Grüne nach den Wahlen: „Es gibt keine Notwendigkeit, radikaler zu werden“
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Die Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock nach der Pressekonferenz zum Ausgang der Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Etwas war dann doch nicht so toll für die Grünen an diesen Landtagswahlen. Es hätten in Baden-Württemberg „ein paar Hundert Stimmen gefehlt”, sagt Parteichefin Annalena Baerbock in ihrer Nachwahlanalyse. Wären diese paar Hundert Stimmen statt bei der Klimaliste bei den Grünen gelandet, wäre ein Bündnis von SPD und Grünen möglich gewesen.
Stattdessen wird der bisherige und künftige Ministerpräsident Winfried Kretschmann dort erneut über Grün-Schwarz verhandeln oder über eine sogenannte grüne Ampelkoalition mit SPD und FDP. Die Sondierungen sollen am Mittwoch beginnen.
Die CDU – schwierig in der Klimapolitik, findet Barbock. Die FDP – noch viel schwieriger.
„Man sieht: Es kommt bei den Wahlen auf jede Stimme an”, sagt Baerbock. „Politik ist auch Kampf um Macht.” Und das heiße, dass man seine Kräfte sammeln müsse. „Die Konsequenzen werden sich alle überlegen.”
Grüne wollen „die Breite der Gesellschaft abbilden“
Der Nachdenkhinweis geht offenbar vor allem an die Klimalistenvertreter, die den Grünen vorwerfen, zu wenig radikal zu sein. Änderungen am eigenen Programm jedenfalls hält Baerbock nicht für nötig. „Es gibt keine Notwendigkeit, radikaler zu werden, weil wir das radikalste Klimaprogramm vorlegen”, sagt Baerbock. Und es bringe ja nichts, noch radikaler zu sein, wenn man das dann nicht umsetzen könne. Die Grünen wollten „die Breite der Gesellschaft abbilden”.
Das erreiche man nicht, „indem man nur in seiner Blase rumturnt”. Die Grünen wollten etwa in der Kohlepolitik die Bewohner von Kohleabbauregionen wie der Lausitz mitnehmen und verhindern „dass sich Betriebsräte abwenden und sagen: Wir wählen antidemokratisch”.
Im Übrigen seien die Leute von der Klimaliste natürlich Alliierte. „Sie wollen das Gleiche wie wir. Es gibt da keinen Groll und keine negativen Stimmungen.”
Lob für Kretschmann
Und das gilt erst recht für Kretschmann, der seine Partei mit Kommentaren zur Genderpolitik oder mit Vorstößen wie der Abwrackprämie für Dieselfahrzeuge immer wieder genervt hat. „Klar gab es auch mal Dissens, aber daran wächst man ja”, sagt Baerbock. Kretschmann stehe für „eine Politik des Zuhörens”.
Ernsthaftigkeit und Ethos könne man von ihm lernen, schwärmt ihr Co-Vorsitzender Robert Habeck. Kretschmann habe nichts übrig für strategisches Geplänkel, trommle sich nicht ständig auf die Brust, er wolle nicht immer „der Erste und der Lauteste” sein.
Baerbock sagt, man könne eigentlich keine Vergleiche ziehen zwischen Ländern und zwischen Ländern und Bund, insbesondere wenn es um Koalitionsoptionen gehe. Was in einem Bundesland möglich sei, sei in einem anderen vielleicht schwierig. Empfehlungen für Baden-Württemberg? Natürlich nicht, das sei Ländersache.
Eines aber will sie doch ableiten. In Baden-Württemberg hätten die Grünen gezeigt, dass sie sogar in „der Herzkammer der Industrie” Vertrauen gewinnen könnten. „Das kann auch im Bund möglich sein.”
„Alles ist möglich”, so formuliert es Habeck. „Manchmal schlägt auch Holstein Kiel Bayern München.” Sechs zu fünf war das Überraschungsergebnis im Januar in der zweiten Runde im DFB-Pokal. Manchmal gebraucht auch ein Grünen-Chef Fußball-Vergleiche, da hört der Wandel auf.
Am Freitag wollen die Grünen den Programmentwurf für die Bundestagswahl vorstellen, im Juni soll das Programm beschlossen werden.
Die Frage der Kanzlerkandidatur wird diese Woche wohl noch nicht geklärt. „Deutschland hat gerade andere Sorgen”, hat Habeck noch am Wahlabend gesagt. Schnelltests für alle Schulen seien zum Beispiel sehr dringend, findet Baerbock.