Debatte über das Ende der Maskenpflicht: Ist es schon so weit?
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Ein durchgestrichenes Schild mit der Aufschrift „Maskenpflicht – Cover your mouth and nose!“ in der Innenstadt von München.
© Quelle: Peter Kneffel/dpa
Berlin. Erst die selbstgenähten mit Punkten und Streifen, dann die dünnen OP-Masken, dann die festen FFP2-Trichter – die Masken gehören seit dem 27. April 2020 zu unserem Pandemie-Alltag – verpflichtend. Ebenso groß wie die Auswahl der Modelle sind die Arten, sie zu tragen: Korrekt fest schließend um Mund und Nase, mit raushängendem Riechorgan, unter dem Kinn, am Handgelenk, in der Hosentasche. Dass die korrekt getragenen Masken wesentlich dazu beitragen, die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen, ist wissenschaftlich nachgewiesen.
Mit der steil abfallenden Kurve der Corona-Neuinfektionen stellt sich dennoch Frage: Wann dürfen die Bürgerinnen und Bürger ihre Masken fallen lassen? In welchen Bereichen ist es schon heute ungefährlich, wieder frei zu atmen? Das Thema ist wie die meisten Fragen rund um Corona äußerst komplex. Und am Ende entscheiden die Länder – vor allem nach Lage vor Ort – wann wo keine Masken mehr getragen werden müssen. Der Stand der Dinge:
Welche gesetzliche Grundlage gibt es für die Maskenpflicht?
Grundlage für die Maskenpflicht ist, dass der Bundestag mehrheitlich eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat. Diese gilt jeweils für maximal drei Monate. Der Bundestagsbeschluss vom 11. Juni 2021 ist die dritte Verlängerung. Erstmals hatte der Bundestag am 25. März 2020 die epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt, verlängert wurde die Feststellung am 18. November 2020 sowie am 4. März 2021. Bundesweit gilt die Maskenpflicht bereits seit Ende April 2020 beim Einkaufen und im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
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Angesichts steigender Infektionszahlen hatten Bund und Länder Anfang dieses Jahres zudem eine Verschärfung der Maskenpflicht beschlossen. So müssen beim Einkaufen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln seither medizinische Masken, sogenannte OP-Masken oder FFP2-Masken, getragen werden. Von Anfang an gab es kontroverse Debatten um die Maskenpflicht.
Im neuen seit November 2020 gültigen Bevölkerungsschutzgesetz wird die Maskenpflicht explizit durch den neuen Paragrafen 28a gestützt. Mit dem neu eingefügten Paragrafen wurden die Befugnisse für die Länder rechtlich präzisiert. Die darin aufgeführten Befugnisse zu Grundrechtseinschränkungen sind an die Sieben-Tage-Inzidenz gebunden und gelten ausschließlich für Covid-19. Die Länder müssen entsprechende Verordnungen zudem begründen und zeitlich befristen. Die Geltungsdauer beträgt in der Regel vier Wochen, kann aber immer wieder verlängert werden.
Was kostet es, wenn man ohne Maske erwischt wird?
Die Bußgelder sind von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. Der Rahmen liegt zwischen 25 und 500 Euro. Wobei die meisten Bundesländer ein Standardbußgeld erheben. Dieses wiederum liegt zwischen 25 und 100 Euro. In den meisten Bundesländern sind 50 Euro fällig, wenn man im öffentlichen Verkehr oder in öffentlichen Gebäuden ohne Maske herumläuft. Diese Bußgelder werden auch fällig, wenn die Inzidenzen in einzelnen Regionen sehr niedrig sind. Entscheidend sind die aktuellen Verordnungen der Länder.
Wer setzt sich für ein Ende der Maskenpflicht ein?
Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte am Wochenende die Länder dazu aufgefordert, angesichts der abflauenden Pandemie die Maskenpflicht zu überprüfen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stieß ins gleiche Horn und forderte in der „Funke Mediengruppe“: „Bei den fallenden Inzidenzen sollten wir gestuft vorgehen: In einem ersten Schritt kann die Maskenpflicht draußen entfallen.“
Eine sehr klare Botschaft mit juristischer Begründung schickte der stellvertretende FDP-Chef, Wolfgang Kubicki: „Bei einer klaren Inzidenz unter 35 darf der Staat gar keine Grundrechte pauschal für alle Bürger einschränken. Die allgemeine Maskenpflicht müsste daher bei strenger Auslegung des Infektionsschutzgesetzes aufgehoben werden, erst recht draußen“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Weitere Forderungen nach einem Ende der Maskenpflicht kamen von FDP- und AfD-Politikern.
Wer hält dagegen?
Wie so oft in den vergangenen Pandemiemonaten gibt es ein Team Lockerung und ein Team Vorsicht, die sich parteipolitisch kaum sortieren lassen. Nicht überraschend: Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte die Forderungen nach einem Ende der Maskenpflicht, noch bevor ein großer Teil der Bevölkerung geimpft ist. Dies sei „Wahlkampf mit der Gesundheit der Bürger“. Natürlich könne die Maskenpflicht draußen fast überall aufgehoben werden, dort gebe es kein Superspreading. „Aber drinnen eben leider doch“, mahnte Lauterbach beim Kurznachrichtendienst Twitter.
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Auch eine Reihe von Unionspolitikern äußerte sich skeptisch zum Ende der Maskenpflicht. Einen Rüffel erhielt Gesundheitsminister Spahn von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder: „Ich finde es schade, wenn vonseiten des Bundes, ohne jede Zuständigkeit in der Frage und ohne jede Kompetenz, den Ländern da an der Stelle ein Vorschlag gemacht wird“, sagte Söder. Die FFP2-Maskenpflicht sei ein Erfolg. Er sei dagegen, jetzt zu schnell alles wieder aufzugeben. Vorschnelle Lockerungen hätten sich bereits in der Vergangenheit als Fehler herausgestellt.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“: „Wir sollten nicht den Eindruck vermitteln, die Pandemie sei vorbei.“ Für ein bundesweit einheitliches Vorgehen sprach sich Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland aus.
Was will die Bundesregierung konkret?
Gesundheitsminister Spahn hatte von einem Stufenmodell zur Abschaffung der Maskenpflicht gesprochen. Bereits jetzt könnte die Maskenpflicht im Freien wegfallen, erläuterte ein Sprecher des Ministeriums. Anschließend könne sie „je nach Inzidenz und regionaler Besonderheit“ auch drinnen gelockert werden – „aber vorsichtig“.
Wie Jens Spahn sich ein solches Stufenmodell genau vorstellt, welche Lockerungen in Innenräumen als erstes folgen könnten und an welcher Stelle die Maskenpflicht in Schulen aufgehoben werden sollte, wollte der Ministeriumssprecher jedoch nicht beantworten. Der Gesundheitsminister habe eine generelle Einschätzung abgegeben. Die Entscheidungen müssten aber von den Bundesländern getroffen werden. Das Kanzleramt steht ohnehin auf der Bremse.
Die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz betonte, die Bundesregierung sei froh, dass die Inzidenzen runtergingen und nun nach und nach gelockert werden müsse. „Aber trotzdem mahnen wir zu Vorsicht, nicht zu schnell zu lockern“, sagte Fietz. Das gelte auch für die Maskenpflicht, vor allem in Innenräumen.
Wird es bundesweit einheitliche Regelungen geben?
Das Bundesgesundheitsministerium würde zwischen den Ländern abgestimmte bundesweit einheitliche Regeln begrüßen. Das werde jedoch wahrscheinlich im Kreis der Ministerpräsidentenkonferenz entschieden, sagte ein Ministeriumssprecher. Bis zu einer einheitlichen Lösung könnte es also noch dauern: Bund und Länder hatten sich in der vergangenen Woche darauf verständigt, im August erneut zusammen zu kommen, um über die Corona-Lage zu sprechen. Dann soll es auch um einen einheitlichen Umgang mit Großveranstaltungen gehen.
Die bisherige Erfahrung in der Corona-Pandemie zeigt, dass die Länder trotz aller Beteuerung für gemeinsame Lösungen am Ende sehr unterschiedlich verfahren. Das dürfte auch bei der Maskenfrage wieder der Fall sein.
Wo gibt es bereits Lockerungen bei der Maskenpflicht?
Anders als bei Reisen und Restaurantbesuchen, bei denen Geimpfte und Genesene für sich geltend machen können, sich bestimmten Schutzmaßnahmen nicht mehr zu unterwerfen, ist dies bei der Maskenpflicht bislang nicht vorgesehen. Dies liegt auch daran, dass es sich im öffentlichen Nahverkehr schlecht kontrollieren lässt, wer geimpft oder genesen ist.
In einzelnen Bundesländern wie in Mecklenburg-Vorpommern ist die Maskenpflicht im Unterricht bereits aufgehoben. In Sachsen können Schülerinnen und Schüler bei einer Inzidenz von unter 35 ohne Maske zur Schule gehen. In Brandenburg sind die Kinder an Grundschulen in den letzten Tagen vor den Ferien von Masken befreit. Debatten darüber gibt es in allen Bundesländern.