Hamburgs Rathauschef Tschentscher: Klimaschutz ist nicht alles
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Peter Tschentscher (SPD).
© Quelle: imago images/Emmanuele Contini
Hamburg. Herr Tschentscher, warum sind Sie ein besserer Erster Bürgermeister als Frau Fegebank von den Grünen es wäre?
Ich führe die Dinge zusammen und habe seit 9 Jahren Erfahrung in der Senatsarbeit. Wir haben die ganze Stadt im Blick und ich kümmere mich um alle wichtigen Themen, nicht nur um den Klimaschutz und den Radverkehr. Die SPD hat die Stadt seit 2011 wieder auf Kurs gebracht, Hamburg geht es heute wieder gut. Die Hamburgerinnen und Hamburger sind mit unserer Arbeit zufrieden, das zeigen die Umfragen. Das freut mich, und es macht mich zuversichtlich, dass wir bei der Hamburg-Wahl wieder stärkste politische Kraft werden.
Das klingt so, als sei es wieder Normalität, dass die SPD im Rathaus regiert. Doch noch vor kurzem war Ihnen Ihr Koalitionspartner, die Grünen, dicht auf den Fersen.
Es gab Zeiten, als die SPD in Hamburg nicht an der Regierung beteiligt war und in denen es große Probleme gab. Alle anderen haben regiert: CDU, FDP, die Schill-Partei, später auch die Grünen. Am Ende dieser zehn Jahre hatten wir die höchsten Kitagebühren aller Zeiten, wir hatten Studiengebühren, tiefe Schlaglöcher in den Straßen und einen riesigen Bauskandal bei der Elbphilharmonie. Von der HSH-Nordbank-Krise will ich gar nicht erst reden. Die Menschen waren es leid und haben mit großer Mehrheit dafür gestimmt, dass wir ordentlich regieren und uns um die Probleme kümmern. Das haben wir getan und wir wollen es auch in Zukunft so machen.
Was verspricht die Hamburger SPD?
Uns ist sehr wichtig, dass das Leben in Hamburg für alle bezahlbar bleibt. Wir schaffen kostenlose Kita-Plätze, sorgen für eine kostenlose Ganztagsbetreuung an allen Schulen und sind mit unserem Wohnungsbauprogramm Vorreiter in Deutschland. Wir haben schon viel erreicht, aber noch mehr vor. Zum Beispiel eine Verkehrswende mit neuen U- und S-Bahnen, mehr Bussen und neuen Mobilitätsangeboten. Wir wollen erreichen, dass man in ganz Hamburg innerhalb von für Minuten ein Angebot des öffentlichen Nahverkehrs erreichen kann.
Vor zwei Jahren wurden Sie Nachfolger von Olaf Scholz - ziemlich unerwartet…
… es war jedenfalls nicht geplant zu diesem Zeitpunkt.
Sie haben an Zuversicht und Selbstbewusstsein gewonnen. Was hat in zwei Jahren das Amt mit Ihnen gemacht?
Ich habe das Amt des Ersten Bürgermeisters angenommen mit allen seinen Besonderheiten. Man kann vieles bewegen, dafür muss man allerdings auch jeden Tag Probleme lösen und Entscheidungen treffen. Zugleich sind mit dem Amt viele Repräsentationsaufgaben verbunden. Es gibt ein großes öffentliches Interesse an der Person des Ersten Bürgermeisters. Dem möchte ich gerecht werden, ohne dass Politik dabei zur Show wird. Zu Anfang war ich schon überrascht, welches Bild von mir gezeichnet wurde. Das mag an meinem früheren Amt des Finanzsenators gelegen haben. Daher wundern sich dann die Leute: Oh, der kann Klavier spielen und interessiert sich für Themen, die nichts mit Geld zu tun haben.
Wie kam es zum vierhändigen Auftritt in der Elbphilharmonie mit dem Pianisten Joja Wendt?
Das war seine Idee. Ich hatte ihm schon vor einiger Zeit erzählt, dass ich früher viel Klavier gespielt habe. Wir hatten locker vereinbart, einmal bei einer passenden Gelegenheit vierhändig zu spielen. Als er dann den Vorschlag mit seinem Neujahrskonzert in der Elbphilharmonie machte, kam ich da gesichtswahrend nicht mehr raus. Es hat mir aber Spaß gemacht, weil es einigermaßen gelungen ist und dem Publikum gefallen hat. Ich denke, die Menschen mögen es, wenn Politiker auch etwas anderes können als nur Politik. Ich fühle mich ohnehin nicht als typischer Berufspolitiker, denn ich habe bis vor neun Jahren hauptberuflich als Arzt gearbeitet und kenne das Leben daher auch aus einer ganz anderen Sicht.
Ihre Politik wirkt oft wie ein Spagat – Sie wollen mehr Busse und Bahnen, aber auch dafür sorgen, dass die Leute weiter mit dem Auto in die Stadt fahren dürfen.
Das eine ist die Voraussetzung für das andere. Dadurch, dass wir die neue U-Bahn-Linie 5 bauen, bieten wir 150.000 Menschen einen direkten Zugang zum Schnellbahnsystem. Alle, die umsteigen, machen Straßenraum frei für Fußgänger und Radfahrer, aber auch für diejenigen, die Auto fahren wollen oder müssen, zum Beispiel der Wirtschaftsverkehr. Genauso sehe ich es mit der Wirtschaft und dem Klimaschutz. Da wird ein Gegensatz konstruiert. Wenn man es zu Ende denkt, ist die Industrie aber ein Partner im Klimaschutz. Sie kann uns helfen, die CO2-Emissionen durch neue Technologien zu senken und damit unsere Klimaschutzziele zu erreichen. Genauso ist es mit dem Hafen, denn es gibt keine wirtschaftlichere und umweltschonendere Art, eine Ware zu transportieren, als mit dem Schiff.
Viele in Hamburg schauen neidisch auf eine andere nordeuropäische Metropole, auf Kopenhagen, die sich als Fahrradstadt neu erfunden hat. Warum kann Hamburg das nicht?
Wir bauen bereits 30 bis 40 Kilometer neue Radwege pro Jahr, können Hamburg aber nicht von einem Jahr auf das andere zu einer Radfahrerstadt machen wie Kopenhagen oder Amsterdam. Die haben dafür auch sehr viel länger gebraucht. Wir haben eine klare Radverkehrsstrategie, müssen aber auch an vieles andere denken. Die Sanierung der Straßen, Brücken und Siele, den Ausbau des Glasfaser- und der Energienetze und vieles mehr.
Sogar die CDU fordert das 365-Euro-Ticket, Sie nicht - warum sind Sie so wenig radikal?
Weil das sehr viel Steuergeld kostet und wir zugleich den massiven Ausbau von Bussen und Bahnen finanzieren müssen. Mit den Zuschüssen, die der Bund für solche Modellversuche in Aussicht stellt, kriegen wir den Nahverkehr in Hamburg nicht einmal ein Jahr lang finanziert. Aber wir machen die HVV-Tickets günstiger, vor allem für diejenigen, die es aufgrund ihres geringen Einkommens am dringendsten benötigen. Deshalb bieten wir demnächst ein günstiges Azubi-Ticket an und führen ein völlig kostenfreies Schülerticket ein, damit alle Schülerinnen und Schüler in Hamburg kostenfrei Bus- und Bahnfahren können.
Wenn die SPD in Hamburg erfolgreich sein sollte – welches Signal sendet das an die Bundespartei?
Es geht bei der Bürgerschaftswahl vor allem um die Politik in Hamburg. Der Zuspruch zur Hamburger SPD zeigt, dass die Menschen es anerkennen, wenn man als Partei geschlossen ist und alle wichtigen Themen der Stadt im Blick hat, wenn man sich ambitionierte Ziele setzt und diese dann auch zuverlässig verfolgt und erreicht.
Wird die Nachfolgedebatte in der CDU der Partei schaden und gefährdet das die Koalition in Berlin?
In der Union scheint es grundsätzlichen Klärungsbedarf zu geben. Es sind ja CDU-Vertreter selbst, die jetzt sehr offen Brüche, Widersprüche und Unverträglichkeiten in ihren eigenen Reihen thematisieren. Das ist schwierig für eine Volkspartei, die in Regierungsverantwortung steht und in der Bevölkerung das Vertrauen haben möchte, dass man das Land gut regiert.
Die SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sind nicht in Hamburg aufgetreten. Ist Ihre Partei denn mit sich im Reinen?
Die SPD ist jetzt mit sich im Reinen, und das muss auch so bleiben. Wir reden nicht mehr über uns selber, sondern über die Themen und Probleme in Deutschland, die wir mit guten Konzepten angehen.