Der EU-Impfpass taugt noch nicht als Reisepass in Corona-Zeiten
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Mit einem Impfzertifikat will die EU-Kommission das Reisen in Pandemiezeiten erleichtern. (Symbolfoto)
© Quelle: Reisereporter
Brüssel. Die Menschen in der EU sehnen sich nach Begegnungen, nach Reisen, nach Theaterbesuchen, nach Party. Sie sind erschöpft. Jeder Videoschnipsel auf Twitter oder Instagram, der feiernde Menschen im Impfweltmeisterland Israel zeigt, erinnert sie schmerzhaft an eine Normalität, die es seit einem Jahr für sie nicht mehr gibt.
Nun endlich hat die EU-Kommission Vorschläge gemacht, wie auch die Europäerinnen und Europäer der gewohnten Lebensweise wieder einen Schritt näher kommen könnten. Ein digitales Zertifikat, also ein EU-weiter Impfausweis, soll dafür ein entscheidendes Instrument sein. Nach verstolpertem Start der Impfkampagne, Sorgen wegen nicht gelieferter Vakzine, Ängsten vor Nebenwirkungen und sinnlosem Streit um Verteilquoten in der EU ist das eine der wenigen guten Nachrichten, die seit Langem aus Brüssel kommen.
EU-Impfpass: die Zeit drängt
Allerdings ist noch nicht ausgemacht, ob das Impfzertifikat tatsächlich schon in diesem Sommer zu einem EU-internen Reisepass wird. Der Sommer beginnt nach EU-Rechnung am 1. Juni. Es bleiben also nur noch gut zwei Monate.
Die EU-Kommission hat getan, was sie tun konnte und durfte. Sie hat Empfehlungen abgegeben, denen die 27 Mitgliedsstaaten jetzt folgen müssen, um das Zertifikat zu einem Erfolg zu machen. Den hat nicht nur EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dringend nötig. Auch die Regierungen der Mitgliedsstaaten müssen liefern, um nicht den letzten Rest an Vertrauen in ihren Bevölkerungen zu verspielen, dass die Politik in der Lage ist, die Pandemie zu bewältigen.
Die Empfehlungen der Kommission sind gut. Im Impfzertifikat sollen neben der Impfung gegen das Coronavirus auch überstandene Infektionen sowie Nachweise über negative Corona-Tests vermerkt werden. Das würde sicherstellen, dass auch Nichtgeimpfte zumindest innerhalb der EU relativ unbeschwert reisen könnten.
Klingt logisch, ist aber höchst umstritten. Jene EU-Staaten, die wie Griechenland, Spanien oder Österreich vom Sommertourismus leben, wollen so schnell wie möglich alle Restriktionen abschaffen und dafür alle erdenklichen Nachweise nutzen. Die deutsche Bundesregierung dagegen ist skeptisch, weil die Zahl der Geimpften noch gering und auch noch unklar sei, ob und wie lange zum Beispiel Geimpfte das Virus nicht weitergeben können.
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Wie steht es mit dem Datenschutz beim EU-Impfpass?
Streit darüber ist genauso programmiert wie Auseinandersetzungen, mit welchem Impfstoff Menschen in der EU geimpft sein müssen, damit sie von dem Zertifikat profitieren können. Frankreich etwa drängt darauf, nur Vakzine anzuerkennen, die von der europäischen Arzneimittelagentur EMA zugelassen sind. Damit fielen der russische Impfstoff Sputnik V und das chinesische Vakzin Sinopharm raus. Doch Ungarn und andere EU-Staaten impfen bereits mit diesen Impfstoffen.
Auch die Debatte um den Datenschutz könnte eine schnelle Einführung des digitalen Impfpasses verzögern. Die nationalen Systeme in der EU müssen miteinander kompatibel sein, sonst bleibt der europäische Impfpass ein schöner Plan, wird aber nicht Realität.
Das heißt zwangsläufig aber auch, dass wir Deutschen uns damit abfinden müssen, unsere Corona-Daten den Behörden anderer Staaten und Privatunternehmen wie Fluggesellschaften zur Verfügung zu stellen. Das eine ist nötig, um kriminellem Missbrauch von Zertifikaten vorzubeugen. Das andere müssen die Menschen selbst entscheiden, wenn sie mit dem Flieger verreisen wollen. Was zählt also künftig mehr – der individuelle Datenschutz oder die Möglichkeit, zur Normalität zurückkehren? Die Frage ist noch unbeantwortet.
Die Vorschläge der EU-Kommission sind wichtig. Es wird aber jetzt darauf ankommen, dass die Regierungen der Mitgliedsstaaten ihre nationalen Eitelkeiten überwinden und gemeinsam vorgehen. Das ist in der EU in Pandemiezeiten alles andere als üblich. Solange das nicht geschehen ist, wird das Impfzertifikat auch nicht zu einem Corona-Reisepass.