Die leise Botschaft des Olaf Scholz an die SPD: Als Kanzler wird er der Partei etwas zumuten
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Olaf Scholz wirbt beim Parteitag im Willy-Brandt-Haus für den Koalitionsvertrag.
© Quelle: Getty Images
Berlin. Olaf Scholz wird der vierte sozialdemokratische Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. An welchem seiner Vorgänger wird er sich am ehesten orientieren?
„Mehr Fortschritt wagen“ – so lautet die Überschrift über dem Koalitionsvertrag der Ampelparteien SPD, Grüne und FDP. Es ist eine Anleihe bei Willy Brandt, dem bis heute die meisten Herzen in der SPD gehören. Auch in seiner Rede beim SPD-Parteitag erinnerte Scholz an den Aufbruch von 1969.
Visionen ohne Arztbesuch
Der nüchterne Hamburger Scholz will zeigen, dass er sich nicht nur in der Tradition des nüchternen Hamburgers Helmut Schmidt sieht. Auch der umstrittene Agenda-Kanzler Gerhard Schröder, als dessen Generalsekretär sich Scholz einst den wenig schmeichelhaften Spitznamen „Scholzomat“ erwarb, soll nicht als prägendes Vorbild dienen.
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Scholz ist, wie auch die Kanzler Schmidt und Schröder es waren, überzeugt davon, dass die SPD hohe industriepolitische Kompetenz ausstrahlen muss, um erfolgreich zu sein. Der künftige Regierungschef würde sich aber das Schmidt-Zitat „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“ nicht zu eigen machen. Er weiß, dass erfolgreiche Industriepolitik heute bedeuten muss, eine Vision vom klimaneutralen Wirtschaften zu entwickeln. Mit der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro und dem Wohnungsbau setzt Scholz zudem auf klassisch sozialdemokratische Gerechtigkeitsthemen.
Die DNA der SPD
Dass die SPD – noch immer vom Wahlsieg euphorisiert – dem Koalitionsvertrag mit 98,8 Prozent zugestimmt hat, ist nicht überraschend. Doch wird die Ruhe in der Partei, zu deren DNA ein Hang zu schnell eintretender Unzufriedenheit gehört, auch halten, wenn im Regierungsalltag der Ampelkoalition die erste Ernüchterung eintritt?
„Erst das Land, dann die Partei“, so hat es Gerhard Schröder 1998 gesagt. Die Parteilinke, die Jusos und auch manch ein anderer in der SPD, der heimlich skeptisch ist, werden genau gehört haben, dass Scholz gesagt hat, die Arbeit in der Regierung verändere auch die beteiligten Parteien. Die Botschaft ist leiser formuliert als zu Schröders Zeiten, aber dennoch eindeutig: Scholz wird der SPD auch etwas zumuten.
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Die Rolle des Kevin Kühnert
In der eigenen Partei wird für den künftigen Kanzler einiges davon abhängen, wie gut es den Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil gelingt, der SPD im laufenden Regierungsgeschäft ein Gefühl der Eigenständigkeit zu vermitteln. Das wird auch für den kommenden Generalsekretär Kevin Kühnert eine Gratwanderung. Der frühere Juso-Chef muss dabei aufpassen, dass er nicht seine Glaubwürdigkeit bei denen verspielt, die er erreichen muss. Gelingt das Experiment, kann Scholz Kühnert dankbar sein.
In den Ampelverhandlungen hat Scholz selbst gezeigt, dass er unterschiedliche Perspektiven zusammenbringen kann. Dabei darf er aber auch das Führen nicht vergessen – weder in der SPD noch in der Koalition. In der Pandemiepolitik hat er, insbesondere aus Rücksicht auf die FDP, in der kritischen Lage der vergangenen Wochen erst in letzter Minute zu einem konsequenten Kurs gefunden. Das muss bei künftigen Krisen schneller gelingen.
Habituell wird Scholz sich als Kanzler in mancherlei Hinsicht mehr seiner Vorgängerin Angela Merkel (CDU) als an den bisherigen sozialdemokratischen Amtsinhabern orientieren. Er wird versuchen, sich als grundsolider Arbeiter für Deutschland zu präsentieren, wie er es schon im Wahlkampf getan hat.
Es wäre aber schön, wenn er dabei nicht an eine Schwäche anknüpft, die sowohl Merkel als auch er selbst in den vergangenen Jahren gezeigt haben: Sie haben es oft vergessen, ihre Politik verständlich und auch mit ausreichend Emotion zu erklären. Die Rede von Scholz beim Parteitag war gut. Sie kann aber nur ein Anfang sein. Die Demokratie in diesem Land braucht mehr echte Kommunikation.