Durchbruch für die Kernfusion?

Nur ein kleiner Schritt für die Menschheit

„Ein enormer Schritt vorwärts“: Die amerikanische Energieministerin Jennifer Granholm ist stolz auf die von ihrem Ressort bezahlte Arbeit der Forscherinnen und Forscher am Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien.

„Ein enormer Schritt vorwärts“: Die amerikanische Energieministerin Jennifer Granholm ist stolz auf die von ihrem Ressort bezahlte Arbeit der Forscherinnen und Forscher am Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien.

Ist das nun ein Durchbruch? Ein „enormer Schritt vorwärts“, wie US‑Energieministerin Jennifer Granholm am Dienstag­nachmittag sagte? Oder nur einer von vielen Meilensteinen?

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Als Neil Armstrong am 20. Juli 1969 als erster Mensch den Mond betrat, hatte er das Relative seines Tuns ebenso im Blick wie das Epochale: „Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit.“

Zu den jüngsten Kernfusions­experimenten in den USA passt, bei allem Respekt, eher die umgekehrte Bewertung. Sie sind ein riesiger Sprung für die Forschenden, aber nur ein kleiner Schritt für die Menschheit. Der Weg zur weltweiten Nutzung der Fusionskraft ist – leider – noch immer sehr, sehr weit.

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Die gute Nachricht aber ist: Immerhin geht es jetzt voran, nicht nur in der Theorie, sondern konkreter denn je.

Faszinierende Aussicht auf neue Zeiten

Lange tat die Menschheit sich schwer, überhaupt auf Erden den gleichen Prozess anzustoßen, der die Sonne leuchten lässt. Wo auch immer eine kontrollierte Kernfusion gelang, musste mehr Energie ins Experiment hineingesteckt werden, als heraus kam. Das Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien hat jetzt den bemerkenswerten Schritt zwei geschafft. Erstmals führte eine Kernfusionsreaktion im Labor zu einem Netto­energie­gewinn. Damit ist bewiesen: Es lohnt sich, an dieser Stelle weiterzuforschen.

Das wichtigste Ergebnis der jüngsten Experimente liegt vielleicht weniger in physikalischen Details als in einem psychologischen Effekt: Kommt jetzt, inmitten einer globalen Energiekrise, ein neuer Techoptimismus in Gang?

Den Zeitungen «Financial Times» und «Washington Post» zufolge ist Forscherinnen und Forschern im Auftrag der US-Regierung erstmals eine Kernfusion gelungen, bei der mehr Energie gewonnen als verbraucht wurde.

Zeit für neuen Techoptimismus? Blick in die „Target-Kammer“ des Fusionsreaktors in Livermore, Kalifornien.

Manche, die das Heil allein in alternativen Energien sehen, sträuben sich spontan: Warum, fragen viele, soll die Lösung nun doch wieder von Anlagen kommen, die sich, wenn überhaupt, nur als großindustrielle Investitionen verwirklichen lassen?

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Tatsächlich aber ist eine produktive Koexistenz von Fusionsenergie und alternativer Energie denkbar und machbar. Fusionskraftwerke können den Stahl zum Schmelzen bringen, den man zum Bau von Windrädern braucht. Sie können, per Wasserstoff, dem Transportwesen klimaneutrale neue Energie geben.

Am Ende des Wegs der Kernfusionsforschung schimmert nach wie vor die faszinierende Aussicht auf völlig neue Zeiten. Im besten Fall wird die Menschheit noch im Laufe der Dreißigerjahre, wohl eher gegen Ende als am Anfang des Jahrzehnts, „Sonnenenergie“ neu definieren – und sie auf der Erde selbst erzeugen, mit Wasserstoff, einem alles andere als knappen Element.

Cadarache – ein gutes Zeichen für die Welt

Alle heutigen Probleme ließe man dann endlich lachend hinter sich. Anders als Kernspaltung hinterlässt die Kernfusion keine über Jahrtausende strahlenden Abfälle, anders als bei Verbrennung von Gas, Öl und Kohle entsteht kein Kohlendioxid.

Die Laserkanonen in Livermore allerdings können die Fusion nur in sehr engen Grenzen in Gang setzen: nur in einer millimetergroßen Kapsel und nur für einen kurzen Moment. Langfristig viel­versprechender ist der Versuch, mit gigantischen Magnetfeldern ein viele Millionen Grad heißes Plasma über längere Zeit gleichsam festzuhalten.

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Hier ziehen noch immer alle maßgebenden Weltmächte an einem Strang: Die Baustelle des Fusionsreaktors ITER in Südfrankreich ist die wichtigste weltweit finanzierte Forschungseinrichtung der Erde.

Hier ziehen noch immer alle maßgebenden Weltmächte an einem Strang: Die Baustelle des Fusionsreaktors ITER in Südfrankreich ist die wichtigste weltweit finanzierte Forschungseinrichtung der Erde.

Die dazu nötigen Technologien gibt es noch nicht, ihre Entwicklung würde derzeit sogar die Supermächte überfordern. In exakt diese kühne Richtung aber zielt das weltweite Fusionsprojekt ITER im südfranzösischen Cadarache. Dass daran neben der EU, den USA, Japan und Südkorea weiterhin auch China und Russland beteiligt sind, trotz aller aktuellen weltpolitischen Spannungen, ist ein beeindruckendes Hoffnungszeichen in düsterer Zeit.

Die Wissenschaftscommunity ist zu einer Erkenntnis vorgestoßen, mit der sich Regierungen noch schwertun. Die Zukunft liegt im weltweiten Zusammenrücken: Fusion statt Spaltung.

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