Putin besucht Mariupol – Selenskyj plant Sanktionen
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Putin besuchte am Samstag erstmals das seit dem Vorjahr besetzte ukrainische Staatsgebiet und fuhr durch die zerstörte Hafenstadt Mariupol.
© Quelle: IMAGO/ITAR-TASS
Kiew/Sewastopol. Kremlchef Wladimir Putin zeigt sich gänzlich unbeeindruckt von den letzten Strafmaßnahmen gegen ihn – der Erlassung eines Haftbefehls durch den internationalen Strafgerichtshof: Der 70-Jährige besuchte am Samstag erstmals das seit dem Vorjahr besetzte ukrainische Staatsgebiet und fuhr durch die zerstörte Hafenstadt Mariupol. Videoaufnahmen russischer Staatsmedien sollen zeigen, wie der Präsident durch die besetzte Stadt mit dem Auto fährt und unter anderem die Philharmonie besucht.
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Kurz zuvor nutzte Putin den neunten Jahrestag der Annexion der Krim zu einem Auftritt in der dortigen Hafenstadt Sewastopol, wo auch die russische Schwarzmeerflotte ihren Stützpunkt hat.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat neue indes Sanktionen seines Landes gegen Russland und dessen Verbündete Iran und Syrien angekündigt. „Die ukrainischen Sanktionen sind Teil des globalen Drucks auf Russland“, sagte der 45-Jährige am Samstag in seiner täglichen Videoansprache. 400 Personen und Firmen seien von der Maßnahme betroffen, sagte Selenskyj.
Syrien Ausgangspunkt für Russlands Angriffskrieg gegen Ukraine
Selenskyj machte in seiner Videobotschaft die Passivität der Weltgemeinschaft in Syrien vor einigen Jahren, als Putin dort Präsident Baschar al-Assad mit seinen Bomben an der Macht hielt, für den Beginn des Kriegs in der Ukraine verantwortlich.
Die Menschen in Syrien haben keinen angemessenen internationalen Schutz erhalten, und dies hat dem Kreml und seinen Komplizen das Gefühl gegeben, straffrei zu sein.
Wolodymyr Selenskyj,
Präsident der Ukraine
„Es gibt nur einen Weg, das Leben zu schützen – es ist notwendig, die russische Armee von ukrainischem Boden zu vertreiben. Und wir werden es tun“, versprach Selenskyj. In seinem Wochenfazit wähnte er sein Land dazu auf einem guten Weg. So habe die Ukraine ein neues Rüstungspaket mit Munition, Artillerie und Kampfflugzeugen aus dem Westen bekommen. Zudem habe es in größerer Runde Verhandlungen mit den USA über weitere Rüstungshilfe gegeben, erklärte der ukrainische Staatschef.
Putin zu Überraschungsbesuchen in besetzten Teilen der Ukraine
Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat Kremlchef Wladimir Putin die besetzten Gebiete des Nachbarlandes besucht. Wie der Kreml in der Nacht zum Sonntag mitteilte, hatte Putin der in schweren Kämpfen zerstörten Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer einen „Arbeitsbesuch“ abgestattet. Nach seiner Ankunft in einem Hubschrauber habe er sich bei einer Rundfahrt über die Lage informiert und sich auch mit Bewohnern der Stadt unterhalten, berichtete die Staatsagentur Tass weiter. Russlands stellvertretender Regierungschef Marat Chusnullin habe Putin über den Stand der Wiederaufbauarbeiten informiert.
Das russische Staatsfernsehen zeigte den 70-Jährigen Putin am Steuer eines Autos beim Fahren durch die nächtliche Stadt. Zu sehen waren am Rande auch Zerstörungen an Gebäuden. „Die Menschen beginnen, in die Stadt zurückzukehren“, sagte Chusnullin auf dem Beifahrersitz. In Mariupol gebe es wieder Straßenbeleuchtung und Busverkehr.
Als russische Truppen nach erbitterten Kämpfen die Stadt im Mai einnahmen, waren dort nur noch 100.000 der vor der Invasion 450.000 Einwohner. Es gab keinen Strom, Wasser und Heizung, keine Lebensmittel. Russischer Beschuss traf am 9. März eine Geburtsklinik, eine Woche später kamen beim Bombardement eines Theaters rund 300 Menschen ums Leben, die in dem Gebäude Schutz gesucht hatten. Recherchen der Nachrichtenagentur AP legen nahe, dass die wirkliche Zahl der Todesopfer näher an den 600 liegen könnte.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, Putins unangekündigter Besuch in Mariupol habe der Inspektion eines Militärpostens „in seinem normalen Betriebsablauf“ gedient.
Kurz zuvor war Putin ist zum neunten Jahrestag der russischen Annexion der Krim zu einem unangekündigten Besuch auf der Schwarzmeer-Halbinsel eingetroffen. „Unser Präsident Wladimir Wladimirowitsch Putin hat es drauf, zu überraschen“, schrieb der von Moskau eingesetzte Gouverneur der Hafenstadt Sewastopol, Michail Raswoschajew, am Samstag in seinem Telegram-Kanal. Das Staatsfernsehen verbreitete Bilder, auf denen der Kremlchef bei der Eröffnung einer Kunstschule für Kinder in Sewastopol zu sehen war.
Selenskyj verspricht Befreiung von Mariupol
Zugleich erinnerte der 45-Jährige an den russischen Luftangriff vor einem Jahr auf das Theater in der damals schwer umkämpften Hafenstadt.
© Quelle: dpa
Nach Kremlangaben führte Putin in der russischen Stadt Rostow am Don nahe der Ukraine zudem eine Sitzung in einer Kommandostelle für die „militärische Spezialoperation“ gegen die Ukraine, wie der Krieg in Russland offiziell genannt wird. Dort ließ sich der Präsident von Kommandeur Waleri Gerassimow, der auch Chef des russischen Generalstabs ist, und anderen Offizieren über den Gang der Kampfhandlungen in dem Nachbarland unterrichten.
Scholz zu Putin-Haftbefehl: Niemand steht über Recht und Gesetz
Nach dem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betont, dass niemand über Recht und Gesetz stehe. „Der internationale Strafgerichtshof ist die richtige Institution, Kriegsverbrechen zu untersuchen“, sagte Scholz am Samstag auf einer Pressekonferenz in Tokio zu der Entscheidung. Er fügte hinzu: „Und es ist so, dass niemand über Recht und Gesetz steht.“ Der Haftbefehl des Gerichts im niederländischen Den Haag war wegen der Verschleppung von Kindern aus besetzten Gebieten in der Ukraine nach Russland ergangen.
Medwedew ruft Amerikaner zum Volksaufstand für Trump auf
Russlands früherer Präsident Dmitri Medwedew wiederum hat die Amerikaner wegen der angeblich bevorstehenden Festnahme von Ex-US-Präsident Donald Trump zum Aufstand aufgerufen. „Holt Euch das Land zurück, Amerikaner! In den Kampf!“, schrieb Medwedew am Samstag in seinem Telegram-Kanal. Wie ernst der 57-Jährige seine Forderungen meinte, blieb dabei aber etwas unklar.
Medwedew ging in seinem Text auch noch einmal auf den Haftbefehl des internationalen Strafgerichtshofs gegen Kremlchef Putin ein. „Die Idioten in Europa wollen einen Fremden verhaften, und am 21. März wird in Amerika ihr Eigener verhaftet“, schrieb Medwedew.
Getreideabkommen offiziell verlängert: Streit um Umfang
Russland und die Ukraine haben sich auf eine Verlängerung des Getreideabkommens geeinigt. Das teilte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Samstag mit. Ohne eine Einigung wäre das Abkommen am 19. März ausgelaufen.
Russland und Ukraine verlängern Getreideabkommen
Russland und die Ukraine haben sich auf eine Verlängerung des Getreideabkommens geeinigt, teilte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Samstag mit.
© Quelle: dpa
Streit gibt es um die Länge der Vereinbarung. Während der ukrainische Infrastrukturminister Olexander Kubrakow twitterte, das Abkommen sei um 120 Tage verlängert worden, dementierte Moskau umgehend und betonte, dass es den Deal lediglich um 60 Tage verlängert habe.
Tote und Verletzte nach russischem Beschuss in der Ostukraine
Durch einen russischen Beschuss mit Streumunition sind in der ostukrainischen Stadt Kramatorsk nach örtlichen Behördenangaben mindestens zwei Menschen ums Leben gekommen. Acht weitere Personen seien zudem verletzt worden, teilte der ukrainische Militärgouverneur der Region Donezk, Pawlo Kyrylenko, am Samstag auf seinem Telegram-Kanal mit. Kramatorsk liegt etwa 20 Kilometer westlich der Frontlinie im Gebiet Donezk.
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Bereits am 14. März war Kramatorsk von russischen Raketen getroffen worden. Immer wieder sind zivile Gebiete in der Ukraine unter Beschuss.
© Quelle: picture alliance / AA
Was am Sonntag wichtig wird
Am Sonntag tritt die Verlängerung des Getreideabkommens zwischen Russland und der Ukraine in Kraft. Damit kann die Ukraine nach Angaben aus Moskau noch 60 Tage lang Lebensmittel über ihre Schwarzmeerhäfen exportieren.
Außerhalb dieses begrenzten Kompromisses sind die Positionen der beiden Kriegsparteien unverändert. So ist auch am Sonntag mit weiteren Gefechten, insbesondere um den Raum Bachmut, zu rechnen.
RND/dpa/AP