Justizminister Buschmann: „Es darf keine neue Normalität ohne Freiheit geben“
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„Wenn es Beschränkungen gibt, die heute nötig, aber morgen unbegründet sind, dann müssen sie in Zukunft fallen“, befindet Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Marco Buschmann sieht sich in seiner neuen Rolle als Bundesjustizminister auch als Verteidiger der Freiheit. Manche wünschten sich im Sinne der Pandemiebekämpfung oder des Klimaschutzes eine neue Normalität, warnte der FDP-Politiker am Mittwoch im Bundestag in einer Debatte zu den justizpolitischen Plänen der Koalition aus SPD, Grünen und FDP.
„Es darf keine neue Normalität ohne Freiheit geben“, erklärte Buschmann. „Wenn es Beschränkungen gibt, die heute nötig, aber morgen unbegründet sind, dann müssen sie in Zukunft fallen.“ Dieses Versprechen wolle er abgeben.
Harsche Kritik an den rechtspolitischen Vorhaben der neuen Regierung übte die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU). „Sie haben keinen Plan“, rügte sie mit Blick auf das Gesetzgebungsverfahren zur Impfpflicht, bei dem Abgeordnete im Bundestag fraktionsübergreifend sogenannte Gruppenanträge einbringen können – statt eines Regierungsvorschlags.
Lindholz monierte auch Pläne, die wegen Gerichtsurteilen auf Eis liegende Vorratsdatenspeicherung durch ein Quick-Freeze-Verfahren zu ersetzen, bei dem Verbindungsdaten erst im Verdachtsfall gespeichert werden. Die angekündigte Familienrechtsreform, die es Teilnehmern von „Verantwortungsgemeinschaften“ ermöglichen soll, Rechte und Pflichten füreinander auch jenseits von Ehen zu übernehmen, stellt aus Sicht von Lindholz eine Schwächung von Ehe und Familie dar.
Grünen-Abgeordneter zur CSU: „Wovor haben Sie denn eigentlich Angst?“
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese hielt dagegen. Mit der Reform des Familienrechts solle „endlich gesellschaftliche Vielfalt in diesem Land anerkannt“ werden. Lindholz warf er Herablassung vor. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Helge Limburg, fragte an Lindholz gerichtet: „Wovor haben Sie denn eigentlich Angst?“ Durch die Neuerungen werde niemandem etwas weg genommen.
Der rechtspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Thomas Seitz, beklagte unter anderem „die Diskriminierung Ungeimpfter“ und das Vorgehen von Behörden und Polizei gegen sogenannte Spaziergänge gegen die Corona-Maßnahmen. „Diese Spaziergänger verteidigen den Rechtsstaat und ihre Kriminalisierung ist Unrecht.“
Linken-Fraktionsvorsitzende Amira Mohammed Ali forderte ein Ende der Einstufung des Fahrens ohne Fahrkarte in öffentlichen Verkehrsmitteln als Straftat. „Klassenjustiz kann man das nennen.“ Gerade Obdachlose oder andere arme Menschen landeten am ehesten im Gefängnis, nachdem sie sich keine Fahrkarte oder das Bußgeld hätten leisten können. „Wir müssen Armut bekämpfen statt arme Menschen zu kriminalisieren.“
Buschmann beklagt „absurde Situation“ bei Vorratsdatenspeicherung
Beim Thema Vorratsdatenspeicherung hat Buschmann eine klare Vorstellung: Der Bundesjustizminister will die rechtlich umstrittene Regelung streichen. „Wir werden die Bürgerrechte stärken und so für eine neue Balance von Sicherheit und Freiheit sorgen“, sagte Buschmann am Mittwoch im Bundestag.
Das gelte beispielhaft für die Vorratsdatenspeicherung, bei der es derzeit eine „absurde Situation“ gebe. Sie stehe formal im Gesetz, Gerichte hätten sie aber gestoppt. Daher finde die Regelung kaum Anwendung und trage kaum etwas zur Sicherheit bei. Diese Situation wolle er beenden. „Die Vorratsdatenspeicherung wird gestrichen“, sagte Buschmann.
Die Vorratsdatenspeicherung betrifft sogenannte Verkehrs- und Standortdaten der elektronischen Kommunikation, also keine Inhalte, die zur Strafverfolgung zur Verfügung stehen sollen. Die aktuelle deutsche Regelung von 2015 sieht eine Speicherpflicht von zehn Wochen vor. Sie ist aber wegen einer noch andauernden juristischen Klärung ausgesetzt.
„Quick Freeze“ Verfahren soll stattdessen eingeführt werden
Buschmann sagte, anstelle der anlasslosen Speicherung von Daten solle den Behörden das Instrument „Quick Freeze“ an die Hand gegeben werden. Bei Verdacht eines schweren Verbrechens ordne dann ein Richter die Speicherung der Daten an, die Ermittler auswerten könnten. „Das ist rechtsstaatlich sauber und grundrechtsschonend“, sagte Buschmann.
Der Justizminister bekräftigte zudem das Vorhaben der Koalition von SPD, Grünen und FDP, den Strafrechtsparagrafen 219a – das Werbeverbot für Abtreibungen – streichen zu wollen. Wenn sich Frauen in einer schwierigen Lebenssituation sachliche Informationen besorgen wollten, sollten sie das auch tun können, sagte Buschmann. Einen entsprechenden Entwurf hatte Buschmann an anderer Stelle bereits für diesen Monat angekündigt.
RND/dpa