Frankreichs Blick auf Deutschland: Verzicht auf dritten Lockdown „war die richtige Entscheidung“
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Frankreichs Premier Jean Castex.
© Quelle: imago images/PanoramiC
Paris. Eigentlich schneidet Frankreich im Vergleich mit Deutschland in Sachen Covid-19 nicht unbedingt gut ab. Vor allem, seitdem die sogenannte dritte Welle begonnen hat. Die Inzidenz liegt landesweit bei etwa 250, ungefähr dreimal so hoch wie in Deutschland. Das sind die Neuinfektionen je Hunderttausend Einwohner pro Woche.
Im Département Seine-Saint-Denis nördlich von Paris erreicht diese Zahl gar fast 700. Premierminister Jean Castex hat dennoch kein Problem damit, sein Land im Vergleich zum Nachbarn zu loben. Und Deutschlands striktere Maßnahmen zu kritisieren.
„Wir haben seit Januar nicht die gleiche Strategie gewählt wie andere europäische Länder. Im Gegensatz zu unseren Nachbarn hatten wir keinen landesweiten dritten Lockdown. Diese Idee haben wir Ende Januar verworfen – es war die richtige Entscheidung“, klopfte sich Castex vor einigen Tagen verbal auf die Schulter, während er schließlich nur für 16 Departements ankündigte, dass dort sogenannte nicht essentielle Geschäfte für vier Wochen schließen müssten. Ein harter, dreimonatiger Lockdown wie in Deutschland wäre „überzogen“ und „unerträglich“ gewesen.
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Schon vor einem Monat, als in ganz Frankreich nur eine nächtliche Ausgangssperre galt, hatte der Premier einen leicht schiefen Vergleich gezogen. „Das Virus ist in Frankreich wie fast überall in Europa auf dem Vormarsch – sogar in Ländern wie Deutschland. Dort haben die Kinder seit zwei Monaten keinen Fuß mehr in die Schule gesetzt.“
Frankreich hat seine Schulen nur während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 komplett geschlossen. Laut Unesco waren sie seit Beginn der Pandemie knapp zehn im Vergleich zu fast 24 Wochen in Deutschland zu.
Doch dass es zumindest verquer ist, Frankreich auf ein Niveau mit Deutschland zu stellen, während jenseits des Rheins die Infektionszahlen ein Drittel der französischen betragen, kam Paris nicht in den Sinn.
Das scheint auch eine Frage der Perspektive zu sein: Während in der Bundesrepublik die Alarmglocken klingeln, wenn die Inzidenz 100 übersteigt, bezeichnete Castex jüngst selbst eine Inzidenz von 400 in Paris als „Punkt der sehr starken Wachsamkeit“, ohne dass dadurch die Hauptstadt direkt in den Lockdown musste.