Debatte um Bundesnotbremse: scharfe Kritik von der Linken, Rüge für die AfD

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht im Bundestag.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht im Bundestag.

Berlin. Die Debatte läuft erst fünf Minuten, da muss Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) schon einschreiten: „Liebe Kolleginnen und Kollegen, was immer wir für eine Meinung im Einzelnen haben: Glauben Sie angesichts der Notlage und der Sorgen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger“, appelliert er an die Abgeordneten im Plenarsaal, „dass wir dem nicht auch in der Art, wie wir das hier diskutieren, Rechnung tragen müssen?“

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Gemeint waren vor allem die AfD-Abgeordneten, die die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Reform des Infektionsschutzgesetzes und zur Einführung der Bundesnotbremse von Anfang an mit lauten Zwischenrufen („Schandgesetz“!) begleiteten. Merkel betonte ihrerseits: „Das Virus verzeiht keine Halbherzigkeit und kein Zögern.“

Der Entwurf, den das Bundeskabinett am Dienstag beschlossen hatte, wird das Leben im Lande prägen. Die Bundeskanzlerin richtet sich deshalb zum Abschluss ihrer Rede direkt an Volk: „Wir Politiker machen es Ihnen wirklich nicht immer leicht.“ Merkel spielt damit auf das Hin und Her in der Bundes- und Landespolitik vor und während der Entstehung der bundesweiten Notbremsenregelung an – die bis heute umstritten ist, auch in der Unionsfraktion selbst.

Schon vorab hatte sich etwa der Thüringer CDU-Bundestagsabgeordnete Albert Weiler gegen die Änderungen ausgesprochen, gegen die er stimmen will: „Es darf kein Instrument geben, das zentral gesteuert automatisch in allen Ecken Deutschlands Ausgangssperren verhängt, Schulen und Läden schließt und unsere Freiheit einschränkt“, schrieb er am Donnerstag auf Facebook.

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AfD machte keine Vorschläge

Die Kritik aus der Opposition kam von links wie rechts. Nach der Mahnung durch Schäuble trug die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel ihre Ablehnung zwar scharf im Inhalt, aber ruhig im Ton vor: Mit diesem Beschluss fahren Merkel und die Bundesregierung „dieses Land an die Wand“.

Vorschläge, wie der Pandemie besser zu begegnen sei, hätten in Weidels Rede allerdings gefehlt, monierte direkt im Anschluss Bärbel Bas, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD. Bas betonte, dass das Gesetz ein guter und notwendiger Schritt sei, um sich auch vernachlässigten Themen – etwa der Situation der jüngeren Generation – zu widmen.

Der Bevölkerung sollte es auch möglich sein, trotz Ausgangssperren nach einem langen Arbeitstag im Homeoffice oder Büro abendliche Bewegung zu bekommen, forderte ihr Fraktionskollege Dirk Wiese später. Zudem wolle sich die SPD-Fraktion dafür einsetzen, dass der Bundesrat dem Gesetz zustimmen müsse – statt wie bisher von der Bundesregierung geplant bestenfalls sein Veto einlegen und den Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und -rat anrufen zu können.

Linke übte scharfe Kritik – an den Ausgangssperren und K-Frage der Union

Laut wurde dagegen Dietmar Bartsch, Chef der Linksfraktion: Regelrecht in Rage hatte er sich geredet, als die Ausgangssperren zur Sprache kamen. „Das ist rechtlich höchst bedenklich“, sagte er. Er beklagte das Impfversagen durch zu viel Bürokratie und dass Unternehmen in Sachen Testpflicht von dem verschont werden, „was wir Schulen schon längst zumuten“. Direkt an CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus gerichtet beklagte er sich über die Unmöglichkeit, dass „Sie uns immer noch mit Ihren Personalfragen belästigen“, statt sich um die Pandemie zu kümmern.

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FDP-Chef Christian Lindner forderte, frei sprechend, eine individuellere Betrachtung der Maßnahmen, da sonst ein „enormer sozialer Schaden“ entstehe. Die Ausgangsperren, die von der FDP von Anfang an abgelehnt worden seien, würden gut situierten Bürgern weniger Probleme bereiten als Studierenden, „die in ihrem Einraumapartment hocken“.

Er berief sich auf Aussagen von Karl Lauterbach, dass Ausgangssperren allein nicht reichten, und wurde prompt per Zwischenfrage durch den SPD-Gesundheitsexperten korrigiert: Das sei „richtig, aber nicht vollständig“, sagte Lauterbach. Es müsse zu Ausgangssperren kommen, „weil wir andere Maßnahmen ergreifen können und auch müssen“. Vorschläge dazu hätte Lindner nicht gebracht. „Wir brauchen Pragmatismus und keine gegenseitige Aufklärerei, was alles nicht funktioniert“, so Lauterbach.

Grüne zeigten sich produktiv

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte einen strikteren Lockdownkurs – für den sie reichlich eigene Vorschläge hatte: Die Inzidenz über 100, ab der die Notbremse greift, sei ihr zu hoch. Man müsste schon ab einer Inzidenz von 50, besser noch 35 eingreifen, sagte sie – plädierte aber auch dafür, dass Öffnungsschritte mit bedacht würden. „Mobiles Arbeiten und Homeoffice müssen Pflicht sein und auch kontrolliert werden“, fordert sie. Wo Homeoffice nicht umsetzbar ist, müsse man auf eine Testpflicht setzen.

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Leidenschaftlich forderte sie mehr Vorsicht an den Schulen: „Es ist kein Schutz für Eltern und Schüler, wenn erst ab einer Inzidenz von 200 kein Präsenzunterricht mehr stattfindet.“ Nötig sei Wechselunterricht ab einem Inzidenzwert von 50, so die Grüne, bei einer Inzidenz von 100 nur in Ausnahmefällen und mit einem ausgeklügelten Hygienekonzept.

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