Ende des Krisenmodus gefordert

Ist das der Wendepunkt der Pandemie?

Einer Umfrage zufolge sehen viele Deutsche im öffentlichen Nahverkehr ein hohes Ansteckungsrisiko.

Wie lange bleiben Masken und Isolationspflicht noch Teil des Alltags?

Berlin. Als in der vergangenen Woche vier Bundesländer ankündigten, künftig auf die Isolationspflicht für Corona-Infizierte zu verzichten, dauerte es nur wenige Minuten, bis Karl Lauterbach seiner Empörung öffentlich Luft machte. Der Vorstoß komme zur Unzeit und finde nicht die Billigung der Bundesregierung, wetterte der Bundesgesundheitsminister und wiederholte erneut seine Warnungen: Es rolle wahrscheinlich eine schwere Winterwelle an, und man stehe „am Vorabend einer ansteckenderen Variante“.

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Doch nicht nur die Regierungen der vier Bundesländer sehen die Lage inzwischen entspannter. Die Rufe danach, den Krisenmodus allmählich geordnet zu verlassen und Corona wie andere Infektionskrankheiten zu behandeln, werden immer lauter.

Neuer Flickenteppich der Regelungen in den Bundesländern?

Auf Kritik stößt zunächst einmal der Flickenteppich an Regelungen, der sich nun in den Ländern abzeichnet. „Die einen haben die Quarantänepflicht aufgehoben, die anderen behalten sie bei. Andere Länder denken über eine Abschaffung der Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr nach, die anderen wollen sie beibe­halten“, so beschreibt der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, die aktuelle Lage.

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„Das alles spricht dafür, dass die Politik nun über einen geordneten und einheitlichen Übergang nachdenkt, Corona wie andere endemische Erkrankungen zu behandeln, auch wenn die WHO die Pandemie noch nicht für weltweit beendet erklärt hat“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). KBV‑Vize Stephan Hofmeister ergänzte: „Wir müssen lernen, als Gesellschaft mit dem Virus zu leben.“ Es werde nicht wieder verschwinden, sondern die Menschen ähnlich wie das Grippevirus ein Leben lang begleiten.

Seit Februar kämpft der Neubrandenburger Sven Mitschele (36) mit schweren Long-Covid-Symptomen. Der Vater von drei kleinen Kindern hofft auf eine erneute Blutwäsche.

Blutwäsche gegen Long Covid: Patient hofft trotz Rückschlags auf weitere Behandlungen

Kann eine Blutwäsche gegen Long Covid helfen? Die Ärzte der Rostocker Unimedizin nahmen diesen Heilversuch bei Sven Mitschele vor.

In der Ampelkoalition tritt die FDP dafür ein, die Maßnahmen zu lockern. „Wir befinden uns in der Endphase der Pandemie und haben effektive Impfstoffe, antivirale Medikamente und eine Basisimmunisierung von über 95 Prozent“, sagte der gesundheitspolitischer Sprecher der FDP‑Bundestagsfraktion Andrew Ullmann dem RND. „Die Krankheitslast in der Bevölkerung ist nicht so hoch wie befürchtet. Die logische Folge ist, dass wir keine staatlich verpflichtenden Maßnahmen mehr brauchen“, ergänzte er. Je nach Verordnung könnten diese aufgehoben werden oder schlicht auslaufen.

Die oppositionelle Union sieht das genauso. Der Vizevorsitzende der Unionsbundestagsfraktion, Sepp Müller (CDU), betonte: „Sowohl die Mehrheit der Virologen als auch die Ständige Impfkommission sagt, dass wir in eine endemische Lage übergehen.“ Es sei folgerichtig, die Maßnahmen zu reduzieren, sagte der Christ­demokrat dem RND und nannte die Isolationspflicht und die einrichtungsbezogene Impfpflicht. „Ziel muss es sein, bundesweit einheitliche Regelungen auf den Weg zu bringen. Den Bürgern in der Endemie nun mehr Eigenverantwortung zu übertragen ist sinnvoll“, so Müller.

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Die Menschen sollten nicht unnötig mit einer andauernden Panikmodus-Politik verängstigt werden.

Klaus Holetschek (CSU),

Bayerns Gesundheitsminister

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) wies im RND‑Gespräch darauf hin, dass die Omikron-Variante in der Regel keine schweren Krankheitsverläufe verursache und in der Bevölkerung ein hoher Immunschutz bestehe. Deshalb habe Bayern nach Rücksprache mit Experten die Isolationspflicht beendet. Auch Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Hessen gingen diesen Weg. „Dagegen fehlt leider bislang beim Bundesgesundheitsminister die Bereitschaft, seinen bisherigen Kurs auf den Prüfstand zu stellen“, beklagte er. Zwar sei Vorsicht bei einer Pandemie immer angebracht. „Aber die Menschen sollten nicht unnötig mit einer andauernden Panikmodus-Politik verängstigt werden“, so der Landesminister. „Deshalb ist mein Wunsch an Karl Lauterbach: Gehen Sie jetzt auch auf einen Kurs, der entsprechend der Pandemielage auf so viel Normalität wie möglich setzt.“

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Weitere Lockerungen absehbar

Das streben auch viele der Länder an. Sachsen, Rheinland-Pfalz und Berlin zeigten sich inzwischen ebenfalls offen für eine Entschärfung der Isolationspflichten. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) will zudem die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr bis zum Jahresende auslaufen lassen, und zwar bundesweit. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, „spätestens im Januar“ könnte die Maskenpflicht in seinem Bundesland fallen.

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Auch hier konterte Lauterbach sofort: Züge und Busse im Nahverkehr würden von Millionen Menschen täglich zum Weg zur Arbeit genutzt. Es sei deshalb falsch, wenn dort keine Masken mehr getragen würden, sagte er. Kassenärzte-Chef Gassen schlägt einen anderen Weg vor, ohne Maskenpflicht für alle: Es werde notwendig sein, dass sich diejenigen mit einem erhöhten Risiko besonders schützten – sei es durch Auffrischimpfungen oder auch das Tragen von Masken.

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