Impfpriorisierung aufgehoben: Ärzteverbände kritisieren fehlenden Impfstoff
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Nach dem Wegfall der Impfpriorisierung können sich seit dem 7. Juni alle Menschen unabhängig von Vorerkrankungen oder Beruf in Impfzentren oder bei Betriebsärzten impfen lassen.
© Quelle: Moritz Frankenberg/dpa
Berlin. Die Aufhebung der Impfpriorisierung wird nach Einschätzung des Deutschen Hausärzteverbandes nicht dazu führen, dass alle Impfwilligen schnell ein Angebot zur Impfung gegen das Coronavirus erhalten.
„Auch heute ist die Impfstoffmenge noch immer zu gering für die hohe Nachfrage“, sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Wenn weniger geliefert als bestellt wurde, müssen wir sogar Termine noch einmal verschieben.“ Das sei für alle Beteiligten ärgerlich.
Weigeldt bat um Geduld. „Die Hausärztinnen und Hausärzte können nur das verimpfen, was da ist“, sagte er. Gleichzeitig müsse aber auch die Versorgung anderer Patienten sichergestellt werden. Das dürfe keinesfalls untergeordnet werden. Weigeldt warnte davor, die Praxen für eventuelles Terminchaos verantwortlich zu machen. „Frust und Enttäuschung sind nachvollziehbar, aber bei uns definitiv an der falschen Adresse.“
Ähnlich sieht das der Bundesverband für Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). „Wir würden gern mehr impfen, wenn wir auch mehr Impfstoff hätten“, sagte BVKJ-Sprecher Jacob Maske.
Seit dem 7. Juni ist nicht nur die Priorisierung weggefallen. Auch Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren können sich nun um einen Impftermin bemühen.
Maske betonte, dass man sich dabei auch weiterhin an der Ständigen Impfkommission (Stiko) orientiere. „Wir haben ja bereits deutlich gemacht, dass wir ohne eine Stiko-Empfehlung nur in Ausnahmefällen impfen werden“, sagte er.
Mit Blick auf die Terminvergabe appellierte der Kinderarzt an die Bevölkerung, offene Termine abzusagen, wenn man bereits geimpft worden ist. „Man kann den individuellen Wunsch gut verstehen, sich schnell impfen zu lassen“, so Maske. „Schwierig wird es allerdings, wenn man sich auf viele Listen setzt und dann nicht absagt. Das ist höchst ärgerlich, denn dann wird der Aufwand für uns noch größer, das umzuorganisieren.“
KBV warnt vor „Ansturm von Impfwilligen“ auf Praxen
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die die Interessen der etwa 172.000 freiberuflichen, in Praxen ambulant tätigen Ärzte und Psychotherapeuten vertritt, begrüßte grundsätzlich den Wegfall der Priorisierung. „Die Terminvereinbarung für die Praxen wird so unkomplizierter“, erklärt der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen auf RND-Anfrage. Er warnt jedoch vor einem „Ansturm von Impfwilligen“ auf die Praxen.
Wegen der knappen Impfstoffressourcen bitte er um Geduld und darum, die Praxisteams nicht zu bedrängen. „Alle, die es möchten, werden geimpft werden – nur nicht alle sofort.“ Dies gelte auch für die Jüngeren. Gassen kritisierte: „Mit dem Versprechen, dass auch alle Kinder und Jugendlichen ab zwölf Jahren ab heute einen Impftermin bekommen können, hat die Politik falsche Erwartungen geweckt.“ Es werde ein erweitertes Impfangebot in Aussicht gestellt, für das es aber keinen zusätzlichen Impfstoff gebe.
6300 Betriebsärzte für 30 Millionen Beschäftigte
Auch die Ärzte in den Unternehmen können nun mit den Corona-Impfungen beginnen. „Wir fiebern dem Start bereits entgegen“, teilt Wolfgang Panter, Präsident des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW), dem RND mit. Entsprechend der Stiko-Empfehlung sei es zu Beginn richtig gewesen, mit den vulnerablen Gruppen anzufangen. „Aber jetzt ist es wichtig, bei den Impfungen in die Breite zu gehen.“
Die Nachfrage bei den etwa 6300 teilnehmenden Betriebsärzten und -ärztinnen indes sei gewaltig, der Druck von Belegschaften und Betrieben enorm, berichtet Panter. „Etwa 30 Millionen Beschäftigte haben nun den Anspruch, in ihren Betrieben geimpft zu werden.“ Auch er weist auf die derzeit limitierten Impfstoffmengen hin und sagt: „Wir müssen bei den Menschen um Geduld bitten.“
Auch wenn nun jeder das Recht auf eine Impfung hat: Ohne Priorisierung gehe es auch in den Unternehmen nicht, macht Panter klar: „Personen mit viel Kontakt zu anderen Menschen müssen zuerst dran sein.“ Dafür sollten die Ärzte im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung die entsprechenden Risiken der einzelnen Beschäftigten abwägen und über eine Reihenfolge entscheiden.