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„Gesamtes System Eisenbahn gefährdet“

Rechnungshof-Kritik: Marode Bahn entwickelt sich zu einem „Fass ohne Boden“

Ein Zugbegleiter steht am Hauptbahnhof an einem ICE.

Ein Zugbegleiter steht am Hauptbahnhof an einem ICE.

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Berlin. Die Bahn ist in der Dauerkrise, das Staatsunternehmen ein Sanierungsfall, der Bund als Eigentümer nicht in der Lage, das Ruder herumzureißen: Der Bundesrechnungshof hat in einem Sonderbericht für den Bundestags-Haushaltsausschuss die Verkehrspolitik von Bundesminister Volker Wissing (FDP) und die Leistung des Managements der Deutschen Bahn (DB AG) scharf kritisiert.

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Die Bahn, bereits jetzt mit 30 Milliarden Euro verschuldet, entwickele sich zu einem „Fass ohne Boden“, kritisieren die Kontrolleure. „Die Krise der DB AG wird chronisch, der Konzern entwickelt sich zu einem Sanierungsfall, der das gesamte System Eisenbahn gefährdet“, sagte Rechnungshof-Präsident Kay Scheller am Mittwoch. Bereits 2019 hatte der Rechnungshof in einem Sonderbericht die Probleme der Bahn offengelegt. „Vier Jahre später ist das System Eisenbahn sogar noch unzuverlässiger geworden und die wirtschaftliche Lage der DB AG hat sich weiter verschlechtert. Die vier Jahre sind offensichtlich verloren.“

Bund und Bahn verfehlen Verkehrs­wende­ziele

Die von der Ampelkoalition und von Bahnchef Richard Lutz ausgerufenen Ziele werde die Bahn reißen. „Der Bund wird das ambitionierte Wachstumsziel, die Verkehrsleistung im Schienen­personen­verkehr bis zum Jahr 2030 zu verdoppeln, verfehlen“, moniert der Bericht. Und: „Dieses für den Bund und die DB AG absehbare Scheitern betrifft auch den Schienengüterverkehr: Bis zum Jahr 2030 wird er den geplanten 25-Prozent-Anteil am gesamten Gütertransport nicht erreichen.

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Und es geht weiter: Im Konzern gebe es „gravierende strukturelle, finanzielle und betriebliche Probleme. Von einer Lösung ist die Bundesregierung weit entfernt.“ Der Rechnungshof fordert eine Zerschlagung der DB AG, eine neue Infrastruktur­gesellschaft mit direkter Bundeskontrolle, den Verkauf aller Auslandsaktivitäten und die Konzentration aufs Kerngeschäft. „Weltweit und bahnfremd passt nicht zum Gewährleistungsauftrag aus dem Grundgesetz: Betrieb, Ausbau und Erhalt der Schiene in Deutschland“, sagt Scheller.

Der Konzern hat den Verkauf der Logistiksparte DB Schenker eingeleitet und Teile des unter DB Arriva gebündelten Bahngeschäfts im Ausland bereits veräußert. Der Kontrollbehörde reicht das jedoch nicht: Sie halten zum Beispiel auch die DB-Aktivitäten beim Aufbau eines Hochgeschwindigkeitsnetzes in Ägypten für unnötig - der Auftrag wurde erst im November 2022 am Rande der Weltklimakonferenz in Scharm-el-Scheich bekanntgegeben. Zudem müsse die DB auch nicht in die Entwicklung von Drohnenlandeplätzen investieren - das zielt auf das britischen Unternehmen Skyports, an dem die Bahntochter DB Digital Ventures beteiligt ist.

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Und er warnt: „Damit das System Eisenbahn seine verkehrs- und klimapolitische Rolle erfüllen kann, braucht es grundsätzliche Reformen – ohne entschiedenes Umsteuern endet das System Eisenbahn auf dem Abstellgleis.“

Vom Bund fordert der Rechnungshof Bericht ein „Gesamtkonzept, das seine Ziele enthält und ein Drehbuch ist, um den Handlungsstau systematisch aufzulösen“. Es müsse klar werden, „was für eine Bahn und wie viel Bahn der Bund zu welchen Kosten haben will“. Der Konzern müsse sich von

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Wissing: „Können nicht rückwärts regieren“

Verkehrsminister Wissing wies gegenüber dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND) die Kritik zurück: „Was wir nicht können, ist rückwärts regieren“, sagte er. „Ich habe kurz nach meinem Amtsantritt eine Strategie vorgelegt, mit der wir die Bahn wieder auf Kurs bringen werden. Dazu gehört ein radikales Konzept zur Sanierung des Netzes genauso wie die Umstrukturierung des Konzerns inklusive einer gemeinwohl­orientierten Infrastruktur­sparte. Das gilt es nun Punkt für Punkt abzuarbeiten. Und das tun wir konsequent.“

Bundesverkehrs­minister Volker Wissing fordert mehr als „Klima-Blabla“

Deutschland muss nach Ansicht von Volker Wissing den Weg zur Klimaneutralität mit einer technologie­offenen und innovations­freundlichen Politik beschreiten.

Von einer Verkehrswende sei Deutschland „meilenweit entfernt“, kritisierte der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, Martin Burkert, gegenüber dem RND: „Der Bundesrechnungshof zeigt die Situation der DB AG in aller Deutlichkeit. Über Jahrzehnte wurde zu wenig in die Schiene investiert. Brücken, Schienen und viele Stellwerke sind marode.“

Lob für den Rechnungshof-Bericht kam von den Grünen im Bundestag: Der Bericht verdeutlicht einmal mehr, wie groß der Modernisierungsstau ist, den wir als Ampel von der Vorgängerregierung übernommen haben“, sagte die Haushaltspolitikerin Paula Piechotta dem RND. „Wir müssen in wenigen Jahren Defizite beheben, die sich in drei Jahrzehnten seit der Bahnreform aufgebaut haben. Für uns als Grüne ist der Bericht des Bundesrechnungshofs einmal mehr Bestätigung, dass man beim Thema Bahnmodernisierung und Verlagerung von Verkehr von der Straße auf die Schiene gar nicht genug Druck machen kann.“

Ihr Kollege, der Verkehrspolitiker Matthias Gastel, sieht den Ball beim Verkehrsminister: „Volker Wissing muss klar stellen, wie er die im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele für die Schiene erreichen will. Bisher fehlen hier konkrete Taten, Gesetze und Finanzierungskonzepte“, sagte er dem RND. Gastel ergänzte: „Wir Grüne stehen bereit, die Finanzierungsstruktur der Schiene auf neue Füße zu stellen, die Pünktlichkeit im Netz zu verbessern und die vereinbarten Ziele des Koalitionsvertrags zu erreichen.“

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