22 Prozent und mehr: Osteuropa ächzt unter der Inflation
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Obst wird in einem Supermarkt in Prag, Tschechien, angeboten. Im Juni lag die Inflation bei 17 Prozent.
© Quelle: Dana Kesnerova/XinHua/dpa
Ganz Europa stöhnt über hohe Inflationsraten – doch in Osteuropa steigen die Preise schon seit dem Herbst letzten Jahres deutlich stärker als in der übrigen EU. Bereits im November 2021 lag die Inflation in Estland bei 12 Prozent und in Litauen bei über 10 Prozent. Länder wie Polen und Tschechien, die nicht zum Euro-Raum gehören, reagierten auf den Preisanstieg mit deutlichen Zinserhöhungen.
Doch die Preise steigen weiter. Vergangenes Jahr wurde diese Entwicklung mit den Auswirkungen der Pandemie erklärt, deutliche Lohnerhöhungen und zusätzliche Sozialausgaben kamen erschwerend hinzu. Ein Überblick.
Im Baltikum wirken sich Energie- und Lebensmittelpreise stärker aus
Die Analystin und Baltikumexpertin Aleksandra Kuczyńska-Zonik führt die extrem hohe Inflation im Baltikum darauf zurück, dass diese kleinen Staaten, obwohl sie zur EU gehören, eine andere Struktur bei den Haushaltsausgaben aufweisen. Die Energiekosten, die in letzter Zeit sehr stark angestiegen sind, und die Lebensmittelpreise wirken sich dort prozentual stärker aus als in Deutschland, wo Kosten für Miete und andere Fixkosten einen höheren Anteil an den Ausgaben der privaten Haushalte haben.
Konsum: Die Deutschen geben so wenig Geld aus wie noch nie
Die Konsumflaute in Deutschland hält an: Das Allzeittief des vergangenen Monats sei nun noch einmal unterboten worden.
© Quelle: dpa
In Polen ist die Situation besonders kompliziert, denn die Politik der Notenbank, die lockere Ausgabenpolitik der Regierung und zusätzliche Ausgaben für die Gewährleistung des Schutzes und Fürsorge für ukrainische Bürger und Bürgerinnen in Polen kommen zusammen, so dass die Inflation aktuell bei 15,5 Prozent liegt. Nach Ansicht polnischer Experten und Expertinnen hat der Chef der polnischen Nationalbank Adam Glapiński zu zögerlich und zu spät auf die Inflation reagiert. Jetzt, wo der Leitzins in mehreren Schritten weiter angehoben werden müsste, ist seine Wirkung deutlich abgeschwächt. Allerdings stagnierte die Inflation im Juli und blieb mit 15,5 Prozent konstant im Vergleich zum Vormonat.
Ungarns Wirtschaft besonders gefährdet
Ungarn ist im Umfeld der osteuropäischen Staaten die wohl am meisten gefährdete Volkswirtschaft. Die offizielle Teuerungsrate liegt hier zwar weit unter der Inflation im Baltikum und in Polen, aber dies wurde mit sehr teuren Markteingriffen erreicht, die dauerhaft nicht aufrechterhalten werden können.
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Persönlicher Inflationsrechner: Wie stark hat sich Ihr Leben verteuert?
Die Inflation in Deutschland bewegt sich weiter auf Rekordniveau. Wie stark der Preisanstieg jeden Einzelnen trifft, hängt aber vom individuellen Konsumverhalten ab. Mit dem RND-Inflationsrechner können Sie Ihre eigene Teuerungsrate errechnen.
Jakub Bielamowicz vom Institute of New Europe macht auch auf die Schwäche der ungarischen Währung Forint aufmerksam. „Der Wechselkurs des Forint hat sich deutlich abgeschwächt und einen neuen Tiefstand gegenüber dem US-Dollar (Mitte Juli: 410 Forint) erreicht. Die Nationalbank reagierte darauf mit einer unerwartet hohen Zinserhöhung.“
Der Leitzins lag im Herbst 2021 noch bei 2 Prozent und ist mittlerweile auf 10,75 Prozent angestiegen. Eine solche Zinsentwicklung wird die Investitionen in Ungarn sehr stark ausbremsen. Der Balkanexperte erinnerte auch an die hohen Ausgaben, die die Orban-Regierung im Vorfeld der Parlamentswahlen Anfang April beschlossen hatte. Sie waren nichts Anderes als populistische Geschenke an die Wählerschaft und sollten die damals schon relativ hohe Teuerungsrate kaschieren. Nach der gewonnenen Wahl ist Orban gezwungen, einige dieser Vergünstigungen wieder einzukassieren. „Mit der sogenannten ‚Kata‘-Steuerreform versucht die Regierung, Orban den Zugang zur vergünstigten Besteuerung einzuschränken.
Diese Sparpläne, die bereits ab September in Kraft treten sollten, haben zu Protesten in Budapest geführt. Sparen will die Regierung auch bei den bisher sehr großzügigen Zulagen für die steigenden Energiekosten“, erklärt Bielamowicz. Orban könnte den Kampf gegen die Inflation verlieren, denn diese nimmt Monat für Monat weiter an Fahrt auf. Experten und Expertinnen gehen davon aus, dass die Inflation in Ungarn ihren Höhepunkt erst 2023 erreichen wird.
Steht Tschechien vor einer Rezession?
Auch in Tschechien ist die Inflation zu einer Gefahr für die Wirtschaft geworden. Mit 17,2 Prozent im Juni lag die Teuerungsrate über der Inflationsrate der Nachbarländer und sie steigt trotz hoher Zinsen weiter an.
Die tschechische Wirtschaft befindet sich derzeit in einer Stagnation und wird voraussichtlich im dritten und vierten Quartal einen leichten Rückgang aufweisen, was zu einer Rezession führen wird.
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