Großbritannien macht auf: So will Johnson aus dem Lockdown aussteigen
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Premierminister Boris Johnson wendet sich ans Volk, um seinen Fahrplan für einen Ausstieg aus dem Lockdown zu erklären.
© Quelle: Getty Images
London. Premierminister Boris Johnson wandte sich erst am Montagabend per Rede ans Volk, um seinen Fahrplan für einen Ausstieg aus dem Lockdown zu erklären. Doch etliche Details waren mit freundlicher Hilfe aus der Downing Street schon am Sonntagabend durchgesickert. Und so versprühten die Zeitungen auf ihren Titelseiten bereits Hoffnung auf Lockerungen. „March to Freedom“, hieß es bei der Boulevardzeitung „The Sun“, im März also beginnt der Weg in die Freiheit.
Tatsächlich werden ab dann nach vielen Wochen des harten Lockdowns manche Beschränkungen aufgehoben, auch weil die Infektionszahlen sinken und das Impfprogramm erfolgreich läuft. Bis zum 15. April etwa sollen im Königreich alle Erwachsenen über 50 Jahre zumindest ihre erste Dosis gegen das Coronavirus erhalten haben. Rund 18 Millionen Menschen haben bislang ihre erste Impfung verabreicht bekommen, das sind ein Drittel aller Erwachsenen.
Die Regierung reagiert auf die positiven Nachrichten mit schrittweisen Lockerungen. Laut Johnsons Ausstiegsplan unter dem Motto „Vorsichtig, aber unwiderruflich“ öffnen ab 8. März alle Schulen in England wieder, auch wenn die Lehrergewerkschaften Bedenken äußern. „Unsere Priorität ist es immer gewesen, Kinder zurück in die Schule zu bringen, da dies entscheidend für ihre Bildung und ihre mentale und körperliche Gesundheit ist“, sagte Johnson.
Bewohner von Senioren- und Pflegeheimen dürfen ab dem 8. März einen ausgewählten Freund oder Verwandten empfangen. Wieder gestattet ist zudem, dass sich etwa zwei Freunde im Park auf einer Bank auf einen Kaffee oder zum Picknick treffen dürfen, aber dies ist auf draußen beschränkt. Erst zum Start der Osterferien am 29. März werden – im Freien – wieder Zusammenkünfte von bis zu sechs Menschen erlaubt sein. Auch Outdoorsport wie Tennis, Fußball oder Golf sind in dieser zweiten Phase der Exitstrategie aufgelistet.
Bars, Pubs, Restaurants, Friseure, Beautysalons und Läden, die nicht essentielle Dinge verkaufen, bleiben vorerst geschlossen. Sie könnten eingeschränkt im April wieder öffnen, wie es heißt, doch nur nach Auswertung der Ergebnisse aus der vorherigen Phase und bei einem positiven Verlauf. In der Gastronomie würde das bedeuten, dass nur draußen bewirtet werden kann.
Vierten Lockdown vermeiden
Die komplette Öffnung von Bars, Pubs und Restaurants sowie Geschäften außerhalb des täglichen Bedarfs könnte, so deutet der Plan an, bis zum Mai dauern. Und nach jetzigem Stand wären Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen von bis zu sechs Menschen erst im Juni, der letzten Phase in Johnsons Konzept, wieder gestattet. Ab Juli könnten Urlaube im Ausland wieder möglich sein.
In Schottland gehen Grundschüler seit gestern wieder in den Unterricht, in den nächsten Wochen sollen auch die restlichen Kinder und Jugendliche wieder in die Schule gehen. In Wales öffnen die Schulen am 15. März, in Nordirland wie in England am 8. März. Weil die Zuständigkeit beim Thema Gesundheit bei den Regionalregierungen liegt, sind die Landesteile für ihre Corona-Maßnahmen größtenteils selbst verantwortlich.
Kritik am Plan kam vor allem aus Johnsons eigenen konservativen Reihen. Die Beschränkungen beizubehalten, weil „in Zukunft vielleicht eine neue Mutante auftauchen könnte“ sei „ein Rezept dafür, das Land nie zu öffnen“, monierte der Tory-Abgeordnete Mark Harper.
Mit dem vergleichsweise zögerlichen Vorgehen will die britische Regierung vermeiden, dass die Infektionszahlen wieder so steigen, dass ein vierter Lockdown notwendig wird. Das Königreich gehört mit mehr als 120.000 Covid-Toten zu den am schlimmsten von der Pandemie betroffenen Ländern der Welt. Die Wirtschaft liegt am Boden, auch weil das Land zusammengerechnet sieben der letzten elf Monate in einem strikten nationalen Lockdown verbracht hat.
Hoffnung macht der Erfolg der Impfkampagne – und die gestern veröffentlichten Analysen schottischer Universitäten und der Gesundheitsbehörde Public Health Scotland. Demnach reduziert bereits die erste der zwei Impfungen mit dem Präparat von Astrazeneca das Risiko eines Krankenhausaufenthalts wegen Covid-19 um bis zu 94 Prozent. Mit Pfizer wurde das Risiko einer schweren Erkrankung um bis zu 85 Prozent gesenkt. Die Werte gelten für die vierte Woche nach Erhalt der ersten Dosis.
Verglichen wurde, wie viel Prozent weniger Klinikeinweisungen es bei erstmals Geimpften als bei noch nicht geimpften Menschen gab. Auf der Insel verfolgt man die Strategie, den Abstand zwischen den beiden Impfungen auf zwölf Wochen zu verlängern, um trotz Impfstoffknappheit so vielen Menschen wie möglich einen gewissen Schutz zu gewähren.