Geteilte Reaktionen auf Lockdown-Verlängerung und Einschränkung des Bewegungsradius
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Schwerin: Eine Frau geht in der Altstadt an einem Geschäft vorbei, das wegen des Corona-Lockdowns geschlossen ist. Die Lage für den Einzelhandel in Mecklenburg-Vorpommern wird nach Ansicht des Handelsverbands Nord im gegenwärtigen zweiten Lockdown immer bedrohlicher.
© Quelle: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dp
Berlin. Die Bund-Länder-Vereinbarungen zur Verlängerung des Lockdowns bis Monatsende ernten ein geteiltes Echo. Zwar begrüßten die meisten Vertreter von Politik, Kommunen, Ärzten und Sozialverbänden die Beschlüsse vom Dienstag im Grundsatz, übten aber Kritik an Details. „Ich habe meine Zweifel, ob mit Bewegungseinschränkungen und Kontaktverboten zu mehr als einer Person außerhalb des eigenen Haushalts nicht der Bogen überspannt wird“, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager (CDU). Kinderärztepräsident Thomas Fischbach kritisierte die bundesweit geplante Verlängerung der Schulschließungen.
Bund und Länder hatten sich am Dienstag darauf verständigt, den seit Mitte Dezember geltenden Lockdown, der unter anderem die Schließung von Schulen, Kitas, Kultur- und Freizeiteinrichtungen, der Gastronomie sowie großer Teile des Einzelhandels umfasst, bis zum 31. Januar zu verlängern und in Teilen zu verschärfen. Mitglieder eines Hausstands dürfen sich nur noch mit einer nicht im Haushalt lebenden Person treffen. Personen in Regionen, in denen die Zahl der Ansteckungen bei mehr als 200 pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche liegt, sollen sich nur noch in einem Radius von 15 Kilometern um den Wohnort bewegen.
Deutscher Städtetag: „Bei Kontaktbeschränkungen keine Tabus“
Landkreistagspräsident Sager sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die Bewegungseinschränkungen brächten „große Teile der Bevölkerung in Schwierigkeiten, auf deren Mitmachen wir angewiesen sind“. Vor allem in ländlichen Räumen wirkten Einschränkungen der Bewegungsfreiheit auf einen Radius von 15 Kilometern besonders. Bei den Schulen wiederum müsse es gelingen „spätestens im Februar, nach Möglichkeit zumindest in Landkreisen mit einer Inzidenz von unter 100, früher zu Öffnungen zu gelangen“. FDP-Chef Christian Lindner lehnt die Einschränkung der Bewegungsfreiheit auf einen Radius rund um den Wohnort ab. „Ein fester Bewegungsradius hat in Berlin-Mitte ganz andere Konsequenzen als zum Beispiel im ländlichen Raum. In Ballungsräumen bleibt fast alles möglich, auf dem Land geht nichts mehr. Was soll das bringen?“
Der Deutsche Städtetag indes hält die Fortsetzung des Lockdowns und auch die Schulschließungen zur Verhinderung von Neuinfektionen für notwendig. „Bei den Kontaktbeschränkungen darf es keine Tabus geben. In der aktuellen Ausnahmesituation sollten auch an Schulen und Kitas die Kontakte so gering wie möglich gehalten werden“, sagte Städtetagspräsident Burkhard Jung (SPD) der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. Die Länder sollten verbindliche Regelungen für die Notbetreuung erlassen. „Die Maßnahmen des Lockdowns sollten so lange nicht gelockert werden, bis ein stabiler Abwärtstrend der Neuinfektionen in ganz Deutschland erkennbar ist“, forderte der Leipziger Oberbürgermeister.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat die noch einmal verschärften Kontaktbeschränkungen für den privaten Bereich als „unumgänglich“ bezeichnet. „Die Lage ist wirklich sehr ernst“, sagte Giffey am Mittwoch im Deutschlandfunk mit Verweis auf die stark gestiegene Zahl der Menschen, die derzeit mit dem Coronavirus sterben. „Je länger wir im soften Lockdown dahinwabern, desto schwieriger wird es auszuhalten“, sagte die Ministerin
Auch mal im Grundschulunterricht eine Maske tragen
Kinderärztepräsident Fischbach sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Je jünger die Kinder sind, desto wichtiger ist der Präsenzunterricht. Für Kinder bis zehn Jahre, die erwiesenermaßen bei der Pandemie keine entscheidende Rolle spielen, müssen Kitas und Schulen unter Wahrung angemessener Hygieneregeln zumindest dort so schnell wie möglich wieder aufmachen, wo die Inzidenzwerte nicht im tiefroten Bereich sind.“ Wo das Corona-Infektionsgeschehen besonders dramatisch sei, müssten natürlich Ausnahmen gemacht werden, dann müsse auch mal im Grundschulunterricht eine Maske getragen werden, räumte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte ein. Anders als bei Kita- und Grundschulkindern sei die Lage bei Jugendlichen, die fast so infektiös seien wie Erwachsene. „Da muss man vorsichtig sein, hier braucht es Hybridmodelle, Online-Unterricht und so weiter“, sagte der Verbandspräsident.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie hält es wegen der weiterhin hohen Infektionszahlen und vielen Todesfälle für folgerichtig, den Lockdown zu verlängern. Doch nur eine überzeugende Strategie sichere auch die Akzeptanz der Kontaktbeschränkungen in der Bevölkerung. „Bei den Schulen und Kitas fehlt leider weiter eine solche kohärente Strategie. Das Ergebnis ist ein widersprüchlicher föderaler Flickenteppich“, sagte Lilie.
Auch die Ärztegewerkschaft Marburger Bund hält die verschärften Corona-Schutzmaßnahmen für notwendig, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. „Es ist richtig, die Bremse weiter anzuziehen“, sagte die Vorsitzende des Marburger Bundes, Susanne Johna, der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. „Ohne die Kontakt- und Aktivitätsbeschränkungen der vergangenen Wochen wäre unser Gesundheitswesen kollabiert“, sagte Johna. Wo immer es möglich sei, sollten die Menschen Kontakte vermeiden. Mit der Verfügung von Maßnahmen allein sei es aber nicht getan, sie müssten auch durchgesetzt werden.
RND/epd/dpa