Gefährlich angeknackste Freundschaft
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Emmanuel Macron (rechts), Präsident von Frankreich, begrüßt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Paris.
© Quelle: Christophe Ena/AP/dpa
Wenn es eine Metapher für das deutsch-französische Verhältnis gibt, ist es der Motor. Ohne ihn hat die Europäische Union keinen Antrieb. Läuft er nicht rund, ruckelt es gewaltig in der ganzen Gemeinschaft. In Friedenszeiten ist das misslich genug.
Mit einem Krieg in Europa ist das gefährlich. Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron haben den Karren jedoch gerade durch übergroßes Selbstbewusstsein und mangelndes Gespür füreinander gehörig ins Stottern gebracht. Dadurch gewinnt nur einer: Kriegsherr Wladimir Putin. Er will die EU mit seinem Krieg gegen die Ukraine so weit wie möglich spalten.
Die Folgen des russischen Überfalls setzen allen EU-Staaten zu. Sie müssten enger zusammenrücken, statt sich voneinander zu entfernen. Aber wenn ausgerechnet Deutschland und Frankreich sich voneinander distanzieren, die für eine historische Versöhnung trotz des Zweiten Weltkriegs und Zusammenhalt ungeachtet aller Unterschiede stehen, befördert das die Fliehkräfte in Europa.
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Die Alleingänge schaden der EU
Zwar hat Scholz nach seiner Amtsübernahme von Angela Merkel im vorigen Dezember als Erstes Macron aufgesucht und Kontinuität versprochen. Aber die Irritationen – um es höflich zu formulieren –, die seither die Beziehungen durchschütteln, sprechen eine andere Sprache. Mögen Scholz und Macron noch gleiche Ziele haben, auf dem Weg dahin haben sie Alleingänge gewählt. Das schadet der ganzen EU.
Bevor Putin am 24. Februar seine Truppen in die Ukraine einmarschieren ließ, war zuerst Macron bei Putin und dann Scholz. Schon da ließen sie eine große Gelegenheit des Schulterschlusses durch eine gemeinsame Moskau-Reise ungenutzt vorüberziehen. Nach der russischen Annexion der Krim hatten Angel Merkel und François Hollande 2015 mit vereinten Kräften Putin und den damaligen ukrainischen Regierungschef Petro Poroschenko an den Verhandlungstisch gebracht. Im Doppelpack hatten Frankreich und Deutschland mehr Gewicht.
Scholz und Marcon stehen sich in nichts nach, eine Idee als Erster und alleine zu präsentieren. Macron überraschte Scholz mit dem Vorstoß zu einer „Europäischen Politischen Gemeinschaft“, in der die 27 EU-Mitglieder mit anderen Ländern in Europa zusammenkommen. Das soll sowohl die Beziehungen zu EU-beitrittswilligen und -fähigen Staaten als auch zu jenen fördern, die vielleicht nie dazugehören werden. Anfang Oktober kam diese Gemeinschaft in Prag tatsächlich zusammen. Der Macher war Macron. Scholz blieb nur die Rolle als Unterstützer.
Verpasste Chance in Paris
Der Kanzler ging wiederum allein voran mit seinem Nein zu einem europäischen Gaspreisdeckel und seinem Ja zu einem nationalen 200-Milliarden-Euro-Entlastungspaket. Macrons anschließende Warnung vor einer deutschen Isolation in Europa markiert einen Tiefpunkt in den Beziehungen.
Die Absage des geplanten deutsch-französischen Ministerrats passt bedauerlicherweise auch noch dazu. Offiziell wurden Termingründe genannt. Vielmehr ergab das Treffen aber wohl wenig Sinn, weil es große Differenzen in der Verteidigungs- und Energiepolitik gibt.
Nun hat Scholz allein Macron in Paris aufgesucht. Es ist zu hoffen, dass sie beim gemeinsamen Rüstungsprojekt des neuartigen Kampfflugzeugs FCAS vorangekommen sind, wo doch Deutschland schon mit 14 anderen Staaten ein europäisches Luftverteidigungssystems aufbauen will, aus dem sich Frankreich raushält, weil es mit Italien kooperiert.
In Paris machte der deutsch-französische Motor nach dem Treffen aber erst einmal keinen Mucks. Auf einen gemeinsamen Auftritt vor der Presse wurde verzichtet. Noch so eine verpasste Chance, sich als starkes Duo für die EU zu erweisen. Deutsch-französische Solidarität sieht anders aus.