„Thema verfehlt“: Expertenrat kritisiert Klimapläne der Regierung für Gebäude und Verkehr scharf
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Die Klimaschutzpläne des Verkehrsministeriums seien „schon im Ansatz ohne hinreichenden Anspruch“, sagt der Expertenrat für Klimafragen.
© Quelle: IMAGO/Jochen Tack
Berlin. Der Expertenrat für Klimafragen hat den Sofortprogrammen für den Gebäude- und Verkehrssektor ein vernichtendes Urteil ausgestellt. Sie könnten die Einhaltung der Klimaziele nicht sicherstellen, besonders das Sofortprogramm aus dem Verkehrsministerium kritisierte der Expertenrat scharf: Es sei „schon im Ansatz ohne hinreichenden Anspruch“, heißt es im am Donnerstag vorgestellten Prüfbericht. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) fordert nach dem verheerenden Urteil schnelles Handeln. „Wir sind in der Pflicht, noch im September das Klimaschutz-Sofortprogramm zu beschließen.“ Dabei müssten „alle Sektoren ihren Beitrag leisten“.
Das Sofortprogramm für den Gebäudesektor müsse getrennt vom Sofortprogramm für den Verkehrssektor betrachtet werden. Während der Gebäudesektor wenigstens versuche, wieder auf den Pfad der Klimaschutzziele zu kommen, wolle das vom Verkehrsministerium vorgelegte Programm nur die Überschreitungen aus dem vergangenen Jahr einholen: Die Pläne würden bis 2030 nur 14 Megatonnen an Treibhausgas-Emissionen einsparen, 261 Megatonnen zu wenig.
Expertenrat: „Bei einem Schulaufsatz würde man jetzt sagen: Thema verfehlt“
Ein Sprecher des Verkehrsministeriums teilte auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) mit, dass das Sofortprogramm den Anforderungen des Bundes-Klimaschutzgesetzes entspreche. „Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen kann die vom Expertenrat festgestellte Zielverfehlung des Jahres 2021 in den nächsten Jahren ausgeglichen werden“, heißt es aus dem Ministerium. Die Sicherstellung der Erreichung der Klimaschutzziele bis 2030 sei Gegenstand des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung.
„Bei einem Schulaufsatz würde man jetzt sagen: Thema verfehlt“, sagte Brigitte Knopf, stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats, dem RND. Da der Expertenrat auch das angekündigte Programm der Bundesregierung prüfen werde, habe er von einer tiefergehenden Prüfung des Sofortprogramms aus dem Verkehrsministerium abgesehen. Laut Knopf sollte jetzt dringend mit weiteren Maßnahmen für den Verkehrssektor nachgelegt werden, anderenfalls könnten die deutschen Klimaziele deutlich verfehlt werden. „Daraus könnten sich kritische Herausforderungen auch in Bezug auf die europäischen Vorgaben ergeben.“
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Malte Hentschke-Kemper, stellvertretender Geschäftsführer der Klima-Allianz, wirft Wissing „Arbeitsverweigerung“ vor und fordert Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, „dass er dieses unwürdige Schauspiel beendet“. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) reagierte ähnlich: „Man könnte auch sagen, Bundesverkehrsminister Volker Wissing ist heute bereits an der 5‑Prozent-Hürde gescheitert“, kommentiert Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Deutsche Umwelthilfe kündigt Klage an
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) geht einen Schritt weiter und kündigte schon am Mittwoch an, vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Klage gegen das Sofortprogramm für den Verkehrssektor einzureichen. DUH-Chef Jürgen Resch teilte am Donnerstag mit: „Ein gesetzeskonformes Klimaschutz-Sofortprogramm kommt nicht aus ohne Tempolimit, Stopp der Dienstwagenförderung gerade bei besonders spritdurstigen Fahrzeugen und einen massiven Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Bahn inklusive 365‑Euro-Klimaticket.“
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Wie die Ostsee künftig zu unserer Heizung werden könnte
Laut Experten könnte schon bald Wärme aus der Ostsee zum Heizen in Haushalten von Mecklenburg-Vorpommern genutzt werden. Entsprechende Untersuchungen werden derzeit durchgeführt, Vorbilder gibt es bereits. Dazu könnte die Nutzung der Ostseewärme positive Effekte gegen den Klimawandel haben.
Das Sofortprogramm im Gebäudesektor sei laut Expertenrat ausreichend, um die Ziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes bis 2030 zu erreichen. Aber: Bis 2027 würde es trotz der geplanten Schritte weiter zu Überschreitungen der Vorgaben kommen, erst zum Ende des Jahrzehnts könnten die Emissionen ausreichend gesenkt werden.
Der Expertenrat halte es zudem „für nur teilweise wahrscheinlich“, dass die vom Wirtschafts- und Bauministerium angegebenen Treibhausgas-Minderungen auch in vollem Umfang tatsächlich erreicht werden, so Knopf. „Bei einigen Maßnahmen sind da jetzt noch ein paar Fragezeichen“, sagte sie dem RND.
Das Verkehrs-, das Bau- und das Wirtschaftsministerium hatten am 13. Juli Sofortprogramme für den Gebäude- und Verkehrssektor vorgelegt. Das war nach Bundes-Klimaschutzgesetz notwendig, da in beiden Sektoren im vergangenen Jahr die Emissionsziele verfehlt wurden.