„Die Truppe braucht unsere Unterstützung“: Verteidigungsminister Pistorius kritisiert „jahrzehntelange Vernachlässigung“
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Boris Pistorius (SPD) wird neuer Bundesverteidigungsminister.
© Quelle: Moritz Frankenberg/dpa
Berlin. Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist im Amt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreichte ihm am Donnerstagmorgen in Berlin die Ernennungsurkunde. Die zurückgetretene Ministerin Christine Lambrecht (SPD) bekam ihre Entlassungsurkunde. Anschließend leistete der bisherige Innenminister des Landes Niedersachsen im Bundestag den Amtseid – ohne die Formel „so wahr mir Gott helfe“. An der kurzen Ernennungszeremonie im Schloss Bellevue nahm auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teil.
Nach Erhalt der Ernennungsurkunde und seiner Vereidigung fuhr Pistorius zur Amtsübergabe im Verteidigungsministerium im Bendlerblock vor. Dort empfing ihn der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, mit militärischen Ehren. In einem anschließenden Statement sagte Pistorius mit Blick auf den Krieg in der Ukraine, Deutschland sei zwar nicht Kriegspartei, „trotzdem sind wir von diesem Krieg betroffen.“ Die Bedeutung der Sicherheit sei eine andere als noch vor einem Jahr: „Deswegen geht es jetzt darum, die Bundeswehr jetzt und schnell stark zu machen. Es geht um Abschreckung, Wirksamkeit und Einsatzfähigkeit.“
Die Bundeswehr müsse nach „jahrzehntelanger Vernachlässigung“ jetzt stark gemacht werden. Sicherheit sei ein Grundbedürfnis der Menschen. „Gerade die Truppe braucht unsere Unterstützung. Ich brauche jeden Einzelnen. Ich brauche die Unterstützung aller. Und ich werde sie auch einfordern“, sagte Pistorius. Der Bundeswehr komme in der Zeitenwende eine Schlüsselrolle zu. „Meine Aufgabe wird es sein, und daran setze ich alle meine Kraft, dass die Bundeswehr diesen Auftrag erfüllen kann – im Interesse Deutschlands, im Interesse der Nato und im Interesse der Menschen.“
Boris Pistorius als neuer Verteidigungsminister vereidigt
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Donnerstag Christine Lambrecht die Entlassungsurkunde aus dem Verteidigungsministerium überreicht.
© Quelle: Reuters
Steinmeier hatte Pistorius zuvor bei der Übergabe der Ernennungsurkunde „Durchhaltevermögen, gutes Gelingen und eine glückliche Hand“ gewünscht. Pistorius übernehme das Ministeramt in einer Bedrohungs- und Gefährdungslage, die Deutschland lange nicht mehr gekannt habe, und müsse direkt loslegen.
„Für all die kommenden Herausforderungen und notwendigen Reformen benötigen Sie jetzt kühlen Kopf, gute Nerven, Führungsstärke, klare Sprache und politische Erfahrung.“ Dass Pistorius all das habe, habe er in anderen anspruchsvollen politischen Ämtern gezeigt, sagte Steinmeier.
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„Deutschland ist nicht im Krieg“
„Deutschland ist nicht im Krieg“, betonte der Bundespräsident weiter. Für das Land beginne aber eine Epoche im Gegenwind. „Wir müssen auf Bedrohungen reagieren, die auch auf uns zielen.“ In diesem Umfeld neuer Bedrohungen und geopolitischer Veränderungen komme es jetzt entscheidend darauf an, die Bundeswehr abschreckungsfähig und verteidigungsbereit zu machen. „Und dafür braucht es eine modernere und umfassendere Ausrüstung, eine effizientere Beschaffung, eine solidere Personaldecke und Aufmerksamkeit und Respekt für die Truppe.“
Pistorius will Bundeswehr „stark machen“
Der künftige Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius versicherte, dass er sich vor die Soldatinnen und Soldaten stellen werde.
© Quelle: dpa
Steinmeier betonte, es sei keine Zeit zu verlieren. „Als starkes Land in der Mitte Europas haben wir eine Verantwortung nicht nur für uns, sondern auch für andere.“ Deutschland stehe nicht allein, sondern im Bündnis mit Partnern. „Und diese Partner müssen und werden sich auf uns verlassen können.“
Dank an Lambrecht
Der zurückgetretenen Lambrecht dankte Steinmeier für all das, was sie in 23 Jahren als Abgeordnete geleistet und als Bundesministerin in verschiedenen Positionen auf den Weg gebracht habe. Er dankte ihr auch „für die Bereitschaft, über so viele Jahre für unser Land, für unsere Demokratie einzustehen, sie zu verteidigen, wo sie angegriffen wird, ihre Probleme nicht nur zu beklagen, sondern auch lösen zu wollen“.
Zum Eingewöhnen in sein neues Amt bleibt dem Sozialdemokraten kaum Zeit. Unmittelbar nach der Übernahme der Amtsgeschäfte trifft er sich in Berlin mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin. Im Zentrum ihres Gesprächs dürfte der Krieg in der Ukraine und die weitere Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes stehen. In den vergangenen Tagen ist der Druck auf Deutschland gewachsen, der Ukraine auch Kampfpanzer vom Typ Leopard zur Verfügung zu stellen. Dafür macht sich unter anderem Polen stark. Großbritannien will der Ukraine 14 Kampfpanzer vom Typ Challenger 2 zur Verfügung stellen.
Pistorius gilt als erfahrener Sicherheitspolitiker. In Niedersachsen hat sich Pistorius im Amt des Innenministers den Ruf des Anpackers erarbeitet. Er gilt als Pragmatiker, der dort handelt, wo Bundeskanzler Olaf Scholz zögert. Dem 62-Jährigen werden schon länger Ambitionen zur Bundespolitik nachgesagt. Kurz nach der Bundestagswahl war er für das Amt des Innenministers im Gespräch.
RND/ag mit Agenturmaterial