Anti-Terror-Einsatz in NRW: Was wir bisher wissen
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Einsatzkräfte der Polizei stehen in der Nacht zu Sonntag in Castrop-Rauxel am Einsatzort.
© Quelle: Christoph Reichwein/dpa
Castrop-Rauxel. Anti-Terror-Ermittler haben in Castrop-Rauxel im nördlichen Ruhrgebiet zwei Männer festgenommen. Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf hat nun Haftbefehle gegen zwei Iraner im Alter von 32 und 25 Jahren beantragt. Das teilte die Behörde am Sonntag mit. Einer von ihnen soll einen islamistischen Anschlag mit Giftstoffen vorbereitet haben, teilten die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf, die Polizei Recklinghausen und die Polizei Münster am frühen Sonntagmorgen mit. Was wir bislang über den Fall wissen.
Anti-Terror-Einsatz in NRW: Mann soll islamistischen Anschlag geplant haben
In der Nacht stürmen Anti-Terror-Ermittler in Schutzanzügen eine Wohnung im Ruhrgebiet. Ein iranischer Staatsangehöriger wird festgenommen.
© Quelle: dpa
Wie lief der Polizeieinsatz ab?
In der Nacht zum Sonntag wurden auf richterliche Anordnung die Wohnräume des Verdächtigen in Castrop-Rauxel durchsucht. Dabei wurden gegen Mitternacht zwei Männer festgenommen. Der Einsatzort war weiträumig abgesperrt. Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte waren mit einem Großaufgebot vor Ort.
Zahlreiche Einsatzkräfte trugen Schutzanzüge, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete. Beweismittel wurden in blauen Fässern zu einer Dekontaminationsstelle gebracht, die bei der Feuerwehr eingerichtet war.
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Einige Einsatzkräfte waren in Schutzanzügen vor Ort.
© Quelle: Christoph Reichwein/dpa
Der Einsatz ereignete sich in einer ansonsten eher ruhigen Wohn- und Einkaufsstraße. Das Gebäude, in dem der Verdächtige im ersten Stock gewohnt hat, ist von außen hübsch renoviert. Im Erdgeschoss gibt es einen Frisör, nebenan einen Hörgeräteakustiker, zwei Apotheken und eine Eisdiele.
Wer sind die beiden Festgenommenen?
Bei dem Terrorverdächtigen handelt es sich um einen 32-Jährigen, der die iranische Staatsbürgerschaft besitzt. Nach Informationen der „Bild“-Zeitung ermittelt das Bundeskriminalamt seit mehreren Tagen gegen den Iraner. Er soll nicht im Auftrag staatlicher iranischer Behörden gehandelt haben, wie die Deutsche Presse-Agentur am Sonntag aus Sicherheitskreisen erfuhr. Vielmehr wird vermutet, dass er Anhänger einer sunnitischen islamistischen Terrorgruppe ist.
Bei dem anderen Festgenommenen handelt es sich um den Bruder des Verdächtigen. Er hatte sich bei dem Zugriff der Polizei zufällig in der Wohnung des 32-Jährigen aufgehalten. Er war der Polizei zwar zuvor bekannt, allerdings aus Gründen, die nicht mit islamistischem Terror zusammenhängen. Ob er in die mutmaßlichen Anschlagspläne eingeweiht war, steht noch nicht fest. Die Männer sollen sich beide seit 2015 in Deutschland aufhalten.
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Einer der Männer wird von Beamten des Spezialeinsatzkommandos mit Schutzmaske in Gewahrsam genommen.
© Quelle: WTVnews/dpa
Laut Angaben der Dortmunder Staatsanwaltschaft, über die das „Westfalen-Blatt“ berichtet, wurde der jüngere Bruder im Jahr 2019 wegen versuchten Mordes zu sieben Jahren Haftstrafe verurteilt. Demnach leide der Mann zudem an einer Suchterkrankung und wurde deshalb in eine Suchtklinik verlegt. Dennoch durfte er am Wochenende bei seinem Bruder übernachten.
Die Männer wurden in Unterhosen und T-Shirt beziehungsweise mit nur notdürftig übergeworfener Jacke über die Straße in ein Einsatzfahrzeug geführt, wie Augenzeuginnen und ‑zeugen berichteten und Fotos zeigen. Keiner der beiden habe Widerstand geleistet.
Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf hat Haftbefehle gegen zwei Iraner im Alter von 32 und 25 Jahren beantragt. Das teilte die Behörde am Sonntag mit.
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Einer der Männer wird von einem Beamten des Spezialeinsatzkommandos mit Schutzmaske in Gewahrsam genommen.
© Quelle: Karsten Wickern/dpa
Was wird den Brüdern vorgeworfen?
Den Brüdern wird unter anderem vorgeworfen, dass sie sich die Giftstoffe Cyanid und Rizin für einen islamistisch motivierten Anschlag beschaffen und damit „eine unbestimmte Anzahl von Personen“ töten wollten.
Die Ermittler sehen bei den Brüdern den Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und der Verabredung zu einem Verbrechen, nämlich Mord. Ein Haftrichter des Amtsgerichts Dortmund entscheidet nun, ob die beiden in Untersuchungshaft müssen.
„Die Durchsuchung dient der Auffindung entsprechender Giftstoffe und anderer Beweismittel.“
Wie konkret die möglichen Anschlagspläne fortgeschritten waren und was ein mögliches Ziel gewesen wäre, blieb zunächst unklar.
Was wurde in der Wohnung des Iraners gefunden?
Wie die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf am Sonntagmittag aber mitteilte, fanden die Ermittler in der Wohnung des Verdächtigen keine Giftstoffe. Ob diese anderswo gelagert wurden, beantworteten die Ermittler zunächst nicht. Weiter hieß es, dass Speichermedien des tatverdächtigen 32-Jährigen sichergestellt wurde. Diese müssten nun ausgewertet werden, so die Ermittler.
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Wie kamen die Ermittler auf den Verdächtigen?
Die deutschen Ermittler bekamen einen Tipp von Kollegen aus den USA. Es habe einen Hinweis von einer US-amerikanischen Sicherheitsbehörde gegeben, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.
Man habe den Hinweis auf den 32-Jährigen am Samstag bekommen und sei zu dem Schluss gekommen, dass unmittelbar ein Durchsuchungsbeschluss erwirkt und vollstreckt werden müsse, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft.
Der Terrorismusexperte Peter Neumann wies darauf hin, dass bei fast jedem aufgedeckten Terrorplan der vergangenen Jahre der entscheidende Hinweis von US-Geheimdiensten gekommen sei. Deutschland sei auch bei der Terrorismusbekämpfung im Inneren nach wie vor sehr abhängig von Amerikas Geheimdiensten, sagte der Professor am King‘s College in London am Sonntag bei der Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten im bayerischen Kloster Seeon. „Eigentlich sollte das die Konsequenz haben, dass man hier in Deutschland selbst versucht, solche Fähigkeiten aufzubauen, um diese Abhängigkeit zu verringern.“
Welche Giftstoffe vermuteten die Ermittler bei dem Iraner?
Der Mann wird verdächtigt, sich für seine mutmaßlich geplante Tat die Giftstoffe Cyanid und Rizin - biologische Kriegswaffen - besorgt zu haben, teilten die Ermittlungsbehörden mit.
Wegen der biologisch-chemischen Gefahren für die Einsatzkräfte waren laut übereinstimmenden Medienberichten auch Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts (RKI) als Berater vor Ort. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bestätigte das später und dankte ihnen. Diese verdienten „größten Respekt“, schrieb er auf Twitter. Auch mehrere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Bundeskriminalamtes (BKA) und ein Entschärferkommando seien im Einsatz gewesen.
Die Ermittler sind auf das Schlimmste vorbereitet, nämlich auf den Kontakt mit den Giftstoffen und kommen daher zum Teil in Ganzkörperschutzanzügen wie man sie aus Katastrophenfilmen kennt. Einige Kilometer weiter, auf dem Gelände der Feuerwehr, wird eine Dekontaminationsstelle aufgebaut.
Wie gefährlich sind Cyanid und Rizin?
Das hochgiftige Rizin wird laut dem RKI in der Kriegswaffenliste unter „Biologische Waffen“ aufgeführt. Cyanid ist ebenfalls hochgiftig, bereits kleinste Mengen wirken bei Menschen tödlich.
Wie gefährlich Rizin ist, haben Ermittlungen vor vier Jahren in Köln gezeigt: In einem 15-stöckigen Gebäude in der Hochhaussiedlung Chorweiler hatten ein Tunesier und seine deutsche Frau die Chemikalie hergestellt und Testexplosionen ausgelöst. Ein ausländischer Geheimdienst schöpfte wegen der Onlinekäufe großer Mengen Rizinus-Samen Verdacht und gab einen Tipp. Beide wurden zu langen Haftstrafen verurteilt.
Ein Gutachten ergab: Rein rechnerisch hätten durch die Giftmenge 13.500 Menschen sterben können. Bei der geplanten Verbreitung durch eine mit Stahlkugeln gespickten Streubombe wären es etwa 200 Tote gewesen.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Polizei beendete ihre Arbeit in der durchsuchten Wohnung am Sonntagmorgen vorerst. Nur wenige Stunden nach dem Zugriff war an dem Haus nichts mehr von dem Einsatz der Spezialkräfte zu sehen. Ein Fenster in der durchsuchten Wohnung im ersten Stock war etwas geöffnet, nirgendwo brannte Licht. Streifenwagen fuhren gelegentlich an dem Gebäude vorbei. Nachtschwärmer, die an dem Gebäude vorbeikamen, reagierten ungläubig, als sie von dem großen Einsatz gegen Mitternacht erfuhren.
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In diesem Wohn- und Geschäftshaus wurde der Mann festgenommen, der sich für Anschläge die Giftstoffe Cyanid und Rizin besorgt haben soll um einen islamistischen Anschlag vorzubereiten.
© Quelle: Federico Gambarini/dpa
Auch an der wenige Kilometer entfernten Dekontaminationsstelle der Feuerwehr war am frühen Morgen Ruhe eingekehrt. Dort hatten Einsatzkräfte in Schutzanzügen Beweismittel, die vor Ort in blauen Fässern versiegelt worden waren, behandelt. Die sichergestellten Beweismittel würden nun ausgewertet, schrieben die Ermittlungsbehörden.
Ob der 32-Jährige einem Haftrichter vorgeführt werde, sei noch nicht entschieden. Das Verfahren wird bei der Zentralstelle Terrorismusverfolgung Nordrhein-Westfalen bei der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf geführt.
RND/nis/am/sic/dpa