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Lauterbach stellt Maßnahmen vor

Kommt es im Herbst und Winter wieder zu einem Mangel von Kinderarzneimitteln?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD, M.), steht bei einer Pressekonferenz über die Versorgung mit Kinderarzneimitteln zwischen dem Deutschlandchef des Pharmaunternehmens Teva, Andreas Burkhardt (l.), und dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Dötsch.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD, M.), steht bei einer Pressekonferenz über die Versorgung mit Kinderarzneimitteln zwischen dem Deutschlandchef des Pharmaunternehmens Teva, Andreas Burkhardt (l.), und dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Dötsch.

Berlin. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will gerade verspätet mit der Pressekonferenz beginnen, da schrillen die Sirenen. Das ist geplant, immerhin findet an diesem Donnerstag der jährliche Warntag statt. Die Handys im Raum tönen laut, sodass kaum etwas zu verstehen ist. Also wartet Lauterbach kurz, zeigt sein Handy, auf dem die Warnung auch angekommen ist, und lacht.

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Lauterbach zeigt sich optimistisch

Als die Sirenen langsam wieder leiser werden, wird der Gesundheitsminister wieder ernst. Lauterbach will von Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern von Ärzten, Apotheken und Pharmabranche berichten und erklären, wie er eine erneute Kinderarzneimittelknappheit verhindern will. Grundsätzlich blickt Lauterbach optimistisch auf den Herbst und Winter. Dank Produktionssteigerungen der Hersteller sei man nun deutlich besser aufgestellt als im Vorjahr, sagt er.

Im vergangenen Winter waren nach einer Infektionswelle Probleme bei Lieferungen von Kindermedikamenten wie unter anderem Fieber- und Hustensäften eskaliert. Eltern mussten mitunter mehrere Apotheken abklappern, um die Mittel für ihre kranken Kinder zu bekommen. Schon lange warnen Gesundheitsverbände, dass im Herbst und Winter wieder eine ähnliche Situation droht.

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Am Donnerstag hat Lauterbach einen Fünf-Punkte-Plan vorgestellt, wie er das Problem angehen möchte. So sollen Apothekerinnen und Apotheker Rezepturen selber herstellen und Darreichungsformen ändern dürfen, ohne dass die Krankenkasse Zuschläge verweigert. Darüber hinaus bekräftigt das Ministerium, dass die Höchstbeträge bei dringlichen Kinderarzneimittel weiterhin ausgesetzt werden sollen, wie aus dem Papier hervorgeht. Vor allem appelliert das Bundesgesundheitsministerium an Eltern, keine Hamsterkäufe zu tätigen. Dann sei die Versorgung „weitgehend gesichert“, heißt es.

Mit Blick auf mögliche Hamsterkäufe vergleicht Lauterbach die Lage mit der Gaskrise im vergangenen Winter. Man müsse sich wie in der Gaskrise zusammennehmen, sagt er und betont gleichwohl, dass die Infektionswellen eine große Rolle spielen. Wenn diese stark ausfielen, könnten Engpässe nicht komplett ausgeschlossen werden. Dann sollen dem Gesundheitsminister zufolge aber zusätzliche Importe ermöglicht werden.

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Kinderärzte fordern weitere Anstrengungen

Bei den Beratungen war auch der Chef des Berufsverbands der Kinderärzte dabei: Thomas Fischbach lobt die „konstruktiven“ Gespräche, betont aber weiter, dass er nicht glücklich mit der momentanen Versorgungssituation sei. Auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Dötsch, mahnt, es müssten weitere Anstrengungen unternommen werden. Man stehe allerdings vor einer „günstigeren Ausgangssituation“.

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Trotz der verbesserten Lage könne man sich nicht zurücklehnen, sagt auch der Bundessprecher des Kinderärzte-Berufsverbands, Jakob Maske, auf RND-Anfrage. Es seien konkrete Maßnahmen für die Behebung des Mangels nötig. Maske fordert unter anderem, dass Deutschland als Produktionsstandort attraktiv gemacht werden müsse.

Auf der Engpassliste des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stehen aktuell 510 Arzneimittel. Aufgezählt sind nur rezeptpflichtige Medikamente, die Meldung der Engpässe ist freiwillig. Das Institut erstellte kürzlich zudem eine „Dringlichkeitsliste“ mit rund 30 Kinderpräparaten, die mit höchster Priorität beschafft werden sollen. Auf der Liste stehen unter anderem Antibiotika, Nasentropfen und Zäpfchen. Dem Kinderschutzbund zufolge setzen fehlende Fieber- und Antibiotikasäfte Eltern und Kinder „unnötigen Sorgen und Stress aus“. Es bleibe zu hoffen, dass die Maßnahmen rechtzeitig zur Wintersaison greifen werden, sagt Chefin Sabine Andresen dem RND.

Grund für den Mangel ist Gesundheitsverbänden zufolge etwa der Aufholeffekt nach Corona. Die Immunität ging auch bei Kindern durch die Schutzmaßnahmen während der Pandemie zurück, sodass sich mehr Menschen Infektionen einfangen und Medikamente benötigen. Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel nennt als Gründe für die gemeldeten Lieferengpässe in Bezug auf Antibiotika den deutlich gestiegenen Bedarf, der nicht kompensiert werden könne.

Ein weiterer Grund für Engpässe ist die Abwanderung von Produktionsstätten nach Indien und China. Unter anderem wegen des russischen Angriffskrieges gibt es nun unterbrochene Lieferketten, für die Medikamente und auch deren Verpackungen.

Bundestag verabschiedete im Juni ein Gesetz

Um den Kostendruck auf Pharmaunternehmen zu senken, verabschiedete der Bundestag im Juni das Lieferengpassbekämpfungsgesetz. Es macht als Sicherheitspuffer Vorräte von mehreren Monatsmengen für viel genutzte Mittel zur Pflicht. Preisregeln sollen gelockert werden, um Lieferungen nach Deutschland für Hersteller lohnender zu machen. Doch für den bevorstehenden Winter kommt das neue Gesetz zu spät, weil die Mangelliste laut Medizinerverbänden nicht aufgehoben ist.

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Ob drastische Engpässe ausgeschlossen sind, ist also unklar. Das Schrillen der Sirenen könnte man auch als Warnung vor dem Winter verstehen.

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