Grüne: Furioser Start, kuriose Fehler

Grünen-Chefin und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock bei einer Pressekonferenz Ende Mai.

Grünen-Chefin und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock bei einer Pressekonferenz Ende Mai.

Berlin. Furios sind die Grünen ins Wahljahr gestartet. Aufbruch, Veränderung, neue Ära – lauter Ausrufezeichen haben sie gesetzt, die jüngste Kanzlerkandidatin der Geschichte ins Rennen geschickt, erstmals überhaupt angesetzt, das Kanzleramt zu erobern.

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Sie wirkten fokussiert, organisiert, diszipliniert, haben ihren Zeitplan eingehalten und sich nicht in internen Debatten zerlegt. Annalena Baerbock strahlte, in Umfragen, schob sich die Partei schon mal auf Platz 1 vor die Unionsparteien.

Wenn bei einer Wahl kein Amtsinhaber antritt und also alle Parteien von derselben Stelle loslaufen, kann der Trend der entscheidende Vorteil sein. Vom Gewinnerimage geht Magnetwirkung aus.

Korrigierter Lebenslauf

Und dann kommt das Kleingedruckte dazwischen, im wahrsten Sinne: wiederholte Ergänzungen im Lebenslauf hier, eine etwas verspätete Veröffentlichung von Parteizahlungen da.

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Alles für sich genommen kein Riesendrama: Zahlungen wurden versteuert und kamen aus der Partei, nicht aus Unternehmen. Auch in Lebensläufen anderer Kandidaten mangelt es an letzter Präzision, und es entscheidet nun wirklich nicht über die Kanzlerfähigkeit, wenn eine gar nicht mögliche Mitgliedschaft im UNHCR sich als regelmäßige Spende entpuppt.

Aber die Professionalität und Strukturiertheit, die Baerbock und mit ihr die Grünen ausstrahlten, hat Kratzer bekommen. Dass die Brisanz der Benzinpreis-Erhöhungsdebatte erst spät erkannt wurde, passt in dieses neue Bild.

Und auch an anderer Stelle hapert es: Einen neuen Regierungsstil haben die Grünen versprochen, kooperativ, mit Absprachen und Teamarbeit an oberster Stelle. Und Co-Parteichef Robert Habeck reist in die Ukraine und spricht über Waffenlieferungen – ohne sich intern abgestimmt zu haben. Wer die Stilfrage zum Schwerpunkt macht, kann sich da hinter außenpolitischen Notwendigkeiten nicht verstecken.

Die Grünen haben sich also selbst ausgebremst, die politische Konkurrenz wird ihr Glück kaum fassen können.

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Dass sie bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt weit hinter den eigenen Erwartungen zurückgeblieben sind, zeigt: Autosuggestion ist ein wichtiger Motivationsfaktor, mit eigener Begeisterung lassen sich andere mitziehen. Aber sie kann auch den Blick verstellen.

Veränderungsbereitschaft und Wechselstimmung

Darauf etwa, dass bei aller Präsenz des Klimathemas nicht jeder sich schon so mit der Energiewende auseinandergesetzt hat, dass sich der Zusammenhang zwischen CO₂- und Benzinpreis und sich die Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen den Konzepten der Parteien sofort erschließen.

Die Grünen setzen auf Veränderungsbereitschaft und Wechselstimmung. Die mag es geben. Aber gerade nach einem Pandemiejahr, das bereits für so viele Umbrüche gesorgt hat, dürfte die Sehnsucht nach Normalität bei vielen mindestens genau so groß sein. Da wird es nicht reichen, darauf hinzuweisen, dass die Veränderung ohnehin bevorsteht.

Wenn die Grünen Erfolg haben wollen, müssen sie das berücksichtigen.

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Es spricht einiges dafür, dass das auf dem Parteitag am Wochenende gelingt.

Die Möglichkeit, zur bestimmenden Kraft in Deutschland werden zu können, scheint zu disziplinieren. Strategisch ist das sinnvoll: Jede inhaltliche Abstimmung, bei der sich die Delegierten in einer zentralen Frage gegen ihre Kanzlerkandidatin stellen, dürfte in einem absehbar personalisierten Wahlkampf bei Baerbocks Konkurrenten Armin Laschet und Olaf Scholz einzahlen.

Der Preis für einen Abstimmungserfolg beim Parteitag wäre dann womöglich weniger oder keine Einflussmöglichkeit in einer Bundesregierung.

„Alles ist drin“, verkündet die Grünen-Spitze und meint es zuversichtlich. Aber alles kann bei einer Wahl auch nichts bedeuten.

Auch das wäre furios, nur dann eben ein furioses Scheitern.

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