Justiz geht vermehrt gegen Holocaust-Relativierung bei Corona-Protesten vor

Bei einer Demonstration gegen die Corona-Regeln trägt ein Teilnehmer eine Armbinde mit einem gelben Stern, der an einen Judenstern erinnern soll, mit der Aufschrift „Ungeimpft“ (Archivfoto).

Bei einer Demonstration gegen die Corona-Regeln trägt ein Teilnehmer eine Armbinde mit einem gelben Stern, der an einen Judenstern erinnern soll, mit der Aufschrift „Ungeimpft“ (Archivfoto).

Berlin. In mehreren Bundesländern geht die Justiz verstärkt gegen holocaustrelativierende Symbole und Äußerungen bei Corona-Protesten vor. Seit Beginn der Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen im Jahr 2020 waren in verschiedenen Städten Deutschlands immer wieder gelbe Sterne mit der Aufschrift „Ungeimpft“ zu sehen.

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Die Nationalsozialisten hatten aus dem jüdischen Davidstern 1941 den gelben Judenstern zur Ausgrenzung und Abwertung von Jüdinnen und Juden gemacht. Das Zeichen des antisemitischen Hasses ist untrennbar mit dem Holocaust verbunden.

„Sich den gelben Stern anzuheften und dieses menschenverachtende Symbol des millionenfachen Mordes an jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit dem eigenen Impfstatus in Verbindung zu bringen, ist nicht nur geschmacklos, sondern erfüllt in meinen Augen den Straftatbestand der Volksverhetzung“, sagte die Bremer Justizsenatorin Claudia Schilling (SPD) dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Deshalb sei es absolut richtig, „dass von der Staatsanwaltschaft Bremen generell der Anfangsverdacht der Volksverhetzung angenommen und entsprechend ermittelt wird“.

Der Antisemitismusbeauftragte der Berliner Polizei hatte die Beamten in der Hauptstadt in der vergangenen Woche laut einem Bericht der „B.Z.“ angewiesen, beim Tragen solcher „Judensterne“ auf Demonstrationen künftig immer einzuschreiten. Es sei dabei grundsätzlich von einer „Störung des öffentlichen Friedens“ und deshalb von Volksverhetzung auszugehen. Das gelte auch für andere Verharmlosungen des Völkermords an den europäischen Jüdinnen und Juden.

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Auch in Niedersachsen wird das Tragen von „Judensternen“ mit der Aufschrift „Ungeimpft“ als Volksverhetzung gewertet. „Ich halte das für strafbar“, sagte die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza angesichts des Holocaustgedenktags am 27. Januar. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) verurteilte diese Relativierung des Holocaust gegenüber dem „Göttinger Tageblatt“ scharf. „Das ist wirklich widerlich und gehört zu den Dingen, die meinen Blutdruck hochtreiben“, sagte Weil.

Bayern: Informationsschreiben an die Polizei

So sieht es auch das bayerische Justizministerium. „Gemeinsam mit dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration wurde daher ein Informationsschreiben an die Verbände der bayerischen Polizei erstellt, in dem diese gebeten wurden, entsprechende Fälle zur Prüfung des Anfangsverdachts für eine Straftat der zuständigen Staatsanwaltschaft vorzulegen“, teilte das Ministerium auf RND-Anfrage mit.

Auch die Generalstaatsanwaltschaften in Hamburg und Sachsen halten das öffentliche Zeigen solcher Symbole und die Verbreitung holocaustrelativierender Aussagen grundsätzlich für strafbar. Die Justizministerien in Nordrhein-Westfalen und Hessen halten es zumindest für naheliegend, dass der Straftatbestand der Volksverhetzung in solchen Fällen erfüllt wird. Mehrere Bundesländer verwiesen auf Anfrage auf die Unabhängigkeit der Justiz und wollten keine eigene Bewertung abgeben.

Ob eine Äußerung oder das öffentliche Tragen eines Symbols strafbar ist, entscheiden im Einzelfall die Gerichte. Den Landesjustizministerien sind bislang nur wenige Strafverfahren bekannt, in denen es um das Zeigen eines „Judensterns“ ging – und noch weniger Verurteilungen. Als beispielhaft gilt ein Beschluss des Bayerischen Oberlandesgerichts vom 25. Juni 2020. Das Gericht verwarf die Revision eines Mannes gegen eine Verurteilung wegen Volksverhetzung.

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Er hatte bei einem AfD-Parteitag im Jahr 2018 ein Plakat hochgehalten, auf dem ein „Judenstern“ abgebildet war, und die gesellschaftliche Stimmung gegen die AfD mit den Taten der Nationalsozialisten vergleichen wurde. Das Bundesverfassungsgericht nahm eine Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil im September 2021 nicht zur Entscheidung an.

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