Klimaaktivistin Neubauer: Atomdebatte verdrängt Debatte über erneuerbare Energien
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Luisa Neubauer von Fridays for Future.
© Quelle: Paul Zinken/dpa
Berlin. Der Streit um die weitere Nutzung der restlichen drei Atomkraftwerke in Deutschland geht weiter – sehr zum Unmut der Klimabewegung, die die Debatte für fehlgeleitet hält. „Im allerschlimmsten Fall wird man die Atomenergie jetzt vielleicht noch nutzen müssen“, sagte die Klimaaktivistin Luisa Neubauer von Fridays for Future dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Ohnehin müsse man eine etwaige Verlängerung der Laufzeiten von zwei der drei verbliebenen Atomkraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 „an den Ansprüchen der Gegenwart messen und nicht an den Ansprüchen der 1980er-Jahre“, betonte sie.
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Ärgerlich sei aber vor allem, dass die andauernde Diskussion über die Kohleverstromung und die weitere Nutzung der Atomenergie die entscheidende Debatte über die Möglichkeiten der erneuerbaren Energien verdränge, so Neubauer: „Wenn man jetzt so viel Energie, Kreativität und Geld in Kohle oder Atom investiert, wo zum Henker ist diese Energie, wenn es um erneuerbare Energien geht?“ Stattdessen würden „deren Potenziale systematisch ausgeblendet“, beklagte sie. „Es entsteht der Eindruck, als hätten wir keine andere Wahl außer Kohle und Atom. Das ist verantwortungslos. Wir brauchen hier eine Wende.“
Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hatte am Montag erklärt, Isar 2 und Neckarwestheim 2 sollten über das gesetzlich eigentlich vorgeschriebene Ende am 31. Dezember hinaus in eine Notreserve versetzt und bei Bedarf wieder hochgefahren werden. Das war innerhalb wie außerhalb der Ampelkoalition auf Kritik gestoßen.
Zuletzt forderte die CSU Habeck auf, die detaillierten Ergebnisse des Stromstresstests zu veröffentlichen. „Die Bevölkerung hat ein Recht auf Transparenz“, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Die Veröffentlichung einer Powerpoint-Präsentation als Ergebnis werde der Bedeutung der Studie und den Auswirkungen der daraus folgenden Entscheidungen nicht gerecht. „Die bislang von Habeck veröffentlichten Ergebnisse des Stresstests lassen daran zweifeln, dass die faktische Abschaltung der Atomkraftwerke auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht“, sagte Huber.
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© Quelle: dpa
Zudem kritisierte Huber Habecks Entscheidung, das Atomkraftwerk Emsland in Niedersachsen gänzlich vom Netz zu nehmen. Gleichzeitig schlage der Grünen-Politiker vor, mögliche Stromengpässe mit schwimmenden Ölkraftwerken zu verhindern. „Dass die Grünen lieber dreckiges Öl als Atomkraft nutzen, zeigt ihre ideologische Verblendung“, sagte Huber.
AKW-Betreiber waren eingeweiht
Streit gibt es auch zwischen der Betreiberfirma des bayerischen AKW Isar 2, Preussenelektra, und dem Wirtschaftsministerium. Nachdem der Konzern den geplanten Reservebetrieb in einem Brief in dieser Woche als „technisch nicht machbar“ kritisiert und Habeck diese Behauptung zurückgewiesen hatte, betonte das Ministerium nun, dass alle drei Betreiber der noch laufenden Atomkraftwerke bereits vor der Entscheidung für einen Notfallreservebetrieb in diese Option eingeweiht gewesen seien. Es seien vor dem politischen Beschluss Gespräche geführt worden, sagte ein Sprecher am Freitag. Die Gespräche mit den Betreibern über die Umsetzung eines möglichen Reservebetriebs liefen derzeit weiter.
Der Bundestag soll im Herbst über eine entsprechende Änderung des Energiesicherheitsgesetzes entscheiden. Laut aktueller Rechtslage sollten alle AKW zum Jahresende stillgelegt werden. Eine Laufzeitverlängerung, wie sie unter anderem die Union seit Wochen vehement fordert, lehnt Habeck ab. Im Oktober wird sich der Grünen-Parteitag damit beschäftigen.