Ex-Präsident kündigt Kandidatur an

Trumps dritter Aufguss

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump.

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump.

Washington. Die Geschichte mit der Bundeskanzlerin werden seine Anhängerinnen und Anhänger vielleicht nie erfahren. Donald Trump hat nach 40 Minuten die Zuhörenden gerade aufgefordert, sich doch bitte hinzusetzen, als er zu einer Anekdote ansetzt: „Ich habe zu Angela gesagt …“, berichtet er: „Erinnert ihr euch an Angela? Niemand erinnert sich mehr an sie.“

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Das verspricht eine wilde Schnurre aus den glorreichen alten Zeiten des Ex-Präsidenten zu werden. Doch plötzlich dreht der rechte TV-Sender Fox News den Ton ab. „Wir schalten später wieder herein. Ich habe das Manuskript. Es gibt ein starkes Ende“, verspricht Moderator Sean Hannity und führt dann ein Studiogespräch, während Trump in einem Fenster auf der Mattscheibe stumm weiter gestikuliert.

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Nicht nur dem Moderator ist es offenbar langweilig geworden. Bombastisch hat Trump am amerikanischen Dienstagabend zu einer „besonderen Ankündigung“ in den mit goldenen Stühlen und einem Dutzend Kronleuchter ausstaffierten Ballsaal seines Anwesens Mar-a-Lago geladen. Erwartungsgemäß erklärt der 76-Jährige seine erneute Bewerbung für das Rennen um das Weiße Haus im Jahr 2024. Doch das von Trump als „eine der wichtigsten Tage in der Geschichte unseres Landes“ angekündigte Ereignis wirkt so langweilig und kraftlos wie der dritte Aufguss eines Teebeutels.

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Evergreens wie von einem abgehalfterten Schlagerstar

Er solle sich kurz halten und nicht ausschweifen, haben Trumps Berater ihm nach Medienberichten geraten. Andere mahnten, er dürfe nicht den Wahlkampf der Republikaner bei der Stichwahl in Georgia stören. Heraus kommt eine gut einstündige blutleere Rede, die in großen Teilen vom Teleprompter abgelesen wird und in gelegentlichen frei drehenden Passagen einigermaßen bizarr wirkt.

Die größte Volksbewegung aller Zeiten, der Kampf gegen die Eliten, Globalisten und Marxisten, die Bedrohung der amerikanischen Werte durch schwerkriminelle Migranten und Männer im Frauensport – irgendwie tauchen alle üblichen Motive von Trump-Ansprachen auf. Aber anders aus draußen im ländlichen Amerika, wo Trump seine Zuhörerinnen und Zuhörer immer noch in den Bann schlagen kann, wirkt er in der falschen Versailles-Kulisse seines Protzpalastes wie ein abgehalfterter Schlagerstar auf Revival-Tour.

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Es wäre gleichwohl ein fataler Fehler, den Mann zu unterschätzen. Kein anderer republikanischer Politiker hat eine derart loyale Anhängerschaft. Niemand hat es geschafft, einen regelrechten Kult um seine Person aufzubauen. Doch bei der Ankündigung seiner erneuten Bewerbung für das höchste Amt des Staates wirkt Trump weit mehr von der Vergangenheit und dem gekränkten eigenen Ego getrieben als von einer Vision für die Zukunft. „Ich bin ein Opfer“, sagt er einmal unvermittelt. „Ich hatte ein schönes Leben. Ich brauche das nicht“, behauptet er ein anderes Mal. Man hört es, aber glaubt es nicht.

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Blutgetränkter Straßen, glorreiche Aussichten

Die Rede beginnt nach einem Rückblick auf das „goldene Zeitalter“, das die USA unter seiner Präsidentschaft angeblich erlebten, mit einer apokalyptischen Gegenwartsbeschreibung, die an Trumps Antrittsrede im Januar 2016 erinnert: Wieder befindet sich eine Nation im Niedergang, die Menschen leiden, es gibt eine „Invasion“ von Kriminellen, auf den „blutgetränkten Straßen“ der Städte herrscht die Gewalt, und das große Amerika ist international zur Lachnummer geworden. „Bald werden wir wieder eine großartige Nation sein“, verspricht Trump, und setzt verstärkend noch einmal hinzu: „großartig und glorreich“.

Dann aber kommt Trump nicht umhin, auf die Zwischenwahlen einzugehen, bei denen neun der zehn extremsten „America-First“-Kandidaten, die er durchgedrückt hatte, gescheitert sind. Es habe Kritik gegeben, gibt der Ex-Präsident zu. Dabei habe er dafür gesorgt, dass die Republikaner (mit einer hauchdünnen Mehrheit) das Repräsentantenhaus zurückerobert hätten. Im Übrigen, erklärt er den Misserfolg, würden offenbar noch nicht alle Wähler spüren, wie sehr Präsident Joe Biden das Land zugrunde richte. Das werde 2024 anders sein. „Are you ready?“ (Seid ihr bereit?), fragt er ziemlich unvermittelt. „Yeah!“, antwortet die Menge brav.

Die Kritik an Trump wird lauter

Tatsächlich haben sich zuletzt ungewöhnlich viele Republikaner ziemlich abfällig über den Ex-Präsidenten geäußert. Die Partei habe so enttäuschend abgeschnitten, weil sie „zu viel Zeit mit Negativität, Attacken und Chaos“ verbracht habe, hat etwa Mitch McConnell, der Minderheitsführer im Senat gesagt – ein klarer Seitenhieb gegen Trump. „Wir werden bessere Alternativen haben“, hat sich der ansonsten stets angepasste Ex-Vizepräsident Mike Pence in der Kandidatenfrage aus der Deckung getraut.

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Umfragen zeigen, dass die Beliebtheitswerte des Gouverneurs von Florida, Ron DeSantis, steigen. Und das konservative „Wall Street Journal“ nannte Trump am Dienstag in einem Leitartikel den Mann, „der höchstwahrscheinlich eine totale Niederlage“ der Republikaner einfahren werde.

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Trump spürt ganz offensichtlich, dass etwas ins Rutschen zu geraten droht. Das ist wohl auch der erste Grund für seine ungewöhnlich frühe Bewerbung zwei Jahre vor den Wahlen: Er will das Feld klären und potenzielle Gegenkandidaten wie DeSantis, Pence oder Glenn Youngkin, den Gouverneur von Virginia, abschrecken.

Ähnlich wichtig aber dürfte es Trump sein, sich gegen den drohenden Zugriff der Justiz in seinen zahlreichen Verfahren zu immunisieren. Eine Anklage gegen einen Präsidentschaftskandidaten wäre theoretisch zwar möglich, hätte aber sofort den Beigeschmack einer politischen Verfolgung. „Ich sage euch: Ich bin ein Opfer“, klagt Trump gleich zweimal. Kurz darauf fordert er seinen Sohn Eric auf, sich von seinem Sitz im Publikum zu erheben: „Mein Sohn hat mehr Vorladungen als die schlimmsten Gangster in unserer Geschichte – als Al Capone“, beschwert sich Trump: „Das ist unfair!“ Tochter Ivanka ist der Veranstaltung übrigens ferngeblieben, weil sie sich nach eigenen Angaben nun vordringlich um ihre Familie kümmern will.

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Ein gekränktes Ego, ein narzisstischer Machtanspruch, viel Verachtung für den Rechtsstaat und noch mehr Kulturkampf-Rhetorik – aus Trumps Rede lässt sich einiges heraushören. Nur eine politische Agenda für die nächsten Jahre gibt es nicht. Sieht man von der in China üblichen Todesstrafe für Drogenhändler ab, die Trump bewundert, dann ist eine bemannte Mars-Mission noch das konkreteste Vorhaben.

Im fernen Bali berät der amtierende Präsident Joe Biden derweil mit den Weltführern über die hochbrisante Lage nach den Raketenexplosionen in Polen. Ob er etwas zur Präsidentschaftskandidatur von Trump sagen wolle, wird er am Rande der Konferenz gefragt. Biden grinst einen Moment. „Nicht wirklich“, antwortet er.

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