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Unternehmer und Ökopartei

Grüne kooperieren jetzt mit eigener „Wirtschaftsvereinigung“ – und ernten dafür Kritik

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Rande der Auftakt­veranstaltung des Vereins „Die Wirtschaftsvereinigung der Grünen“ auf dem Gelände der Firma ABB.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Rande der Auftakt­veranstaltung des Vereins „Die Wirtschaftsvereinigung der Grünen“ auf dem Gelände der Firma ABB.

Berlin. Käuflich sind die Grünen nicht, das wollte Omid Nouripour auf jeden Fall klarstellen. „Also es ist nicht so, dass die Wirtschafts­vereinigung bei uns anruft oder anrufen darf und sagt: ,Hier haben wir Leute, die haben gut Geld bezahlt, kommt rum, wir reden“, sagte der Parteivorsitzende am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Die Antwort auf eine entsprechende Frage kam nicht von ungefähr.

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Auf dem Gelände der Firma ABB, nach eigenen Angaben „führendes Technologie­unternehmen in den Bereichen Elektrifizierung und Automation“ in Berlin, wurde ein Verein präsentiert mit dem Namen „Die Wirtschafts­vereinigung der Grünen“. Dies geschah im Beisein fast aller führenden Grünen-Köpfe – Wirtschaftsminister Robert Habeck vorneweg. Nouripour sagte, er habe „große Vorfreude verspürt auf diesen Tag. Jetzt ist es endlich so weit.“

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Streit um Daimler-Chef

Das Verhältnis der Grünen zur Wirtschaft war früher strittig. So sorgte der Plan des damaligen Partei­vorsitzenden Cem Özdemir, Daimler-Chef Dieter Zetsche zum Parteitag nach Münster einzuladen, 2016 noch für Proteste. Doch seit 2021 stellen die Grünen den Wirtschafts­minister. Die Partei kann nicht gegen die Unternehmen regieren, sondern nur mit ihnen. Entsprechend wichtig ist ihr offenbar die neue Wirtschafts­vereinigung.

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Tatsächlich ist sie nicht Teil der Grünen, und deren Vorstands­vorsitzender Thomas Fischer ist nicht Mitglied. Es soll lediglich einen Beirat geben, dem Nouripour und seine Co-Vorsitzende Ricarda Lang vorstehen. An der Veranstaltung am Dienstag nahmen sogar FDP-Mitglieder teil – in ihrer Eigenschaft als Unternehmens­vertreter. Der Bruder des Fördermitglieds Andreas Jäger, der bei der Pressekonferenz mit auf dem Podium saß, ist nach dessen Bekunden Mitglied im Wirtschaftsrat der CDU.

„Wirtschaft ist der Erfolgsfaktor, um Deutschland klimaneutral zu machen“

So sprach Nouripour davon, dass man „eine institutionelle Plattform und gut geölte Scharniere“ für den Austausch brauche. Die Vorsitzende der Bundestags­fraktion, Katharina Dröge, betonte: „Politik entscheidet am Ende selbstständig.“ Auch müsse man „über Themen sprechen, die für die Wirtschaft schwierig sind“. Fischer glaubt als Unternehmer und Vater von drei Kindern, „dass der Klimawandel eine echte Bedrohung ist“. Er fügte hinzu: „Wirtschaft ist der Erfolgsfaktor, um Deutschland klimaneutral zu machen.“ Und die Vereinigung wolle „die Brücke bauen von der Wirtschaft in die Politik“.

Habeck steckte schließlich den größeren Rahmen ab. „Wirtschaft ist Veränderung“, sagte er und fuhr nicht zuletzt gemünzt auf die Grünen fort: „Stillstand ist Untergang. Wir wollen uns auch selbst verändern.“ Dabei gehe es nach der Ära Angela Merkel darum, Klimaschutz konkret zu machen – getreu der Devise „Je stärker die Wirtschaft, desto stärker ist das Land“.

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Im Mai 2022 stellte Erwin Sellering, Vorstandschef der Klimaschutzstiftung MV, Steffen Petersen als Geschäftsführer des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs vor. Jetzt wird bekannt, in welcher Höhe Firmen Aufträge für den Pipelinebau erhielten.

Nord Stream 2: Chef der Klimastiftung MV vergab Auftrag an eigenen Bruder

Rund 80 Firmen erhielten Aufträge für den Bau der Pipeline Nord Stream 2. Darunter soll jedoch auch die eigene Firma des ehemaligen Chefs des Wirtschafts­betriebes der Stiftung sein – ebenso wie die seines Bruders. In der Landespolitik löst das einen bösen Verdacht aus.

„Einfallstor für Intransparenz“

Christina Deckwirth, Campaignerin und Sprecherin von Lobbycontrol, übte derweil Kritik. „Mit parteinahen Wirtschafts­lobby­verbänden wie der Wirtschafts­vereinigung der Grünen oder auch dem Wirtschaftsrat der CDU werden die Grenzen zwischen Partei und Lobby­organisationen verwischt“, sagte sie dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND). „Das ist für die Demokratie nicht zuträglich. Parteien als zentrale Akteure in der Demokratie sollten nicht bestimmten und ohnehin einflussreichen gesellschaftlichen Gruppen privilegierte Zugänge gewähren, die sie anderen so nicht bieten.“

Besonders problematisch sei zudem, dass solche Quasi-Partei­organisationen nicht unter die Transparenz­regeln des Parteien­gesetzes fielen, so Deckwirth. „Die Wirtschafts­vereinigung der Grünen und andere parteinahe Wirtschafts­lobby­organisationen werden damit zu einem Einfallstor für eine intransparente Finanzierung parteinaher Strukturen.“

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