Kampf um Corona-Impfstoff: Entwicklungsländer first

Ein Mann hält im Institut für Tropenmedizin an der Uniklinik Tübingen eine Spritze in der Hand, mit der einer jungen Frau, die erste Probandin, ein möglicher Wirkstoff gegen das Coronavirus gespritzt wurde. Der Wirkstoff kommt von der Tübinger Firma Curevac.

Ein Mann hält im Institut für Tropenmedizin an der Uniklinik Tübingen eine Spritze in der Hand, mit der einer jungen Frau, die erste Probandin, ein möglicher Wirkstoff gegen das Coronavirus gespritzt wurde. Der Wirkstoff kommt von der Tübinger Firma Curevac.

Berlin. In der Öffentlichkeit wird im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie diskutiert, wann ein Impfstoff zur Verfügung steht. Die Frage muss allerdings präziser gestellt werden. Denn für die Bevölkerung ist nicht interessant, zu welchem Zeitpunkt ein Vakzin die klinischen Studien durchlaufen hat und als wirksam und sicher gilt. Vielmehr ist ausschlaggebend, wann der Einzelne beim Arzt die Spritze mit dem Impfstoff tatsächlich bekommen kann.

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Dazwischen können Monate, wenn nicht gar Jahre liegen. Dazu zwei Zahlen: Weltweit können derzeit etwa 1,5 Milliarden Dosen Impfstoff jährlich produziert werden. Auf der Erde leben allerdings fast acht Milliarden Menschen. Wenn ein Corona-Impfstoff mehrfach gegeben werden muss, wird die Lücke sogar noch größer.

Wettrennen mit harten Bandagen

Auch deshalb hat schon kurz nach dem Ausbruch der Pandemie ein mit harten Bandagen geführtes Wettrennen begonnen. Weltweit versuchen Staaten, sich bei möglichst vielen Impfstoffherstellern möglichst hohe Produktionskapazitäten zu sichern. Ganz vorn dabei: die USA. Sie haben sich über ihr “Warp Speed”-Programm große Kontingente von mehreren Impfstoffkandidaten eingekauft.

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Aber auch Deutschland mischt kräftig mit, etwa durch den Einstieg beim Tübinger Biotechunternehmen Curevac und die Bildung einer Impfallianz mit Frankreich, Italien und den Niederlanden, die sich ebenfalls Kapazitäten bei mehreren Impfstoffherstellern gesichert hat. Während China und Russland weitgehend auf ihre Staatsunternehmen setzen, haben auch Japan, Kanada, Australien, Großbritannien und die Schweiz Vereinbarungen mit Pharmfirmen getroffen.

Warnung vor Nationalismus

Das kann man, wenn man in einem dieser Länder wohnt, für klug und vorausschauend halten. Doch das ist deutlich zu kurz gedacht. Tedros Adhanom Ghebreyesus, der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), hat für das Verhalten der Industriestaaten einen sehr treffenden Ausdruck gewählt: “Impfstoffnationalismus”. Wie falsch dieser Weg ist, begründet er mit einem knappen, aber sehr einleuchtenden Satz: “Kein Land wird sicher sein, bevor wir alle sicher sind.”

Konsequent zu Ende gedacht heißt das auch: Um die Verbreitung von Corona einzudämmen, muss zunächst in den Regionen der Welt geimpft werden, in denen das Virus besonders stark verbreitet und die Gesundheitsversorgung schlecht ist – also in den Entwicklungs- und Schwellenländern.

Das ist vor allem deshalb wichtig, um Mutationen des Virus zu verhindern. Infrage kommen insbesondere Südafrika, Brasilien oder Indien. Europa steht auf der Dringlichkeitsliste nicht weit vorn, allenfalls mit einer schnellen Immunisierung von Ärzten, Pflegekräften und Hochrisikogruppen.

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Globale Solidarität hilft allen

Die globale Solidarität ist im Interesse aller. Fairerweise muss jedoch festgehalten werden, dass eine Reihe von Industriestaaten – darunter auch Deutschland – ihr egoistisches Verhalten zumindest teilweise kompensieren, weil sie sich auf einer anderen Ebene finanziell stark engagieren.

Sie unterstützen die von der WHO zusammen mit der globalen Impfstoffallianz Gavi gegründete Initiative Covax, die einen fairen Zugang zu Corona-Impfstoffen für jedes Land der Welt garantieren soll. Das hätte zwar von Anfang an der Weg für eine gerechte und medizinisch sinnvolle weltweite Versorgung mit einem Corona-Vakzin sein müssen. Doch nun ist Covax zumindest ein gutes Gegengewicht zum Impfnationalismus.

Dass die USA hier ausscheren, verwundert angesichts der “America first”-Politik von Präsident Donald Trump nicht. Sie ist auch hier extrem kurzsichtig und kontraproduktiv für die Amerikaner selbst. Die USA werden die Pandemie nicht besiegen können, solange der Nachbar Mexiko und die anderen Staaten in Mittel- und Südamerika Hotspots bleiben.

Dumm ist die Blockade auch aus einem anderen Grund: Die WHO-Initiative ist mit Milliardeninvestments mittlerweile so breit aufgestellt, dass sie nach Ansicht von Experten gute Chancen hat, im Rennen um einen wirkungsvollen Corona-Impfstoff und hohe Produktionskapazitäten gegenüber den bilateralen Vereinbarungen vorn zu liegen. Wer jetzt nicht mitmacht, hat später das Nachsehen.

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Corona kennt keine Grenzen. Das Virus lässt sich nur weltweit gemeinsam oder gar nicht in den Griff bekommen.

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