Korruptionsprozess: Sarkozy sieht sich als Opfer – doch abgehörte Telefonate belasten ihn
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Der frühere französische Präsident Nicolas Sarkozy verlässt den Gerichtssaal.
© Quelle: Getty Images
Paris. Ist es die Rache der „Erbsen ohne Geschmack“? Als solche hat Nicolas Sarkozy in einer Fernsehsendung die Juristen des Landes bezeichnet, mit denen er in seiner Amtszeit zwischen 2007 und 2012 auf Kriegsfuß stand und von denen er sich heute „durch den Dreck gezogen“ fühlt.
Erstmals in der Geschichte der Fünften Republik muss sich mit ihm ein ehemaliger französischer Staatschef persönlich vor Gericht verantworten. Zwar kam auch sein inzwischen verstorbener Vorgänger Jacques Chirac 2011 auf die Anklagebank, der wegen der Schaffung eines Systems fiktiver Stellen in seiner Zeit als Pariser Bürgermeister zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Doch der erkrankte Chirac erschien nicht persönlich.
Ganz anders Sarkozy, selbst ausgebildeter Anwalt, der kämpferisch erklärt hatte, er werde seine Unschuld unter Beweis stellen und die Justiz sei politisch instrumentalisiert. Der für vergangenen Montag angesetzte Strafprozess gegen ihn wegen Korruption und illegaler Einflussnahme wurde gleich wieder ausgesetzt und auf Donnerstag verschoben, um bis dahin den Antrag des Mitangeklagten Gilbert Azibert zu prüfen, aufgrund des gesundheitlichen Risikos durch das Coronavirus nicht anwesend sein zu müssen.
Theoretisch droht Sarkozy Haftstrafe von bis zu zehn Jahren
Azibert war Generalanwalt am Revisionsgericht, dem höchsten Gericht des Landes, und Sarkozys Verteidiger Thierry Herzog freundschaftlich verbunden, der ebenfalls angeklagt ist. Theoretisch drohen Sarkozy und Herzog jeweils eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren und eine Geldbuße von einer Million Euro.
Vorgeworfen wird ihnen, Azibert als Belohnung für die Herausgabe vertraulicher Informationen einen prestigeträchtigen Posten in Monaco in Aussicht gestellt zu haben – den er allerdings nie erhielt, da Sarkozy möglicherweise gewarnt worden war, dass man ihn abhörte. Für die Staatsanwaltschaft reicht aber allein das klar formulierte Versprechen für die Anklage.
Der Ex-Präsident und Herzog tauschten sich darüber in Telefonaten mit geheimen Nummern aus, die von den Ermittlern abgehört wurden. Beiden Männern ging es um Informationen zu laufenden Verfahren gegen Sarkozy und dessen Terminkalender.
Diese hatte die Justiz in Beschlag genommen im Rahmen von Ermittlungen wegen des Verdachts, der Ex-Staatschef habe 2007 illegale Wahlkampfspenden der L’Oréal-Erbin Liliane Bettencourt angenommen.
Sarkozy und der Terminkalender: Belastende Informationen?
Die Ermittlungen wurden zwar eingestellt, aber offensichtlich befürchtete Sarkozy, seine Terminplaner enthielten andere belastende Informationen. So lief bereits damals ein Verfahren wegen des Vorwurfs, er habe auch vom ehemaligen libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi Millionensummen für seinen Wahlkampf angenommen.
Diese Affäre bleibt juristisch bedrohlich für Sarkozy, auch wenn kürzlich ein wichtiger Zeuge, der libanesisch-französische Geschäftsmann Ziad Takieddine, seine bisherige Aussage, er habe hohe Geldsummen in einem Koffer zwischen beiden Ländern transportiert, überraschend zurückgenommen hat.
Im März beginnt darüber hinaus der Prozess gegen Sarkozy wegen des Verdachts der illegalen Finanzierung der Präsidentschaftskampagne 2012. Um zu verschleiern, dass die Ausgaben die erlaubte Grenze in Höhe von 22,5 Millionen Euro um 20,5 Millionen Euro überstiegen, sollen die damalige konservative UMP-Partei und die beauftragte Kommunikationsagentur Bygmalion ein System falscher Rechnungen eingerichtet haben.
Obwohl ihn die Untersuchungsrichter als „routinierten Kriminellen“ bezeichnet haben, bleibt der als charismatischer Anführer geltende 65-Jährige in seiner Partei ein Hoffnungsträger mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen 2022. Freilich wäre das mit einer Verurteilung wegen Korruption deutlich schwieriger.