Dutzende Straftaten gegen Impfzentren – aber keine einheitliche Erfassung

Ein Hinweisschild zum Impfzentrum im sächsischen Vogtland wurde im Januar mit dem Schriftzug „Gift“ besprüht.

Ein Hinweisschild zum Impfzentrum im sächsischen Vogtland wurde im Januar mit dem Schriftzug „Gift“ besprüht.

Berlin. Bundesweit sind seit Jahresbeginn Dutzende Straftaten an Impfzentren verübt worden, darunter vor allem Sachbeschädigungen. Hinter einigen dieser Taten stecken offenkundig radikale Impfgegner. Wie viele derartige Taten es insgesamt gab, bleibt jedoch unklar. Denn in vielen Bundesländern werden sie nicht gesondert erfasst, wie eine Umfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) bei den Landeskriminalämtern ergab.

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An den Impfzentren des Deutschen Roten Kreuzes in Sachsen gab es in den vergangenen Monaten bereits mehrfach Schmierereien von Impfgegnern. „Giftlager“ sprühten Unbekannte im März an ein Impfzentrum in der vogtländischen Kleinstadt Treuen. Nach einem weiteren Graffito an einem mobilen Impfzentrum im April wandte sich das DRK an die Öffentlichkeit. Es sei noch mal eine Grenze überschritten worden, sagt Kai Kranich, Pressesprecher des sächsischen Roten Kreuzes. In großen schwarzen Lettern war das Wort „Mörder“ an das Impfmobil gesprüht worden.

Das Rote Kreuz sei in Krisenregionen auf der ganzen Welt im Einsatz. Überall gelte: „Wir sind kein Angriffsziel, wir üben eine neutrale Rolle aus und helfen den Menschen“, sagt Kranich. Dass dies nun auch im Impfeinsatz in Deutschland betont werden muss, verdeutlicht die angespannte Stimmung.

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In Sachsen wurden seit Jahresbeginn mindestens 24 Straftaten im Zusammenhang mit Impfzentren registriert, wie das Landeskriminalamt (LKA) dem RND mitteilte. Die tatsächliche Zahl könnte jedoch höher sein, da Straftaten an Impfzentren nicht explizit als solche erfasst werden. Deshalb sei eine zielführende Recherche in den polizeilichen Auskunftssystemen nur bedingt möglich, so das LKA. Unter den 24 gemeldeten Straftaten sind zehn Sachbeschädigungen, mehrere Hausfriedensbrüche und eine Androhung von Straftaten.

Linken-Abgeordnete Renner fordert bundesweite Erfassung

Fast doppelt so viele Straftaten registrierte die Polizei im größeren Bundesland Nordrhein-Westfalen. Auch dort waren Sachbeschädigungen die häufigsten Taten. In Niedersachsen liegen die registrierten Straftaten im Zusammenhang mit Impfzentren laut dem LKA im unteren zweistelligen Bereich, am häufigsten sei es zu Diebstahl, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigungen gekommen. Doch auch in Niedersachsen werden Straftaten gegen Impfzentren nicht systematisch als solche erfasst. Mehrere Landeskriminalämter konnten auf RND-Anfrage gar keine Zahlen nennen.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner fragte die Bundesregierung schon im Februar vergeblich nach Zahlen zu Angriffen auf Impfzentren und Impfstoffhersteller. Sie fordert, solche Taten bundesweit stärker in den Blick zu nehmen. „Sowohl die Erfahrungen aus anderen Ländern als auch die Beobachtung der hiesigen Corona-Leugner-Szene zeigen eine eskalierende Dynamik mit einem terroristischen Potenzial“, sagte Renner dem RND. „Vor diesem Hintergrund müssen solche Anschläge dringend bundesweit erfasst werden.“

Gefahr weiterer Radikalisierung

Ein Blick in die Niederlande zeigt, welche Gefahr von fanatisierten Corona-Leugnern und Impfgegnern ausgehen kann. Dort nahmen die Behörden im März einen Mann fest, der einen Sprengstoffanschlag auf ein Impfzentrum geplant haben soll. Zuvor hatte es in Nordholland bereits einen Rohrbombenanschlag auf ein Corona-Testzentrum gegeben.

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Brandanschläge im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gab es auch in Deutschland bereits. Im Oktober 2020 waren Brandsätze gegen die Fassade einer Außenstelle des Robert-Koch-Instituts in Berlin geworfen worden. Seit diesem Freitag fahndet die Berliner Polizei mit Überwachungskamerabildern nach einem Mann, der anschließend aus einem Internetcafé ein Bekennerschreiben verschickt haben soll. Erst vor wenigen Wochen legten Unbekannte Feuer an einem Corona-Testzentrum in Berlin. Die Polizei ermittelt und prüft einen politischen Hintergrund.

Beobachter der deutschen Corona-Leugner-Szene wie der Politikwissenschaftler Josef Holnburger vom Thinktank Cemas erkennen eine zunehmende Radikalisierung. Das sei vor allem im Zusammenhang mit dem Thema Impfen festzustellen, sagte Holnburger dem RND. Online würden extrem viele Falschinformationen über Impfungen und Impfzentren verbreitet, auch die Sprache würde dabei immer härter und radikaler. Gerade wenn Menschen ihren Hass nicht nur im Netz, sondern auch vor Impfzentren ausdrückten, sei das eine besorgniserregende Entwicklung.

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