Im Paradies kriselt die Demokratie: Wie Chinas Einfluss im Südpazifik zunimmt
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Weißer Sandstrand und eine Wahlsiegerin, die aus dem Parlament ausgesperrt wurde. Nicht nur auf Samoa kriselt die Demokratie.
© Quelle: imago images / Design Pics
Der Vorsitzende der Nationalen Föderationspartei Fidschis, Biman Prasad, schrieb vor Kurzem einen vernichtenden Kommentar für das Development Policy Centre der australischen Nationaluniversität in Canberra. Darin ging es um das sinkende Demokratieverständnis in seinem Heimatland Fidschi wie auch in großen Teilen des Pazifiks. Vor allem beim jüngsten Treffen der Pazifikstaaten auf dem sogenannten Pacific-Islands-Forum sei ihm das „ohrenbetäubende Schweigen über sinkende Standards in den Bereichen Demokratie, Regierungsführung, Menschenrechte, Medienfreiheit und Redefreiheit“ in der Region negativ aufgefallen, so Prasad.
Tatsächlich summieren sich seit Längerem Vorfälle in der Region, die sich schwer mit dem herkömmlichen Demokratieverständnis vereinbaren lassen. Meg Keen, Direktorin des Pacific Island Program am Lowy Institute in Sydney, will zwar noch nicht von einem „Verfall der Demokratiewerte“ sprechen wie Prasad, doch auch sie sagt: „Die demokratischen Institutionen im Pazifik stehen vor Herausforderungen.“
In Prasads Heimatland Fidschi sind nicht zuletzt die zahlreichen Staatsstreiche über die vergangenen Jahre hinweg ein offensichtliches Indiz für demokratisches Versagen gewesen. Obwohl sich diese Putschkultur in der jüngeren Vergangenheit gelegt hat, mischt sich die regierende Fiji-First-Partei nach wie vor „häufig in die Aktivitäten der Opposition ein, die Justiz unterliegt politischem Einfluss, und die Brutalität von Militär und Polizei stellt ein erhebliches Problem dar“, wie es vonseiten der Organisation Freedom House heißt, deren Ziel es ist, liberale Demokratien weltweit zu fördern.
Wahlbetrug und Siedlerkolonialismus
Nicht weit von Fidschi entfernt hat Papua-Neuguinea eine angespannte Wahlperiode mit Gewaltausbrüchen hinter sich gebracht. Die Gewalt während der Wahlen sei „besorgniserregend“ gewesen, urteilt die Pazifikexpertin Keen. In den Wochen vor der Wahl, bei der Premierminister James Marape im August erneut im Amt bestätigt wurde, kamen mindestens 50 Menschen ums Leben. Zudem gab es Berichte über Wahlbetrug; Wahlurnen sollen zerstört worden sein und bis zu eine Million Menschen konnten laut Medienberichten nicht einmal wählen, weil das Wählerverzeichnis seit einem Jahrzehnt nicht aktualisiert wurde.
Gewaltausbrüche sind auch im indonesischen Teil Neuguineas – in Westpapua – fast schon an der Tagesordnung. Erst im Juli meldete Reuters erneut einen tödlichen Angriff in der Region, die seit Jahren um ihre Unabhängigkeit von Indonesien kämpft. Im aktuellen Fall starben mindestens neun Menschen bei einem Attentat bewaffneter Separatisten. Der Angriff folgte auf Demonstrationen der indigenen Bevölkerung, bei denen die indonesische Polizei hart durchgegriffen haben soll. Die Menschen waren auf die Straße gegangen, da Jakarta die Aufteilung der Region umorganisieren will. Aus bisher zwei Provinzen sollen fünf werden.
Die indonesische Regierung behauptet, mehr Verwaltungseinheiten würden Fortschritt bringen und öffentliche Dienstleistungen verbessern, doch Kritiker mahnen an, dass die Region auf diese Weise nur weiter militarisiert und damit besser kontrolliert und überwacht werden soll. Das Schaffen von drei neuen Provinzen würde rein zu mehr nicht indigenen Bewohnern und Bewohnerinnen führen, urteilte die Menschenrechtsanwältin Veronica Koman von Amnesty International in einer E‑Mail. Die Neuankömmlinge würden die Region besiedeln und die eigentliche indigene Bevölkerung in ihrem eigenen Land „weiter ins Abseits drängen“.
Chinas langer Arm
Mit Sorge blicken westliche Beobachter und Beobachterinnen auch auf den wachsenden Einfluss Chinas in der Region, der mit den schwindenden Demokratiewerten einherzugehen scheint. Besonderes Augenmerk fiel in den vergangenen Monaten auf die Regierung der Salomonen, nachdem das Land ein Sicherheitsabkommen mit China schloss, das vor allem vonseiten Australiens und Neuseelands schwer kritisiert wurde. Letzteres soll offiziell die Sicherheit der Salomonen verbessern. Doch laut der Pazifikexpertin Keen sind die jüngsten chinesischen Sicherheitsvereinbarungen und Zahlungen an die Regierung, die in Geheimhaltung gehüllt sind, in den Augen demokratischer, westlicher Länder eine „beunruhigende Entwicklung“. Ein erster Demokratieverlust manifestierte sich bereits, als der Zugang der Presse zu Politikern, vor allem zu chinesischen Politikern, die zu Gast im Land waren, beschränkt wurde.
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Mit der starken Hand Chinas im Hintergrund versucht der derzeitige Regierungschef Manasseh Sogavare zudem, seine politische Macht auszubauen. Lokale Medien meldeten bereits, er wolle die 2023 anstehenden Wahlen verschieben und als Vorwand die Pacific Games angeben, die das Land ausrichten soll. „Ich habe absolut keinen Zweifel daran, dass dies eine Machtergreifung ist“, sagte der Oppositionsführer Matthew Wale daraufhin im Interview mit dem „Guardian“. „Wenn wir die Verfassung ändern, um Wahlen nach Lust und Laune zu verschieben, schaffen wir Präzedenzfälle dafür, was getan werden kann.“
Machtspiele und dubiose Staatseinnahmen
Machtspiele hielten in der jüngeren Vergangenheit auch Kiribati und Samoa in Atem: In Kiribati wollte die Regierung einen australischen Richter des Landes verweisen, der eine Langzeit-Aufenthaltsgenehmigung hat. Nicht nur wurde hier die Gewaltenteilung im Land missachtet, unangenehm stieß dabei auch auf, dass die Frau des Richters die Vorsitzende der Opposition ist. Und auch auf Samoa haben sich vor allem im vergangenen Jahr Szenen abgespielt, die einer Demokratie nicht würdig sind. So wurde in der Parlamentswahl im vergangenen Jahr der bisherige Premierminister abgelöst, der zu diesem Zeitpunkt über 20 Jahre an der Macht war. Dieser weigerte sich jedoch abzutreten und sperrte die Siegerin kurzerhand aus dem Parlament aus. Erst ein Gerichtsentscheid katapultierte die Wahlsiegerin Fiame Naomi Mata‘afa letztendlich doch noch ins Amt.
Für eine Demokratie ungewöhnliche Aktivitäten spielen sich auch auf Vanuatu ab. Über das Vanuatu Investment Migration Bureau verkauft das Land für weit über 100.000 US-Dollar Staatsbürgerschaften für das Inselparadies. Das Programm ist eine wichtige Einnahmequelle für das Land, doch letztendlich gelangen auf diese Art und Weise etliche dubiose neue Bürger und Bürgerinnen ins Land. So sollen unter den 2200 Ausländern, die 2020 die Staatsbürgerschaft in Vanuatu erwarben, ein syrischer Geschäftsmann sein, der mit US-Sanktionen belangt wurde, ein nordkoreanischer Politiker und südafrikanische Brüder, die Kryptowährungen in großem Stil gestohlen haben sollen.
„Test für das Engagement des Westens“
Der zunehmende Einfluss Chinas in der Region, der sich nicht nur am Sicherheitsabkommen mit den Salomonen manifestiert, sondern auch durch Infrastrukturinvestitionen, Hilfsangebote und Kredite, macht es Ländern wie Australien oder Neuseeland immer schwerer, mit dem Finger auf Demokratiemängel in ihrem Hinterhof zu zeigen. Stattdessen müssen die Länder auf subtilere Art und Weise versuchen, demokratische Werte hochzuhalten. Australien wie auch Neuseeland wollen dies mit positiven Initiativen schaffen – Australien mit dem „Pacific Step-up“-Programm und Neuseeland mit dem sogenannten „Pacific Reset“-Programm. Über diese Initiativen sollen die Ausgaben in der Region erhöht werden, ohne dass die Länder dabei als wohltätige Spender erscheinen. Vielmehr soll das Ziel sein, Partnerschaften zu schaffen, die eine familiäre Verbundenheit mit der Region zeigen.
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Wo der Klimawandel eine Chance ist: Grönland zwischen Schmelze und Machtspielen
Auf Grönland schmilzt das Eis schneller denn je – gerade das macht die Insel so begehrt: Donald Trump wollte das riesige Land in der Arktis kaufen, auch die Chinesen mischen im Milliardenpoker um Rohstoffe mit. Zu Besuch an einem der am meisten umworbenen Flecken der Erde.
Wie ernst vor allem Australien Pekings Einfluss in der Region und den damit einhergehenden Demokratieverlust nimmt, zeigte auch, dass die neue Außenministerin Penny Wong genau einen Tag nach ihrer Vereidigung bereits nach Fidschi reiste. Gleichzeitig versprach sie in einer Videobotschaft an die Region, dass Australien künftig „zuhören“ wolle, „weil es uns wichtig ist, was der Pazifik zu sagen hat“. Ob der Balanceakt, den die westlichen Länder derzeit gehen, den langen Arm Pekings ausbremsen kann, wird sich zeigen. „Die Zukunft der pazifischen Inseln ist ein Test für das Engagement des Westens für Demokratie, Nachhaltigkeit und Sicherheit“, erklärt die Pazifikexpertin Keen.
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