Olaf Scholz in Paris: Deutschland und Frankreich nähern sich wieder etwas an
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Olaf Scholz (rechts) besuchte Emmanuel Macron in Paris. Das deutsch-französische Verhältnis ist zurzeit von Spannungen geprägt.
© Quelle: Ludovic Marin/AFP/dpa
Paris. Nein, eine gemeinsame Pressekonferenz gab es nicht, als Kanzler Olaf Scholz am Mittwoch in Paris den französischen Präsidenten Emmanuel Macron aufsuchte. Auch die nächstniedere Stufe der politischen Kommunikation versagten sich die beiden, wohl auf Macrons Betreiben: Statements vor Journalisten, ohne dass diese etwas fragen können. Die Wortlosigkeit nach außen ist Zeichen der aktuell angespannten Beziehungen nach innen.
Ja, zwischen Deutschland und Frankreich läuft es nicht gut. Da scheint das Treffen im Élysée-Palast, das drei statt zwei Stunden dauerte und mit einem 20-minütigen Vier-Augen-Gespräch ohne Mitarbeiter endete, zumindest für ein wenig Abhilfe gesorgt zu haben. Das jedenfalls ist die regierungsoffizielle Lesart hier wie dort.
„Doppelwumms“ in der Kritik
Beim jüngsten EU-Gipfel waren Scholz und Macron für alle Welt hör- und sichtbar aneinandergeraten. „Ich glaube, es ist nicht gut, weder für Deutschland noch für Europa, dass Deutschland sich isoliert“, sagte der machtbewusste Franzose. Der selbstbewusste Deutsche erwiderte: „Es ist ganz klar, dass Deutschland sehr solidarisch gehandelt hat.“ Gemeint war der Kampf gegen die durch den russischen Angriff auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise.
In Wahrheit stieß sich Frankreich an dem von Scholz verkündeten 200 Milliarden Euro schweren Hilfspaket: dem „Doppelwumms“. Während die Bundesregierung europäische Lösungen wie eine funktionierende Gaspreisregulierung blockiere, schaffe sie daheim Fakten zulasten der Nachbarn, so der Tenor. Später wurden die deutsch-französischen Regierungskonsultationen abgesagt. Das traditionelle Meeting der Ministerinnen und Minister soll nun im Januar nachgeholt werden.
Die Agenda für das gemeinsame Mittagessen von Scholz und Macron war denn auch übervoll. Jede Menge Stoff im Herzen der französischen Hauptstadt.
Da ist zunächst der Fortgang des Krieges gegen die Ukraine. Das Duo hatte ja gemeinsam versucht, den russischen Präsidenten Wladimir Putin von seinen Plänen abzubringen – und später, das Töten zu beenden. Das misslang. Dennoch sind sich beide Politiker in ihren Friedensbemühungen offenkundig nahe.
Das gilt nicht für das Thema Rüstung. Drei Tage nach Kriegsbeginn hatte Scholz im Bundestag das Sondervermögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro verkündet. Die Truppe soll zügig nachgerüstet werden. Zum Leidwesen Macrons lässt der Kanzler aber jetzt erstmal in den USA einkaufen: F35-Kampfbomber oder Transporthubschrauber vom Typ CH-47. Das Gerät ist rasch einsetzbar. Entsprechend erfreut ist die Truppe. Damit schien die komplizierte und kostenträchtige Entwicklung eines gemeinsamen Kampfflugzeugs namens FCAS ins Hintertreffen zu geraten – zum Verdruss des auf die Interessen der eigenen Rüstungsindustrie bedachten Franzosen. Es geht um Milliardensummen.
EU-Minister debattieren über Deckelung der Gaspreise
Habeck hält gemeinsamen Gaseinkauf über die EU-Einkaufsplattform für effizienter als einen Gaspreisdeckel.
© Quelle: Reuters
Umgekehrt hört man aus Berliner Regierungskreisen, Deutschland greife Frankreich mit Stromlieferungen unter die Arme, weil französische Atomkraftwerke vielfach keinen Strom produzieren könnten. Auch subventioniere der Nachbar seit jeher die eigenen Strompreise.
Gerangel um Rüstung
Der Streit um FCAS war ein Gegenstand des Gesprächs im Élysée, das Scholz und Macron auf Englisch führten. Es gebe ein Interesse, ihn „sehr schnell zu lösen“, hieß es unisono. Davon abgesehen ging es dem Vernehmen nach um eine „strategische Selbstvergewisserung“. Diplomaten zufolge fürchtet Macron nämlich genau das, was viele in Deutschland von Scholz fordern: eine deutsche Annäherung an Osteuropa. Der französische Präsident hat die Sorge, langsam an den Rand gedrängt zu werden – das halten deutsche Diplomaten für völlig unbegründet.
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Scholz ließ abschließend in einem Tweet wissen, es sei ein „gutes und wichtiges Gespräch“ zur europäischen Energieversorgung, zu steigenden Preisen und gemeinsamen Rüstungsprojekten gewesen. Die französische Seite – wohlweislich nicht Macron persönlich – beschrieb die Gespräche als „konstruktiv“ und fokussiert auf die Schaffung einer „engen Arbeitsbeziehung“ bei mittel- und langfristigen Themen.
Das klang dann doch reichlich hölzern.