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Von der Leyen besucht Lampedusa

„Ihr werdet festgesetzt und abgeschoben“: Meloni will Bootsflüchtlinge in Lager stecken

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.

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Rom. In Italien gibt es nur wenige Menschen, die so schnell reden können wie Giorgia Meloni. Die rechtsnationalistische Regierungschefin tut das immer dann, wenn sie unter großer Anspannung steht und dem Land, oder vielmehr der „nazione“, etwas Wichtiges mitzuteilen hat. Am Freitagabend war es wieder einmal so weit: In einem atemlosen, mehr als sechs Minuten langen Videowortschwall kündigte Italiens Ministerpräsidentin gleich mehrere, zum Teil harte neue Maßnahmen gegen die illegale Einwanderung an. In dem Video wandte sie sich auch direkt an die Migrantinnen und Migranten aus Afrika: „Es lohnt sich nicht, wenn ihr euch den Schleppern anvertraut. Denn wenn ihr illegal nach Italien kommt, werdet ihr festgesetzt und dann abgeschoben“, erklärte Meloni.

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Die Dauer der Abschiebehaft, sagte Meloni, solle auf 18 Monate verlängert werden – das ist das Maximum, das gemäß EU-Recht möglich ist. Die neuen Lager sollen vom Verteidigungsministerium „in abgelegenen, möglichst dünn besiedelten Gebieten“ gebaut werden und gut überwacht werden können. Ob die Geflüchteten, die in der Regel außer dem illegalen Grenzübertritt nichts verbrochen haben, gegen die lange Inhaftierung Rechtsmittel einlegen können, ließ Meloni offen. Auch über die Größe der neuen Abschiebelager machte sie keine Angaben. Die neuen Maßnahmen sollen am Montag in einer Kabinettssitzung beschlossen werden.

Meloni wendet sich auch an europäische Partner

In ihrer Videobotschaft richtete Meloni auch einen Appell an die europäischen Partner, Italien in dieser schwierigen Situation nicht alleinzulassen. Insbesondere forderte sie einen EU-Einsatz zur Blockade der Mittelmeerroute, „notfalls mit Marineschiffen“. Mit dem Einsatz sollen die Migrantinnen, Migranten und Geflüchteten daran gehindert werden, die Hoheitsgewässer der nordafrikanischen Länder in Richtung Italien und Europa zu verlassen, in Absprache mit den Regierungen der betroffenen Staaten. Ob eine Person in Europa eine Asylperspektive habe, müsse auf afrikanischem Boden abgeklärt werden, nicht nach der lebensgefährlichen Überfahrt nach Lampedusa.

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Meloni lud EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein, nach Lampedusa zu kommen, „um sich dort zusammen mit mir ein Bild von dem Ernst der Lage zu machen“. Der Migrationsdruck, den Italien seit Anfang dieses Jahres erlebe, sei „unhaltbar“. Von der Leyen nahm die Einladung an und ließ mitteilen, dass sie bereits am Samstag in Rom eintreffen werde. Am Sonntag will sie Lampedusa besuchen.

Migranten kommen am Hafen der Insel Lampedusa an.

Migranten kommen am Hafen der Insel Lampedusa an.

Bei den Gesprächen mit der Kommissionspräsidentin will Meloni darauf dringen, dass Brüssel die 250 Millionen Euro freigibt, die dem tunesischen Machthaber Kais Saied im Rahmen eines Memorandums in Aussicht gestellt wurden. In dem Abkommen verpflichtet sich Tunesien, die Geflüchteten am Ablegen zu hindern. Von den 250 Millionen ist noch kein Cent nach Tunis überwiesen worden – und in Rom ist man der Meinung, dass genau dies ein wichtiger Grund dafür sei, dass derzeit so viele Flüchtlingsboote in Lampedusa ankommen.

Opposition spricht von „Propaganda“

Die kleine italienische Insel, die südlicher liegt als Tunis, ist in der vergangenen Woche von Bootsflüchtlingen förmlich überrannt worden: Allein am Dienstag waren innerhalb von 24 Stunden über 5000 Migrantinnen und Migranten an Land gegangen. Viele von ihnen mussten im Freien übernachten; gelegentlich wurden Verpflegung und Wasser knapp. Obwohl die Ankünfte ununterbrochen weitergehen, hat sich die Lage am Samstag ein wenig entspannt: Nach Angaben des Roten Kreuzes, das auf Lampedusa das Erstaufnahmezentrum führt, befinden sich derzeit noch 2800 Menschen in dem für 450 Personen ausgelegten Lager. Am Donnerstag waren es 7000 gewesen. Tausende Geflüchtete sind in der Zwischenzeit mit großen Fähren nach Sizilien und auf das italienische Festland gebracht worden.

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Die Opposition kritisierte die angekündigten neuen Maßnahmen scharf: Innerhalb der Regierungskoalition sei „ein Wettstreit ausgebrochen, wer gegen die Geflüchteten härter vorgehen will“, sagte die Chefin des sozialdemokratischen PD, Elly Schlein. Sie spielte darauf an, dass Meloni, Chefin der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia, jeden Tag neue Attacken von ihrem rechtspopulistischen Koalitionspartner, Lega-Chef Matteo Salvini, abwehren muss, der ihr in der Flüchtlingspolitik Versagen vorwirft. Elly Schlein bezeichnet Melonis neues Paket als „Propaganda“ – und tatsächlich haben die meisten der Maßnahmen eines gemeinsam: Sie sind kaum realisierbar. So scheitern Seeblockaden und Asylzentren auf afrikanischem Boden am Widerstand der betroffenen Staaten oder an internationalem Recht. Dasselbe gilt auch für die regelmäßig angekündigten und nie durchgeführten Abschiebungen: Wenn die Herkunftsstaaten nicht mitmachen, dann bleiben die Migrantinnen und Migranten dort, wo sie sind.

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