Gelingt Frankreichs Volksparteien das Comeback?
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Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, im Elysee-Palast in Paris: Noch ist offen, ob er sein Amt bei den Wahlen im April 2022 verteidigen kann.
© Quelle: Sarah Meyssonnier/Reuters Pool/A
Paris. Man hat sie bereits totgesagt oder zumindest als langfristig K.o. angesehen. Die französischen Volksparteien, so meinten viele Beobachter nach der Präsidentschaftswahl 2017, seien zu geschwächt, um nochmals auf die Beine zu kommen. Erstmals hatten damals Republikaner wie Sozialisten die zweite Wahlrunde verfehlt.
Die neuen Grenzlinien der französischen Parteienlandschaft, so hieß es, verliefen fortan nicht mehr zwischen links und rechts, sondern trennten grob gesagt die Globalisierungsgewinner von den -verlierern: hier die urbane, gut ausgebildete, pro-europäische Klientel von Emmanuel Macron, dort die Wählerschaft von Rechtspopulistin Marine Le Pen, die eher im ländlichen Raum lebt und über weniger Diplome, weniger Einkommen, weniger Optimismus verfügt.
Macron fand die Formel „Fortschrittliche gegen Nationalisten” und beanspruchte selbstverständlich für sich, zu ersteren zu gehören.
Macrons Chancen stehen gut
Acht Monate vor der nächsten Präsidentschaftswahl deuten Umfragen auf ein erneutes Duell zwischen Le Pen und Macron hin mit klaren Gewinnchancen für den amtierenden Präsidenten: Einer aktuellen Umfrage zufolge sagen nun wieder 41 Prozent der Franzosen, er mache einen guten Job.
Denn im ersten Jahr der Coronavirus-Pandemie stützte der Staat die besonders betroffenen Branchen, aber auch Familien, sozial Schwache und Selbstständige so großzügig wie kaum ein anderes Land; inzwischen befindet sich die Arbeitslosigkeit wieder auf dem Vorkrisenniveau von 8 Prozent. Dass Macron weniger Reformen als versprochen durchgebracht und viele Linkswähler mit unternehmerfreundlichen Maßnahmen enttäuscht hat, schadet ihm stimmenmäßig kaum.
Dennoch wollen die klassischen Volksparteien zeigen, dass noch mit ihnen zu rechnen ist. Regional sind sie weit besser verankert als Macrons noch junge LREM-Partei oder Le Pens Rassemblement National. Ob sie zur Kandidatenbestimmung parteiinterne Vorwahlen organisieren wie die französischen Grünen Ende September ist noch ungewiss.
Beim letzten Mal erwies sich das als nachteilig, da sich Bewerber durchsetzten, die zwar bei den Parteimitgliedern gut ankamen, für die gesamte Wählerschaft aber zu links beziehungsweise zu rechts von der Mitte standen.
Bei den Sozialisten warten alle auf die Erklärung der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Andere Parteifreunde von ihr sind bereits in den Ring gestiegen oder tun es demnächst. Wie schon in der Vergangenheit dürften sich die Stimmen des linken Lagers auf Sozialisten, die radikale Linke „Widerspenstiges Frankreich” und die Grünen aufteilen. Damit werden die Chancen auf einen Einzug in die Stichwahl minimal. Das wissen die betroffenen Parteien, doch zum jetzigen Zeitpunkt will keiner nachgeben.
Bei den Konservativen verweigert der frühere Gesundheits- und Arbeitsminister Xavier Bertrand eine Einigung mit der republikanischen Partei, aus der er ausgetreten ist. Er tourt durchs Land und will sich durch seine Volksnähe als „natürlicher Kandidat” beweisen.
Auch Ex-Budgetministerin Valérie Pécresse hat bereits ihre Kampagne gestartet. Von sich selbst sagt sie, sie sei eine Mischung aus „zwei Drittel Merkel, ein Drittel Thatcher”. Pécresse steht ihren eigenen Worten zufolge für Autorität und pocht auf Härte in Einwanderungsfragen: Die vor den Taliban fliehenden Afghanen, sagt sie, sollten besser in Nachbarländern Unterschlupf suchen als in Frankreich.
Weitere Bewerber dürften hinzukommen, darunter der frühere EU-Kommissar und Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier.
Tatsächlich wird es darauf ankommen, ob die Anwärter auf das höchste Amt Frankreichs mehr unter Beweis stellen als ihre persönliche Ambition – nämlich eine Vision fürs Land und ein Programm, das über ein paar schwammige Schlagworte – wie jenes der „Autorität” von Pécresse – hinausgeht.
Von ihrem K.o. im Jahr 2017 werden sich die einstmals großen Volksparteien nur erholen, wenn sie Inhalte liefern, mit denen sie sich von anderen abgrenzen. Nur die aktuelle Regierung pauschal zu kritisieren, ohne glaubwürdige Alternativen aufzuzeigen, wird nicht reichen. Das macht bereits Marine Le Pen.