Der neue Ost-West-Konflikt

Polnische Gastarbeiter in Brandenburg: Frankreich und Deutschland wollen EU-weit Lohndumping verhindern.

Polnische Gastarbeiter in Brandenburg: Frankreich und Deutschland wollen EU-weit Lohndumping verhindern.

Berlin. Wenn EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch im EU-Parlament seine „Rede zur Lage der Union“ hält, dürfte es vor allem um eines gehen: den bröckelnden Zusammenhalt in der EU. Der Streit um die Verteilung von Flüchtlingen hat einen tiefen Graben zwischen west- und osteuropäische Staaten gerissen – nun tut sich ein weiterer Ost-West-Konflikt auf. Es geht um die Bezahlung von Arbeitnehmern. Osteuropäischen Gastarbeitern wird vorgeworfen, die Löhne westeuropäischer Arbeiter zu drücken. Der EU-Arbeitsmarkt steht vor einem Umbau.

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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron treibt die Reform der EU-Entsenderichtlinie voran – sie ermöglicht Unternehmen, ihre Beschäftigten zur Arbeit in ein anderes EU-Land zu schicken. Meist sind es osteuropäische Arbeiter, die zum Beispiel auf Baustellen oder in Pflegeeinrichtungen in westeuropäische Länder entsandt werden, wo sie oft den niedrigeren Lohn ihres Heimatlandes erhalten – und somit aus Arbeitgebersicht günstiger sind als inländische Arbeitnehmer.

Polen bangt um seinen Wettbewerbsvorteil

„Lohndumping zulasten heimischer Arbeitnehmer“, sieht Macron darin, gar den „Verrat am Geist Europas“. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ – so lautet die Devise des Franzosen, mit der er schon seinen Wahlkampf bestritt und die nun Brüssel in EU-Recht gießen soll, als reformierte EU-Entsenderichtlinie. In osteuropäischen Ländern, allen voran in Polen, kommt das gar nicht gut an. Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski wirft Macron vor, die französische Wirtschaft auf Kosten der polnischen sanieren zu wollen. Von den rund 1,9 Millionen entsandten Arbeitnehmern in der EU sind laut Kommission 420 000 Polen, sie stellen die größte Gruppe. Daher würde es Polen spürbar treffen, sollte die Richtlinie nach französischer Vorstellung geändert werden. Würde ein polnischer Gastarbeiter so viel Geld erhalten müssen wie ein französischer, verlöre der Pole und mit ihm sein Arbeitgeber seinen Wettbewerbsvorteil gegenüber inländischer Konkurrenz.

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Während auch weitere osteuropäische Staaten wie Bulgarien, die Tschechische Republik, Ungarn und Rumänien gegen die Reform mobil machen, kann sich Macron auf die Unterstützung Berlins verlassen. „Wir setzen uns gemeinsam mit Frankreich dafür ein, die Entsenderichtlinie noch mal nachzubessern und sozialer auszugestalten“, sagt Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die von Paris mit Berlin erarbeiteten Reformvorschläge zielten einerseits auf „anständige Arbeits- und Lebensbedingungen“ ab. „Zum anderen müssen wir heimische Arbeitnehmer vor Lohndumping schützen“, betont Nahles. Dazu sollen Gastarbeiter nicht mehr nur den nationalen Mindestlohn erhalten, sondern nach geltendem Tarifrecht bezahlt werden – plus Zulagen und Sonderzahlungen. Zudem soll die Einsatzdauer reduziert werden.

Protest aus der Bau- und Pflegebranche

Von den rund zwei Millionen EU-weit entsandten Arbeitnehmern ist etwa ein Drittel in Deutschland im Einsatz. In der Bau- und in der Pflegebranche, wo viele osteuropäische Gastarbeiter beschäftigt sind, ist die Skepsis groß. „Die Pflege braucht vieles, aber nicht mehr Regulierung und Bürokratie“, sagt Thomas Greiner, Präsident des Arbeitgeberverbandes Pflege. Er verurteilt den Vorstoß Macrons als „typisch französische Planwirtschaft und riesige Kostensteigerung“ zulasten alter Menschen. „Finger weg von dieser arm machenden Vereinheitlichung“, fordert er. In einer Stellungnahme des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie wird der Nutzen der Reform bezweifelt: „Wir sind davon überzeugt, dass die regelmäßig benannten Szenarien von Lohndumping nicht auf Defizite in der Regelungstiefe der Entsenderichtlinie, sondern auf die kriminelle Energie und das mangelnde Unrechtsbewusstsein einzelner Marktteilnehmer zurückzuführen sind.“ Höhere Standards in der EU-Gesetzgebung „werden an deren mangelhafter Durchsetzung nichts verändern“.

Von Marina Kormbaki

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