Erdogan will seinen Erzfeind ausbürgern

Im Juni forderte Erdogan die Rückkehr von 130 mutmaßlichen Putsch-Verdächtigen.

Im Juni forderte Erdogan die Rückkehr von 130 mutmaßlichen Putsch-Verdächtigen.

Istanbul. Der islamische Prediger Fethullah Gülen lebt in Saylorsburg, einem 1100-Einwohner-Ort im U.S.-Bundesstaat Pennsylvania. Von hier aus steuert er ein weltweites Netzwerk aus Stiftungen, Bildungseinrichtungen und Medien. Die Residenz des Geistlichen, ein ehemaliges Landschulheim, ist gut gesichert. Denn Gülen hat einen mächtigen Feind: Staatschef Erdogan sieht in ihm den Drahtzieher des Putschversuchs vom 15. Juli 2016, hat die Gülen-Bewegung zur Terrororganisation erklärt und fordert von den USA die Auslieferung des 76-Jährigen.

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Bisher waren diese Bemühungen ergebnislos. Und die Chancen auf eine Auslieferung Gülens könnten sich demnächst weiter verschlechtern. Im Juni forderte die türkische Regierung die Rückkehr von 130 mutmaßlichen Putsch-Verdächtigen, die sich im Ausland aufhalten. Sie sollen sich in ihrer Heimat der Justiz stellen. Wer nicht zurückkehrt, soll die türkische Staatsangehörigkeit verlieren. „Man wird sich an sie nicht länger als Bürger dieses Landes erinnern“, droht Erdogan. Die Frist ist am 5. September abgelaufen. Ganz oben auf der Liste steht Gülen.

Gülen droht in der Türkei 3623 Mal lebenslange Haft

Gegen ihn wird derzeit in Abwesenheit vor mehreren türkischen Gerichten verhandelt. Die Staatsanwälte haben für den Geistlichen unter dem Strich 3623 Mal lebenslange Haft beantragt. Staatschef Erdogan unterstrich den Wunsch nach einer Auslieferung Gülens in persönlichen Gesprächen mit U.S.-Präsident Donald Trump und dessen Vorgänger Barack Obama. Aber die bisher vorlegten Indizien für eine Beteiligung Gülens an dem Putsch seien „sehr dünn“, berichten amerikanische Medien unter Berufung auf dortige Justizkreise.

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Gülen ging 1999 aus der Türkei in die USA, um einer Verhaftung wegen islamistischer Umtriebe zu entgehen. Er hat eine lebenslange Aufenthaltsgenehmigung. Verliert er nun die türkische Staatsbürgerschaft, könnte er die Einbürgerung in den USA beantragen. Damit würde seine Auslieferung an die Türkei noch unwahrscheinlicher. Die Ausbürgerung, von Erdogan als eine Art moralische Strafe dargestellt, könnte sich somit als ein Geschenk für Gülen erweisen.

Frühere Kooperation mit Gülen kehrt Erdogan unter den Teppich

Und für Erdogan. Denn der kann kein großes Interesse daran haben, seinen Erzfeind in die Türkei zurückzubringen und dort vor Gericht zu stellen. In den 2000er Jahren waren Erdogan und Gülen enge Verbündete. Sie arbeiteten gemeinsam daran, die Schaltstellen in der Staatsbürokratie, der Justiz, dem Bildungswesen und dem Sicherheitsapparat mit eigenen, frommen Gefolgsleuten zu besetzen – bis Gülen Erdogan zu mächtig wurde. 2012 kam es zum Bruch. Heute macht Erdogan seinen einstigen Verbündeten für die Massenproteste vom Sommer 2013, die wenige Monate später aufgekommenen Korruptionsvorwürfe und den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich. Die Vorgeschichte wird ausgeblendet. Und dabei soll es wohl bleiben.

Von Gerd Höhler/RND

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