Guantanamo-Schließung: Biden steht vor großer Herausforderung

Schon Obama hatte das umstrittene Gefängnis auflösen wollen. Doch bis heute halten die USA dort einige Dutzend Personen fest, die sie nach den Terroranschlägen vom 11. September in Gewahrsam genommen hatten.

Schon Obama hatte das umstrittene Gefängnis auflösen wollen. Doch bis heute halten die USA dort einige Dutzend Personen fest, die sie nach den Terroranschlägen vom 11. September in Gewahrsam genommen hatten.

Guantanamo. Der Abzug aus Afghanistan ist vollbracht. Um wirklich einen Schlussstrich unter die US-Reaktion auf die Terroranschläge vor 20 Jahren zu ziehen, bleibt für Präsident Joe Biden aber eine weitere Baustelle: das Gefangenenlager auf dem US-Marinestützpunkt Guantanamo auf Kuba. Für einige verbliebene Insassen besteht Hoffnung auf Freilassung. Andere sollen vor Gericht gestellt werden. Bis es dazu kommt, könnte aber noch viel Zeit vergehen.

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Das Weiße Haus hat laut eigenen Angaben vor, die im Januar 2002 eröffnete Einrichtung auf der Insel Kuba endgültig zu schließen. Viele Details dieses Plans sind aber noch ungeklärt. Aktuell sind in dem Lager noch 39 Männer gefangen. Die meisten von ihnen wurden nie formell wegen eines Vergehens angeklagt. Kritiker begrüßen, dass seit dem Amtsantritt von Biden immerhin bereits ein Gefangener entlassen und fünf weiteren eine Entlassung in Aussicht gestellt worden ist.

Biden gibt Hoffnung

„Die Tatsache, dass Biden zumindest die richtigen Dinge sagt, hat den Menschen Hoffnung gegeben“, sagt der Anwalt Clive Stafford Smith, der gerade zum ersten Mal seit Beginn der Corona-Pandemie wieder in Guantanamo war, um sich mit Insassen zu treffen. „Hoffnung ist eine gefährliche Sache, weil sie auch leicht enttäuscht werden kann. Aber nun haben sie wenigstens Hoffnung, und das ist gut.“

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Wie beim letztlich sehr chaotisch verlaufenen Abzug aus Afghanistan steht die Biden-Regierung beim Thema Guantanamo-Schließung vor einer komplexen Aufgabe. Schon Barack Obama war das Projekt angegangen, bei der Umsetzung aber gescheitert. Donald Trump hatte es gar nicht erst versucht. Und das Hauptproblem ist heute das gleiche, wie unter Bidens Vorgängern: Die USA sind nicht bereit, Männer freizulassen, die sie noch immer als gefährliche Terroristen betrachten.

Einer von ihnen ist Chalid Scheich Mohammed, einst ein führendes Al-Kaida-Mitglied. Er gilt als Planer der Terroranschläge vom 11.September. Gegen ihn und vier weitere Männer wurde zwar vor einer Militärkommission Anklage erhoben. Die Vorbereitungen des Prozesses ziehen sich aber seit fast zehn Jahren hin. Wann das Hauptverfahren beginnen könnte, ist vollkommen offen.

Guantanamo: Menschen immer verzweifelter

Die meisten Gefangenen sind schon seit vielen Jahren in Guantanamo. Der älteste, ein 74-jähriger Pakistaner, dessen Freilassung im Mai genehmigt wurde, leidet an einer Herzkrankheit und anderen gesundheitlichen Beschwerden. „Die Leute werden älter, kränker und immer verzweifelter“, sagt Pardiss Kebriaei, eine Anwältin der US-Organisation Zentrum für Verfassungsrechte (Center for Constitutional Rights), die einen Insassen aus dem Jemen vertritt.

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Eigentlich galt das Lager von Beginn an nur als Provisorium. Nachdem die USA als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September in Afghanistan einmarschiert waren, suchten sie einen Ort für die mehreren Hundert mutmaßlichen Terroristen, die in Dutzenden Ländern von amerikanischen Truppen festgenommen worden waren. Die Regierung des damaligen Präsidenten George W. Bush bezeichnete diese Männer als „ungesetzliche Kombattanten“, denen nicht die vollen Rechte von Kriegsgefangenen zustünden.

Ein damals vom Pentagon veröffentlichtes Foto zeigte einige der ersten Insassen, die in orangen Anzügen in Käfigen knieten. Die beabsichtigte Botschaft an die Außenwelt sei gewesen, dass „wir tun, was wir tun müssen“, sagt Karen Greenberg, Leiterin des Zentrums für Nationale Sicherheit an der Fordham University School of Law. „Die Entscheidung haben sie aber sehr schnell bereut.“

Internationale Kritik an Folter in Guantanamo

Nach Berichten über brutale Behandlungsformen in Guantanamo wuchs die internationale Kritik an dem Gefangenenlager. Dies kostete die USA letztlich auch einen Teil der Sympathie und Unterstützung, die sie nach den Anschlägen zunächst erhalten hatten.

Insgesamt wurden im Laufe der Jahre 779 Menschen in Guantanamo festgehalten. Bereits unter Bush kamen 532 von ihnen wieder frei, weitere 197 unter Obama und immerhin einer unter Trump. Gegen die meisten konnte keine Anklage erhoben werden, weil im Rahmen der Festnahmen oft keine Beweismittel gesichert worden waren oder Aussagen durch Methoden zustande kamen, die der US-Geheimdienst CIA euphemistisch als „erweiterte Vernehmung“ bezeichnete. Neun Insassen sind in Guantanamo gestorben – zwei an natürlichen Ursachen, sieben nahmen sich das Leben.

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Mit nur noch 39 Insassen ist Guantanamo heute längst nicht mehr das, was es einmal war. Aus Sicht des Anwalts Stafford Smith hat das Lager aber noch immer einen repressiven Charakter. „Es sind nicht so sehr die physischen Bedingungen, es sind die psychischen Bedingungen“, sagt der Gründer der Menschenrechtsorganisation Reprieve.

Obama hatte kurz nach seinem Amtsantritt per Dekret die Schließung des Gefangenenlagers innerhalb von einem Jahr angeordnet. Die Ankündigung seiner Regierung, die Zuständigkeit für die Verfahren an US-Bundesgerichte zu übertragen, stieß aber auf heftigen politischen Widerstand. Am Ende sorgte der Kongress dafür, dass jede Verlegung von Guantanamo-Insassen auf amerikanischen Boden untersagt wurde.

Widerstand in Washington schwächt ab

Inzwischen scheint der Widerstand in Washington nicht mehr ganz so stark zu sein. In welcher Form die nun erneut geplante Guantanamo-Schließung ablaufen könnte, bleibt aber abzuwarten. Eine aktuelle Anfrage der Nachrichtenagentur AP ließ die US-Regierung unbeantwortet. „Ich kann Ihnen keinen Zeitrahmen nennen“, hatte Jen Psaki, Pressesprecherin des Weißen Hauses, im Juli vor Reportern auf eine Frage zum Thema geantwortet.

Viele Befürworter einer Guantanamo-Schließung halten es für die beste Lösung, die bereits eingeleiteten Verfahren gegen insgesamt zehn Insassen an Bundesgerichten fortzuführen und die übrigen Insassen entweder zu verlegen oder freizulassen. Die Stimmung sei inzwischen die, dass es „getan werden muss“, sagt die Anwältin Kebriaei – und dass es „getan werden kann“.

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RND/AP

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