Der Tag nach der Wahl: Laschet in der Defensive, Scholz mit Charmeoffensive

Während CDU-Chef Armin Laschet in den eigenen Reihen unter Druck steht, startet SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz eine Charmeoffensive für eine Ampelkoalition.

Während CDU-Chef Armin Laschet in den eigenen Reihen unter Druck steht, startet SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz eine Charmeoffensive für eine Ampelkoalition.

Berlin. Wie es ihm so als rheinische Frohnatur jetzt gehe, wird Verlierer Armin Laschet am Tag nach dem Absturz seiner Union bei der Bundestagswahl gefragt. „Ich hätte gern auf Platz eins gelegen“, sagt er durchaus bedrückt. Es sei ja klar gewesen, dass verhindert werden solle, nach Angela Merkel wieder jemanden von der CDU zum Kanzler zu machen. Attacken, Hassattacken, habe es im Wahlkampf auf ihn gegeben. „Das ist etwas, was einen berührt.“

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Das ist es dann aber auch schon mit dem Bedauern. Den großen Rest seiner Pressekonferenz im Konrad-Adenauer-Haus bestreitet der CDU-Vorsitzende vor allem mit Erklärungen, warum die Union als Zweitplatzierte trotzdem eine Jamaikaregierung führen könnte – und warum solche Äußerungen angeblich keinen Regierungsanspruch darstellten. Klarer wird es nicht.

Laschet bleibt bei seiner Gleichung: Keine Partei könne aus dem Wahlergebnis einen Regierungsauftrag ableiten, aber das Beste für das Land wäre eine Bundesregierung unter Führung der Union. Eine Strategie für Koalitionsverhandlungen hat er auch schon: kein Klein-Klein, gönnen können und Tempo.

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Olaf Scholz und ich sind zur gleichen Demut aufgerufen.

Armin Laschet,

Kanzlerkandidat der Union

Nur, dass die SPD die Wahl nach Zahlen gewonnen hat. Gratulieren tut er Kanzlerkandidat Olaf Scholz nicht. Er beschränkt sich auf den Glückwunsch an die „mitbewerbenden Parteien, die zugelegt haben“. Und er findet: „Olaf Scholz und ich sind zur gleichen Demut aufgerufen.“

Und: „Wir müssen uns da auf Augenhöhe begegnen.“ Was gleich Fragen nach sich zieht, ob es womöglich wieder eine große Koalition geben könnte und ob er, Laschet, ausschlösse, als Juniorpartner in ein solches Bündnis einzutreten. „Ich schließe überhaupt nichts aus unter Demokraten“, sagt er. Aber diese Gespräche fänden im Moment nicht statt.

Laschet spricht von der „Verpflichtung, wenn man so knapp hinten liegt, weiter um Regierungsverantwortung zu kämpfen“. Das hätten alle im CDU-Präsidium unterstützt. Vielen in der Union ist aber offensichtlich nicht wohl dabei. Auch aus dem Präsidium verlautet, die Union sollte sich bereithalten, wenn die Verhandlungen über eine Ampelkoalition nicht erfolgreich sein werden, aber sie sollte nicht nach vorne preschen mit dem Drängen nach einer Regierungsbildung. Genau das wird bei Laschet aber so empfunden.

CSU-Chef Markus Söder mahnt derweil in München, die Union dürfe Platz zwei und 24,1 Prozent „nicht schönreden“. Aus diesem Ergebnis „ergibt sich kein Anspruch auf eine Regierungsbildung“. Deshalb könne man nur „ein Angebot“ machen.

Das hört sich etwas defensiver an, zeigt aber ebenso, wie erschüttert CDU und CSU sind, dass sie nach 16 Jahren mit Angela Merkel im Kanzleramt die Macht verlieren könnten. Hinter den Kulissen soll die Kritik der CSU-Parteiführung an Laschet und der großen Schwester deutlicher gewesen sein. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt soll Kurs, Kampagne und Kandidat der Union als Ursachen für das schlechte Abschneiden benannt haben.

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Ja, eine Aufarbeitung des Wahldebakels soll es auch noch geben. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kündigt eine „klare und schonungslose Analyse“ an. Vor allem die CDU in Ostdeutschland schäumt. Sie hatte auf Söder als Kanzlerkandidat gesetzt. Er hätte den AfD-Erfolg über die Union vor allem in Sachsen verhindert, heißt es. Bleibt noch der Ärger mit Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus.

Brinkhaus erklärt öffentlich, dass er sein Amt an der Spitze der Fraktion behalten und dieses nicht erst einmal nur „kommissarisch“ weiterführen wolle, wie Laschet es vorschlägt. Schon an diesem Dienstag steht die Wahl turnusgemäß an. Das Amt ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil Partei- und Fraktionsvorsitz bei der Union früher in einer Hand waren, wenn sie in der Opposition saß.

Mit dem fortschreitenden Zerwürfnis der Union rückt eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP ins Zentrum. Wenn es nach FDP-Chef Christian Lindner geht, dann sollen Liberale und Grüne ein „fortschrittliches Zentrum“ einer neuen Koalition werden.

Treffen von Grünen und FDP geplant

Geplant ist nach RND-Informationen, dass sich Parteichef Lindner und Generalsekretär Volker Wissing mit der Grünen-Spitze Annalena Baerbock und Robert Habeck treffen. Habeck und Lindner hatten schon vor der Wahl einen belastbaren Draht zueinander.

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Der Grünen-Chef, der in Schleswig-Holstein als Umweltminister bereits Erfahrung mit einem Jamaikabündnis gesammelt hat, betont am Montag, es gehe jetzt darum, alle Möglichkeiten auszuloten und Gemeinsamkeiten zu finden. Mit der FDP werde dies aber nicht einfach. In der Sozial- oder Wirtschaftspolitik seien beide Parteien weit auseinander. „Da treffen Welten aufeinander.“

Zugleich erklärt der Grünen-Chef, das Mandat einer neuen Regierung ergebe sich aus der Sache. So oder so gelte: „Es muss was Neues entstehen. Das ist kompliziert, aber gleichzeitig extrem reizvoll.“ Dies sei doch „eigentlich eine coole Situation“.

Es eint uns, dass wir weg wollen vom Status quo, weg vom Beharrungsvermögen der großen Koalition.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann,

stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende

Im Regierungsviertel macht der Begriff der Zitruskoalition die Runde – zitronengelb und limettengrün. Die Suche nach Gemeinsamkeiten hat begonnen. Dazu gehört zum Beispiel, dass die beiden Parteien bei Erst- und Jungwählerinnen und -wählern besonders gut ankommen. „Es eint uns, dass wir weg wollen vom Status quo, weg vom Beharrungsvermögen der großen Koalition“, sagt FDP-Vizechefin Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

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Der große Unterschied zwischen den Parteien, der auch die größte Hürde auf dem Weg einer Regierungsbildung darstellt: Die Liberalen favorisieren Armin Laschet als Kanzler, die Grünen Olaf Scholz.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat für den Tag nach der Wahl eine eindeutige Botschaft mitgebracht: Die SPD will eine Ampel-Koalition mit FDP und Grünen bilden. Die Wähler hätten klar zu erkennen gegeben, wer die nächste Regierung führen solle, sagt er im Willy-Brandt-Haus. Drei Parteien seien gestärkt worden: die SPD, die Grünen und die FDP. „Deshalb ist das der sichtbare Auftrag, den die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes formuliert haben“, sagt Scholz. „Diese drei sollen die nächste Regierung führen.“

Das Ziel sei, nicht nur schnell in Gespräche zu kommen, sondern „so schnell wie möglich auch tatsächlich eine Regierung zu bilden“, betont Scholz. Das ist eine selbstbewusste Ansage, wenn man bedenkt, dass es gerade zur FDP erhebliche programmatische Differenzen gibt.

Wenn drei Parteien, die den Fortschritt am Beginn der 20er-Jahre im Blick haben, zusammenarbeiten, kann das etwas Gutes werden, selbst wenn sie dafür unterschiedliche Ausgangslagen haben.

Olaf Scholz,

SPD-Kanzlerkandidat

Scholz sieht ausreichend Gemeinsamkeiten

Scholz sagt unbeirrt: Wenn man sich die Programme der drei Parteien ansehe, dann gebe es genügend Schnittmengen, um eine gemeinsame Regierung zustande zu bringen. Es gehe ihm um „eine Fortschrittserzählung“, so der SPD-Kanzlerkandidat. „Wenn drei Parteien, die den Fortschritt am Beginn der 20er-Jahre im Blick haben, zusammenarbeiten, kann das etwas Gutes werden, selbst wenn sie dafür unterschiedliche Ausgangslagen haben“, führt er aus. Auch SPD-Chefin Saskia Esken, die vom linken Parteiflügel kommt, erklärt, sie freue sich sehr auf die Gespräche, die anstünden.

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Scholz setzt auf eine Charmeoffensive. Er erinnert daran, dass die beiden gewünschten Koalitionspartner in der Vergangenheit im Bund schon erfolgreich mit der SPD regiert hätten: mit der FDP in der sozialliberalen Koalition von 1969 bis 1982 und mit den Grünen unter Bundeskanzler Gerhard Schröder von 1998 bis 2005. Jetzt könne eine „sozial-ökologisch-liberale Koalition“ gebildet werden.

„Ich möchte eine Regierung bilden, die auf Vertrauen beruht“, betont Scholz. Alle beteiligten Parteien müssten sich darin wiederfinden. Die Regierungsarbeit müsse so sein, dass man sich erfolgreich um eine Wiederwahl bewerben könne. Der FDP werde sicher noch in Erinnerung sein, wie schlecht die schwarz-gelbe Koalition von 2009 bis 2013 für sie gelaufen sei. Das sei ein „abschreckendes Beispiel“, er wolle das anders machen, sagte Scholz.

Während die Parteiführung die Bündnisfrage noch offenhält, regt sich bei den Grünen bereits Widerstand gegen ein Jamaika-Bündnis. Dass sich die Parteiführung aus taktischen Gründen bislang nicht auf Scholz als bevorzugten Kanzler festlegen will, bringt manch einen Grünen auf die Palme. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann sagte dem RND: „Deutschland will Armin Laschet nicht als Kanzler, das ist eindeutig.“

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