Partei und Party-Skandal

Tory-Probleme: Führungskrise alles andere als ein Ausreißer

Liz Truss, Premierministerin von Großbritannien, ist zurückgetreten.

Liz Truss, Premierministerin von Großbritannien, ist zurückgetreten.

London. Es ist ein britisches Klischee, dass eine Woche in der Politik eine lange Zeit ist. Dass dies zutrifft, bewies Liz Truss am Donnerstag, als ihr Rücktritt sie zur Regierungschefin mit der kürzesten Amtszeit in der Geschichte des Landes machte. Innerhalb von Tagen sah sie sich vor dem Hintergrund ihrer Kehrtwende bei Wirtschaftsplänen, die die globalen Finanzmärkte in Aufruhr versetzt hatten, und Rücktritten von Schlüsselposten der Regierung mit der Forderung aus ihrer eigenen Partei konfrontiert, ihr Amt niederzulegen. Doch die Erschütterung an der Parteispitze ist kein Ausreißer in der jüngeren Geschichte der britischen Konservativen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

David Camerons Entscheidung

Einige Beobachter führen die gegenwärtige Führungskrise auf Machtkämpfe bei den Tories über die Rolle der - inzwischen verlassenen - EU während der Amtszeit von Ex-Premier David Cameron (2010 bis 2016) zurück. Der EU-Befürworter Cameron entschied, die Debatte durch ein landesweites Referendum über die britische Mitgliedschaft in dem Staatenbund zu beenden. 52 Prozent der Wähler votierten für einen Austritt, 48 Prozent für einen Verbleib in der Union. Es folgten der Brexit - und Camerons Rücktritt.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Mays Brexit-Mandat

Theresa May folgte Cameron als Parteichefin und Premierministerin nach - mit dem Mandat, beim Brexit zu „liefern“. Sie blieb drei Jahre und elf Tage im Amt, zu diesem Zeitpunkt stand der Brexit noch aus. Drei Mal wies das britische Unterhaus die von Mays Regierung mit der EU ausgehandelte Vereinbarung zurück. Es war eine turbulente Zeit voller Frustration in Brüssel und Uneinigkeit in Westminster. Nach einer Reihe von Rücktritten in ihrer Regierung im Zusammenhang mit dem Brexit und unter Druck aus ihrer eigenen Partei nahm auch May den Hut.

Boris Johnsons Kehrtwende

Im Juli 2019 wurde der Pro-Brexit-Wahlkämpfer Boris Johnson der dritte britische Premier in nur wenig mehr als drei Jahren. Unter ihm wurde der Brexit im Januar 2020 nach vier Jahren internationaler Querelen schließlich vollzogen. Die Ausbreitung der Corona-Pandemie Wochen danach warf das Land erneut aus der Bahn. Johnson wurde vorgeworfen, zu zögerlich gehandelt zu haben bei der Einschränkung des Reiseverkehrs, der Schaffung eines Test- und Kontaktnachverfolgungsprogramms und dem Schutz älterer und besonders gefährdeter Menschen. Lob heimste er für die rasche Implementierung eines landesweiten Impfprogramms ein. Die strikten Beschränkungen für Unternehmen, öffentliche Veranstaltungen und private Zusammenkünfte legten letztlich den Grundstein für das Ende seiner Amtszeit. Unter massivem Druck aus der eigenen Fraktion dankte er nach einer Reihe von Skandalen - unter anderem um feuchtfröhliche Zusammenkünfte der Regierung - ab.

Großbritannien: Liz Truss tritt als Premierministerin zurück

Die britische Premierministerin Liz Truss hat ihren Rücktritt erklärt. Innerhalb der nächsten Woche solle bereits die Wahl der neuen Parteiführung erfolgen.

Partei und Party-Skandal

Fotos und Zeugenaussagen kamen auf, die darauf hinwiesen, dass Johnson und andere Vertreter der Regierung ihre eigenen Corona-Regeln für soziale Zusammenkünfte in der Pandemie brachen. Im April wurde Johnson ein Bußgeld für die Teilnahme an einer solchen Zusammenkunft auferlegt. Er war der erste amtierende britische Ministerpräsident, der für einen Gesetzesverstoß bestraft wurde. Der Skandal, der von der Presse des Landes „Partygate“ getauft wurde, löste eine Welle der Empörung aus, insbesondere unter solchen Menschen, die wegen der Pandemieregeln nicht an der Beerdigung geliebter Menschen hatten teilnehmen können. Wenngleich Johnson eine Misstrauensabstimmung überstand, wurde seine Beförderung des Fraktionsfunktionärs Chris Pincher, dem sexuelle Übergriffe vorgeworfen wurden, zum Stolperstein, der eine Reihe von Rücktritten im Kabinett zur Folge hatte. Am 7. Juli verkündete Johnson seinen Rücktritt.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Truss schreibt Geschichte

Die Johnson-Verbündete und frühere Außenministerin Liz Truss zog im September am früheren Finanzminister Rishi Sunak vorbei und wurde die dritte Premierministerin der britischen Geschichte - außerdem die letzte britische Regierungschefin, die Königin Elizabeth II. traf. In Erinnerung bleiben dürfte sie aber wegen der Kurzlebigkeit ihrer Amtszeit. Nach ihrem Rücktritt am Donnerstag hält sie mit nur 44 Tagen den Rekord als am kürzesten amtierende Regierungschefin der modernen britischen Geschichte. Ihr „Ableben“ ging schnell vonstatten. Nach Ankündigung ihrer Wirtschaftspläne, die milliardenschwere, ungedeckte Steuersenkungen enthielten, stürzte das Pfund ab. Um den Schaden zu begrenzen, strich Truss wichtige Teile ihres Vorhabens zusammen und entließ ihren Finanzminister. Doch der Rücktritt von Innenministerin Suella Bravermann am Mittwoch, begleitet von pointierter Kritik an ihrer Chefin, löste unter den Tories eine Flut an Rücktrittsforderungen an Truss aus.

RND/AP

Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken