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Gabriel auf Beruhigungsmission

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (r, SPD) und der Ministerpräsident von Estland, Jüri Ratas.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (r, SPD) und der Ministerpräsident von Estland, Jüri Ratas.

Vilnius. Drei Staaten, eine Botschaft: „Die Sicherheit Estlands, Lettlands und Litauens ist gleichbedeutend mit der deutschen Sicherheit“, sagt Sigmar Gabriel am Mittwochmittag in der lettischen Hauptstadt Riga. Es ist ein Satz, den der neue Außenminister bei seinem Antrittsbesuch im Baltikum so oder so ähnlich mehrmals wiederholt. Gabriel weiß um die Sorgen der drei baltischen Republiken vor russischen Interventionen. Sein eng getakteter Trip in den äußersten Nordosten des Nato-Gebiets gleicht einer Beruhigungsmission. „Wir übernehmen diese Sicherheitsaufgabe nicht bloß aus Großzügigkeit“, versichert Gabriel seinem litauischen Amtskollegen mit Blick auf die Bundeswehr, die in Litauen ein Nato-Battaillon zur Abschreckung Russlands führt, „sondern auch, weil wir wissen, dass es auch um unsere eigene Sicherheit geht.“ Der Litauer Linas Linkevicius dankt Gabriel für die „strategische Partnerschaft“.

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Die Betonung des deutschen Eigeninteresses soll den Partnern im Baltikum die Zweifel an der Bündnistreue innerhalb der Nato nehmen. Zweifel, die zuletzt auch durch die von US-Präsident Donald Trump angestoßene Debatte um eine Erhörung des Militärbudgets genährt werden. Schutz erhält demnach nur, wer auch zahlt. Die deutschen Militärausgaben liegen derzeit zum Missfallen der Amerikaner unterhalb der anvisierten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wenn es aber nach Gabriel ginge, könnten sie dort auch verbleiben. Das Zwei-Prozent-Ziel, wie es auch von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) verfolgt wird, erachtet Gabriel nicht als verbindlich.

Gabriel: Deutschland soll nicht zur militärischen Übermacht werden

Überhaupt kann der einstige Zeitsoldat dieser Debatte wenig abgewinnen. Gabriel warnt vor unrealistischen Erwartungen in Verteidigungsfragen. „Ich glaube nicht, dass Sicherheit in der Welt allein durch Verteidigungsausgaben gewährleistet werden kann“, sagt Gabriel in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Estland ist eines der wenigen NATO-Länder, das das Zwei-Prozent-Ziel erfüllt, seit Jahren schon. Doch Gabriel legt die Selbstverpflichtung der NATO-Staaten aus dem Sommer 2014 anders aus. Er verweist auf den Wortlaut der Erklärung, als er sagt: „Ich finde es gut, wenn man liest, was man beschlossen hat“, ein Seitenhieb auch in Richtung des Koalitionspartners im Bund. Beim Nato-Gipfel in Wales habe man vereinbart, sich darum zu bemühen, bei den Ausgaben für Militär und Verteidigung in Richtung 2 Prozent zu gehen – und nicht, so Gabriel, in zehn Jahren dieses zu Ziel erreichen: „Es gibt kein apodiktisches Zwei-Prozent-Ziel.“

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Würde Deutschland seine Wehrausgaben auf zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung erhöhen, würde eine „militärische Übermacht“ entstehen, die nicht im Interesse der europäischen Partner sein könne, betont Gabriel und wirbt einmal mehr eindringlich dafür, auch Ausgaben für Entwicklungs- und Flüchtlingshilfe als Investitionen in Sicherheit und Frieden zu betrachten. Er wünschte, so Gabriel, die internationale Gemeinschaft würde mit gleichem Eifer wie über Verteidigungsausgaben über die Linderung der Hungersnot diskutieren, von der nach Unicef-Angaben akut 1,4 Millionen Kinder bedroht sind. „Wertegemeinschaft heißt auch, dass man dem Elend anderer kalt gegenübersteht“, sagt Gabriel.

Am Donnerstag besucht Gabriel die litauische Nato-Einheit unter deutscher Führung, bevor er dann weiter in die Ukraine reist. Falls bei den Balten dann noch Fragen offen sein sollten zum deutschen Beitrag in Verteidigungsfragen, können sie sie an Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen stellen. Die Ministerin ist dann ebenfalls zu Besuch in allen drei baltischen Republiken. Die Besuchsdichte in Europas Nordosten ist ein Hinweis darauf, dass Berlin angesichts seiner wankenden großen Partner in der EU die Bande zu den kleinen Verbündeten festigen möchte.

Von Marina Kormbaki/RND

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