Gysi zum Urteil gegen Maria Kolesnikowa: Wandel lässt sich höchstens aufhalten, aber nicht stoppen
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/ER3MF3KJ6RHCZCU7Z4SDN56S7U.jpeg)
So kennt man sie: Maria Kolesnikowa spricht im August 2020 bei einer Kundgebung vor dem Minsker Werk für Radschlepper. (Archivbild)
© Quelle: Dmitri Lovetsky/AP/dpa
Berlin/Minsk. Die Verurteilung der belarussischen Oppositionsaktivistin Maria Kolesnikowa (39) wegen angeblicher versuchter illegaler Machtergreifung zu elf und des Anwalts Maxim Snak (40) zu zehn Jahren Haft am Montag in Minsk, hat in Deutschland Entsetzen ausgelöst. Außenpolitiker unterschiedlicher Parteien brachten bei einer Umfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) ihre Empörung zum Ausdruck und forderten die Freilassung Kolesnikowas.
Gregor Gysi, außenpolitischer Sprecher der Linken im Bundestag, sagte: „Das maßlose Urteil gegen Maria Kolesnikowa reiht sich ein in die untauglichen Versuche der Lukaschenko-Administration, die Hoffnungen in der belorussischen Bevölkerung auf Veränderungen zu ersticken. Doch die Erfahrung lehrt, gesellschaftlicher Wandel lässt sich höchstens zeitweise aufhalten, aber nicht stoppen.“ Auch Lukaschenko müsse zur Kenntnis nehmen, so Gysi, dass man Stimmungen in weiten Teilen der Bevölkerung nicht auf Dauer ignorieren könne. Kolesnikowa müsse unverzüglich frei gelassen werden.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/MUAL3KUCMFC5BGPB3YL3QBSVKA.jpg)
Hauptstadt-Radar
Der RND-Newsletter aus dem Regierungsviertel mit dem 360-Grad-Blick auf die Politik im Superwahljahr. Immer dienstags, donnerstags und samstags.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Manuel Sarrazin, Osteuropa-Experte der Grünen im Bundestag, nannte das Urteil schlicht Unrecht. Es beweise erneut die skrupellose Willkürherrschaft von Diktator Lukaschenko. Sarrazin: „Wir fordern die sofortige Freilassung von Maria Kolesnikowa, Maxim Snak und allen anderen 655 politischen Gefangenen. Von der Bundesregierung erwarten wir, dass sie die Hilfe für politisch verfolgte Menschen aus Belarus weiter ausbaut. Das aktuelle Kontingent von nur 50 humanitären Visa ist angesichts der anhaltenden Repressionswelle beschämend.“ Die Visa-Beantragung müsse deutlich unbürokratischer organisiert werden, forderte Sarrazin und Deutschland müsse, ähnlich wie Litauen und Polen, zum sicheren Hafen für die belarussische Demokratiebewegung werden.
Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sagte, der politische Schauprozess gegen Kolesnikowa zeige erneut, dass das Lukaschenko-Regime die Wahrheit verachtet und systematisch rechtsstaatliche Prinzipien verletzt. „Das Schicksal von Maria Kolesnikowa steht stellvertretend für die vielen Belarussinnen und Belarussen, die wegen ihres mutigen Einsatzes für Freiheit und Demokratie heute hinter Gittern sitzen.“ Mit dem harten Urteil räche sich die belarussische Machtclique nicht nur an Maria Kolesnikowa, sondern versuche auch, die vielen anderen Kritiker der Diktatur einzuschüchtern. Schmid: „Wir verurteilen das brutale Vorgehen gegen Oppositionelle und die unmenschliche Behandlung von Inhaftierten im belarussischen Unrechtsstaat und fordern die sofortige Freilassung von Maria Kolesnikowa sowie allen anderen politischen Gefangenen.“
Alexander Graf Lambsdorff, Außenpolitik-Experte der FDP-Fraktion, forderte, der Westen dürfe Belarus nicht vergessen. „Das Urteil gegen Maria Kolesnikowa stand von vorneherein fest und hat allein das Ziel, die friedliche Opposition mundtot zu machen“, sagte Lambsdorff. Lukaschenko habe den Boden des internationalen Rechts und der Rechtsstaatlichkeit längst verlassen. Die EU und allen voran die Bundesregierung müssten jetzt ein klares Signal an Lukaschenko senden: „Gewalt gegen friedliche Oppositionelle, die für Demokratie und Menschenrechte eintreten, wird Europa nicht stillschweigend akzeptieren. Der Sanktionsdruck der internationalen Gemeinschaft auf das Regime in Minsk muss weiter erhöht werden.“
Ralph Brinkhaus, Unionsfraktionschef im Bundestag, hat die Haftstrafe für Kolesnikowa scharf verurteilt und eine Reaktion der Europäischen Union (EU) verlangt. Das Urteil und auch die Tatsache, dass es in Belarus mehrere 100 politische Gefangene gebe, zeigten, dass es in dem Land eine Besorgnis erregende Entwicklung gebe, sagte Brinkhaus am Montag in Berlin vor der letzten planmäßigen Sitzung der Abgeordneten von CDU und CSU im Parlament vor der Bundestagswahl am 26. September. Es sei dringend notwendig, dass sich die EU gemeinsam für Demokratie und Menschenrechte einsetze.
Die Anwälte von Kolesnikowa und Snak wollen die Entscheidung vor dem Obersten Gericht in Belarus anfechten. Sie hatten in dem umstrittenen Verfahren auf unschuldig plädiert. Es gebe keine Rechtsgrundlage für eine Verurteilung, teilten die Anwälte mit. Beide Verurteilten sollen die Haft in Straflagern verbüßen, Snak in einem mit verschärften Haftbedingungen.