Länder kritisieren Ende der epidemischen Lage – Lauterbach: „Dürfen nicht kapitulieren“
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Noch über 16 Millionen Deutsche über 18 Jahren sind nicht geimpft. (Symbolbild)
© Quelle: imago images/MiS
Berlin. Mehrere Bundesländer haben im Hinblick auf das Ende der epidemischen Lage den künftig eingeschränkten Handlungsspielraum beklagt. So forderte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) den Bund auf, auch weiterhin für einen einheitlichen Rahmen bei der Corona-Politik zu sorgen. „Der Bund muss Rechtssicherheit herstellen“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) und verwies dabei auf den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom vergangenen Freitag. Dieser sei „richtig und wichtig“, so Ramelow.
Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten waren übereingekommen, in den Wintermonaten einen Flickenteppich bei den Corona-Schutzmaßnahmen verhindern zu wollen, und hatten betont, eine bundeseinheitliche Rechtsgrundlage für die Maßnahmen müsse bleiben.
Nach einem markanten Anstieg der Neuinfektionszahlen hatten die Regierungschefs der 16 Länder darauf reagiert, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite über den 25. November hinaus infrage gestellt hatte.
Ampelfraktionen wollen bis März 2022 eine Übergangsregelung
Die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP im Bundestag hatten dann ein Papier vorgelegt, das ebenfalls das Ende der epidemischen Lage befürwortet. Bis März 2022 soll demnach eine Übergangsregelung gelten. Nach den Vorschlägen der Ampelfraktionen würde den Ländern jedoch ein deutlich eingeschränkterer Maßnahmenkatalog zur Verfügung stehen. Zwar wird die rechtliche Grundlage etwa für die Maskenpflicht, 2G und 3G gewährleistet, aber nicht für beispielsweise Ausgangssperren. Im März 2022 sollen nach aktuellem Stand auch die letzten Schutzmaßnahmen fallen.
Auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) verlangte „größtmögliche Flexibilität“, um auf zunehmende Infektionszahlen reagieren zu können. „Es ist nicht sinnvoll, dass die Landtage künftig in ihrem Recht beschnitten werden sollen, selbst über eine epidemische Lage in ihrem Land zu entscheiden“, teilte er am Mittwoch mit. „Damit schränkt die Ampel Flexibilität ein, die Handlungsmöglichkeiten der Länder werden weniger.“
Noch 16 Millionen Deutsche über 18 Jahren nicht geimpft
Zustimmung für das Papier kommt vom Gesundheitsminister Baden-Württembergs, Manne Lucha (Grüne). „Es ist wichtig, durch eine Übergangsregelung den Bundesländern weiterhin eine Rechtsgrundlage zu geben, um die Pandemie, die sich mittlerweile zu einer Pandemie der Ungeimpften entwickelt hat, wirksam zu bekämpfen“, sagte der Politiker.
Maßnahmen wie die Maskenpflicht seien infektiologisch angesichts der vierten Welle weiterhin erforderlich, fügte Lucha hinzu. „Wie ernst die Situation ist, sehen wir nicht zuletzt daran, dass schon in dieser Woche im Land die Warnstufe erreicht werden kann.“ So müssten aktuell 250 oder mehr Corona-Patientinnen und -Patienten auf den Intensivstationen behandelt werden.
Die Intensivmedizinerinnen und -mediziner rechnen mit einem Anstieg der Intensivbettenbelegung. „Im Moment folgt die Intensivbettenbelegung wieder sehr klar der Inzidenz“, sagte Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, dem RND. „Im Unterschied zu den vorangegangenen Pandemiewellen braucht es in diesem Herbst aber eine höhere Inzidenz, bis die Intensivbetten vergleichbar stark belegt sind.“
Es seien aber noch 16 Millionen Deutsche über 18 Jahren nicht geimpft. „Sehr viele Menschen, die sich anstecken können und von denen ein kleiner Anteil einen schweren Verlauf ausbilden wird – und dann eventuell über Wochen und Monate bei uns (…) behandelt werden muss“, ergänzte er.
Derweil stockt die Impfkampagne in Deutschland. Dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach zufolge helfe aktuell nur eine „sehr konsequente“ Anwendung der 2G-Regel. „So werden die Ungeimpften vor Ansteckung geschützt, und die Geimpften können ohne Gefährdung relativ normal leben“, sagte der Abgeordnete dem RND. „Zusätzlich müssen Kampagnen gezielt auf die jetzt Ungeimpften anlaufen. Wir dürfen nicht kapitulieren“, mahnte er.