Strategie sei jedoch keine „Entkopplungs­strategie“, sagte Baerbock dem Portal. Mit Blick auf die deutsche Abhängigkeit vom russischen Gas, habe man jedoch erlebt, dass diese Deutschland verwundbar gemacht habe. Wie Moskau habe sich auch Peking „in den letzten Jahren nicht nur immer weiter von unseren demokratischen Werten, sondern auch vom internationalen Recht und den Regeln für einen fairen Wettbewerb entfernt“.

„Deshalb ist es in unserem ureigenen Wirtschafts­interesse, uns von China nicht so abhängig zu machen, wie wir das bei Russland gemacht haben“, fügte Baerbock hinzu. Dennoch sei China nicht zu einem Gegner geworden, so die Außen­ministerin. „Der Kern unserer Sicherheits­strategie lautet, dass wir mit anderen Ländern in so vielen Bereichen wie möglich kooperieren und zusammenarbeiten wollen – und zugleich souverän und eigenständig handeln können müssen, wenn andere plötzlich zu unseren Lasten agieren.“

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Ähnlich schwierig gestalteten sich die Beziehungen zuletzt zum Iran, wo die Menschen gegen das Regime protestieren und einige Demonstrierende bereits zu Todesstrafen verurteilt wurden. Mit Blick etwa auf das Atomabkommen könne man Teheran in der jetzigen Situation keine Angebote machen. „Man würde den Menschen im Iran massiv in den Rücken fallen und das Regime eher ermutigen, weiterzumachen“, so Baerbock.

Baerbock sieht Kritik an Politik der Grünen gelassen

Angesichts scharfer Kritik an ihrer Partei wegen einer Regierungs­politik, die vielfach der Linie der Grünen widerspricht, sieht die ehemalige Vorsitzende keine Veränderung der Partei durch den Krieg in der Ukraine. Die Grünen hätten „bereits beim Bosnien-Krieg und dann noch mal um Afghanistan“ wichtige Debatten ausgetragen. Die Schutz­verantwortung stehe für ihre Partei im Vordergrund. „Deswegen haben wir von Tag eins des Russland-Kriegs an die Ukraine in ihrem Recht auf Selbst­verteidigung unterstützt.“

Ähnliche Kritik wurde wegen der Waffen­lieferungen an Saudi-Arabien laut. Auch diese Entscheidung verteidigte Baerbock gegenüber „Table Media“. Die Welt sei „kein Wunschkonzert“, so die Außenministerin. „Es gibt in diesem Fall Altverträge auch mit anderen europäischen Staaten, mit denen wir auch in Zukunft zusammen­arbeiten wollen.“ Diese könne man nicht einfach für nichtig erklären. Ein Unterschied zu den Lieferungen der Vorgänger­regierung sei jedoch, dass Saudi-Arabien aus dem jetzigen Stand die Bombardierungen im Jemen beendet habe. Deshalb erfülle man die Altverträge, „aber unter Bedingungen“.

RND/sic

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