G-20-Angeklagter kam aus Liebe nach Hamburg
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Auf seinem T-Shirt trug der Angeklagte bei G20 den Suchaufruf für eine junge Greenpeace-Aktivistin, die er in Portugal kennengelernt hatte.
© Quelle: dpa
Hamburg. Im dritten Prozess um die Krawalle während des G20-Gipfels ist ein 21 Jahre alter Franzose zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt worden. Außerdem muss er 500 Euro an die Witwen- und Waisenkasse der Polizei Hamburg zahlen.
Das Amtsgericht Hamburg-Altona blieb damit am Freitag knapp unter der Forderung der Anklage. Diese hatte wegen sechs Flaschenwürfen auf Polizisten während der „Welcome to hell“-Demonstration am Vorabend des Treffens der Staats- und Regierungschefs sowie wegen des Widerstands des jungen Mannes gegen seine Festnahme ein Jahr und sechs Monate Haft auf Bewährung verlangt. Die Verteidigung verzichtete auf ein konkretes Strafmaß für ihren Mandanten.
„Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“
Der Angeklagte, der seit dem 7. Juli in Untersuchungshaft saß, räumte zu Prozessbeginn sämtlich Vorwürfe ein, überraschte aber mit einer ungewöhnlichen Geschichte, wie es überhaupt zu den Taten habe kommen können. So sei der aus Nancy stammende 21-Jährige nur nach Hamburg gekommen, um dort ein Mädchen zu finden, nämlich Naomi, die er zuvor auf dem portugiesischen „Boom Festival“ kennengelernt habe. Die Greenpeace-Aktivistin habe ihm dort gesagt, dass sie zum G20-Gipfel fahren werde. Und da er selbst keine weiteren Informationen oder Kontaktdaten von dem Mädchen hatte, sei er nach dem Motto „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“ kurzerhand nach Hamburg gereist.
„Sie sind kein herumreisender Chaot“, sagte der Amtsrichter in seiner Urteilsbegründung. Auch wenn dem Ganzen eine gehörige Portion Naivität zugrunde liege, glaube er ihm die Geschichte. Denn anders als etwa die autonome Szene, die gerne ganz in Schwarz auf die Straße geht, erschien der Angeklagte einem „Paradiesvogel“ gleich in einem weißen T-Shirt mit einem „Fahndungsaufruf“ nach dem Mädchen auf dem Rücken zur „Welcome to Hell“-Demo. Außerdem trug er weithin sichtbar eine bunte Tasche und ein Plüschtier bei sich – und war entsprechend einfach für die Polizei zu identifizieren.
Mit Flaschen geworfen
Gleichwohl blieben die Flaschenwürfe aus etwa 20 Metern in Richtung Polizei, die der 21-Jährige damit begründete, dass er außer sich gewesen sei. Zuvor hätten Polizisten auf Demonstranten eingeschlagen. Und als er dem zunächst schreiend habe Einhalt gebieten wollen, sei er mit Pfefferspray bedacht worden. Da habe er mit Flaschen geworfen und auch getroffen, wobei laut Staatsanwaltschaft niemand verletzt wurde.
Der Richter betonte, es sei nicht auszuschließen, dass Polizisten sich falsch verhalten haben. „Ich kann aber gleichwohl die Reaktion, die Sie gezeigt haben, nicht gutheißen.“ Im Übrigen gäben genau solche Aktionen der Polizei den Vorwand, „um möglichst schnell derartige Demonstrationen zu beenden“. Zumindest habe er sich schon gewundert, wie rasch das bei der „Welcome to Hell“-Demo passiert sei.
Zwei weitere Verfahren nächste Woche
Im ersten Prozess nach den Ausschreitungen beim G20-Gipfel war ein 21-Jähriger aus den Niederlanden zu zwei Jahren und sieben Monaten Gefängnis verurteilt worden. Das zweite Verfahren gegen einen 24-jährigen Polen endete mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
Kommende Woche sind zwei weitere Verfahren gegen mutmaßliche Randalierer angesetzt. In dem einen Fall verhandelt nach Angaben der Staatsanwaltschaft das Amtsgericht Hamburg-St. Georg am Dienstag gegen einen Mann wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, schweren Landfriedensbruchs und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte. Im anderen Fall vor dem Amtsgericht Hamburg dreht es sich den Angaben zufolge am Donnerstag um den tätlichen Angriff eines Schweizers auf Vollstreckungsbeamte sowie Körperverletzung.
Von RND/dpa