Hausärzte fordern Hilfspaket: „Politik lässt Praxen mit Energiekosten allein im Regen stehen“
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Der Deutsche Hausärzteverband sorgt sich angesichts aktuell steigender Preise um die Praxen in Deutschland. (Symbolbild)
© Quelle: Karl-Josef Hildenbrand/dpa/Symbolbild
Hannover/Berlin. Angesichts der vielfältigen Preissteigerungen in Deutschland hat der Deutsche Hausärzteverband ein finanzielles Hilfspaket für die Praxen gefordert. „Aktuell explodieren die Praxiskosten, unter anderem durch die stark steigenden Energie- und Personalkosten. Gleichzeitig fordern die Krankenkassen für die nächsten Jahre Nullrunden“, sagt der Bundesvorsitzende Markus Beier dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Die Politik lässt die Praxen mit den Energiekosten allein im Regen stehen, während die Krankenhäuser mit Milliardenbeträgen gestützt werden“, so Beier. Er betont, was er vom Bund erwartet: „Kurzfristig brauchen wir ein Unterstützungspaket für die Praxen, um die massiven Kostensteigerungen abzufangen.“
Beier denkt dabei auch an die Zukunft. Bei der Forderung gehe es auch darum, Praxen für potenzielle Nachfolger attraktiv zu machen. Denn: Immer mehr Hausarztsitze in Deutschland bleiben unbesetzt. Rund 4100 offene Niederlassungen zählte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) Ende 2021. Zwei Jahre zuvor lag die Zahl noch bei rund 3300. Der Hausärzte-Chef mahnt: „Die Situation ist in immer mehr Teilen Deutschlands sehr angespannt.“
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Ärztemangel verschärft sich vor allem auf dem Land
Auch die KBV nimmt den Bund in die Pflicht. Von der im Koalitionsvertrag festgehaltenen Förderung der ambulanten Versorgung sei bisher nichts zu spüren – „im Gegenteil“, moniert Sprecher Roland Stahl gegenüber dem RND und spielt dabei neben den allgemeinen Kostensteigerungen vor allem auf die jüngste Streichung der Neupatientenregelung an. Sein klarer Appell: „Es muss das Interesse der Politik sein, attraktive Rahmenbedingungen für die Niederlassung zu ermöglichen.“
Laut KBV bestand im Jahr 2021 in 17 sogenannten Planungsbereichen eine Unterversorgung an Ärzten, in weiteren 119 Planungsbereichen eine drohende Unterversorgung – in beiden Fällen betraf das überwiegend Hausärzte. Die negative Entwicklung sei dabei vor allem in ländlichen Gebieten und strukturschwachen Ballungsräumen zu spüren, so Beier. Auch wenn aktuell 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger binnen zehn Minuten die nächste Hausarztpraxis erreichen könnten, weiß auch KBV-Sprecher Stahl um das Problem. Dazu trage auch bei, dass immer mehr junge Medizinerinnen und Mediziner lieber im Angestelltenverhältnis arbeiten wollten statt eine eigene Praxis zu führen.
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Ein Zeitalter ohne Antibiotika droht – können wir uns noch retten?
Ärztinnen und Ärzte warnen vor einem „postantibiotischen Zeitalter“: Bakterien werden resistenter, Antibiotika damit allmählich unwirksam. Es braucht neue Waffen gegen die Erreger. Forschende weltweit suchen nach Lösungen im Kampf gegen die Antibiotikaresistenzen – doch sie stoßen dabei schnell an ihre Grenzen.
„Der Anteil der angestellten Ärzte in den Praxen liegt inzwischen bei 24 Prozent, 2011 waren es noch 11 Prozent“, so Stahl. Parallel steige auch der Anteil der in Teilzeit arbeitenden Ärzte und Ärztinnen. „Das heißt: Wir haben es mit einer knappen werdenden Arztzeit zu tun.“ Der Hausärzte-Chef betont nicht nur deshalb: „Wir bräuchten also viel mehr Hausärztinnen und Hausärzte als noch vor zehn Jahren, sonst wird es immer schwieriger, den Bedarf zu decken.“ Zwar steige das Interesse der Medizinstudierenden wieder am Hausarztberuf – aber „nicht so stark wie wir es bräuchten“.
„Hausarztpraxen sind das beste Schutzschild“
Neben einer massiven Stärkung der Allgemeinmedizin im Medizinstudium müsse der Hausarztberuf auch „finanziell konkurrenzfähig“ zu anderen Arztberufen gemacht werden, so der Hausärzte-Chef. „Langfristig muss die Vergütung für eine Hausärztin oder einen Hausarzt mit der eines Radiologen oder Kardiologen mithalten können. Diese Einkommensschere ist niemandem mehr zu erklären.“ Er warnt: „Das System ist derzeit auf Kante genäht“, ohne Gegensteuern werde sich das Problem in den kommenden Jahren weiter verschärfen.
Dies gehe nicht nur zulasten von Patientinnen und Patienten. „Für das Gesundheitssystem als Ganzes wäre eine Schwächung der hausärztlichen Versorgung eine Katastrophe“, warnt Beier. Fachärzte und Notaufnahmen würden noch stärker belastet, die Versorgung teurer und qualitativ schlechter werden. „Die Hausarztpraxen sind das beste Schutzschild gegen die Überlastung des Gesundheitswesens.“