Lindner: „Wir haben beschlossen, dass wir Vorsondierungen mit den Grünen aufnehmen“

FDP-Chef Christian Lindner

FDP-Chef Christian Lindner

Berlin. FDP-Chef Christian Lindner hat Vorsondierungen mit den Grünen angekündigt. „Wir haben beschlossen, dass wir Vorsondierungen mit den Grünen aufnehmen“, sagte er am Montag in Berlin. Der Bundesvorstand habe ihn und Generalsekretär Volker Wissing damit beauftragt, diese Gespräche zu führen. Zwischen FDP und Grünen gebe es die größten inhaltlichen Unterschiede unter jenen Parteien, die für eine Regierungskoalition infrage kommen. Zugleich seien sie aber auch die Parteien, die sich am stärksten gegen den Status Quo gewandt haben. Union und SPD stünden dagegen nicht für den Aufbruch.

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Man habe zweitens beschlossen, dass man nach den Gesprächen offen sei, Einladungen von SPD und Union anzunehmen, wenn sie denn kommen, fuhr Lindner fort.

Lindner betonte erneut, dass die FDP eines der besten Ergebnisse ihrer Geschichte errungen hat. Man habe den Wert der Freiheit und das wirtschaftliche Vorankommen jedes Einzelnen sowie technische Innovationen ins Zentrum gestellt statt einer Verbotshaltung. „Wir sind die stärkste Kraft bei den Erstwählern und sind mit den Grünen gemeinsam bei den Jungwählern vorn“, sagte er zudem. Auch habe man einen Rekordstand bei den Mitgliedern erreicht und dazu zwei gute Erfolge bei den Landtagswahlen erzielt. „Die FDP ist als ein eigenständiges demokratisches Angebot gestärkt worden. Wir freuen uns über diesen Erfolg“, sagte er weiter.

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Wissing ergänzte: „Parteien können Wahlen gewinnen oder verlieren. Am Ende muss eine Regierung gebildet werden, die alle Bürgerinnen und Bürger zu Gewinnern macht.“

Weitere Einzelheiten zu den Gesprächen mit den Grünen wollte Lindner nicht nennen. Auch nicht etwa zu einer möglichen Frist, bis wann dann ein Ergebnis der Gespräche stehen solle. Er verwies darauf, eine vertrauensvolle und diskrete Atmosphäre schaffen zu wollen.

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Laschet: Stehen für Jamaika-Koalition bereit

CDU-Chef und Unionskanzlerkandidat Armin Laschet hat persönliche Verantwortung für das schlechte Wahlergebnis der Union eingeräumt. „Ein Ergebnis unter 30 Prozent ist nicht der Anspruch der Union als Volkspartei“, sagte er am Montag in Berlin nach Beratungen des Parteivorstandes. Die Gründe seien vielschichtig. Das sei deutlich geworden durch die Wortmeldungen seiner Vorstandskollegen. „Und natürlich weiß ich, dass ich meinen persönlichen Anteil an diesem Wahlergebnis habe“, sagte er. „Es steht völlig außer Frage: Dieses Ergebnis kann, darf und wird die Union nicht zufriedenstellen“. Man habe zwar Rot-Rot-Grün verhindert, aber zugleich gebe es schmerzhafte Verluste. Anspruch sei Platz eins gewesen. Er kündigte eine intensive Aufarbeitung an. Ganz gleich, ob man am Ende in Regierungsverantwortung oder in der Opposition sei.

Es gebe aber auch eine Verantwortung für „unsere Wählerinnen und Wähler und unser Land“. „Wir sind davon überzeugt, dass eine Regierung unter Führung der Union das Beste ist für unser Land“, sagte er weiter. Deshalb habe man am Sonntag die Bereitschaft, zu regieren, klar benannt.

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Laschet: Kein klarer Regierungsauftrag für eine Partei

Laschet sieht keinen klaren Regierungsauftrag für eine Partei. „Für uns können wir sagen, keine Partei kann aus diesem klaren Ergebnis eine Regierungsverantwortung ableiten.“ Das habe er versucht, am Sonntag deutlich zu machen. Beide Parteien müssten jetzt mit Demut vor den Wähler treten. Der Wahlkampf sei vorbei. „Keiner sollte so auftreten, als ob er allein entscheiden könnte, wer die Regierung bildet.“ Es müssten Gegensätze überwunden werden.

„Klar ist, Kanzler wird in Deutschland der, der eine Mehrheit im Deutschen Bundestag hinter sich bringt“, fügte Laschet hinzu. Kanzler könne nur der werden, dem es gelinge, Gegensätze zu überwinden und ein gemeinsames Projekt für die nächsten vier Jahre zu entwickeln.

Laschet verkündete, der Parteivorstand sei sich einig, dass man für eine Jamaika-Koalition bereitstehe. Auch formulierte er seine Vorstellung von einer gemeinsamen Koalition. Jeder Partner müsse mit seinen Themen vorkommen. „Eine Koalition muss ein politisches Projekt sein, bei der alle den Willen und auch die Lust haben, etwas Positives für unser Land zu gestalten.“ Zukunftskoalition und Nachhaltigkeit nannte er als Schlüsselbegriffe für eine Jamaika-Koalition.

AfD hat gemischte Gefühle

AfD-Spitzenkandidat und Partei-Ko-Chef Tino Chrupalla sieht im Ergebnis der AfD bei der Bundestagswahl Positives und Negatives. „Wir haben gezeigt, dass wir ein starkes Wählerpotenzial haben.“ Einmal mehr wiederholte er seine Ansicht, wonach die AfD einen störungs- und skandalfreien Wahlkampf hingelegt habe. Die Folge sei ein sehr stabiles Ergebnis. „Wir sind gekommen, um zu bleiben.“ Das sei die Botschaft, die davon ausgehe. Man wolle aber eine Vision für Deutschlands Zukunft entwickeln. Denn „hundertprozentig zufrieden“ sei er mit dem Ergebnis nicht.

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Ko-Bundessprecher Jörg Meuthen blickt ebenfalls mit gemischten Gefühlen auf den Ausgang der Wahl: „Wir haben ein Wahlergebnis, das sowohl Licht als auch Schatten enthält.“ Man sei zweistellig geblieben und habe sich stabilisiert. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass „wir erhebliche Stimmenverluste hatten“. Man habe 260.000 Stimmen allein an die SPD verloren.

Er forderte zudem eine schonungslose Analyse. Nur allein die Schuld bei einer Stigmatisierung durch die Medien zu suchen, greife zu kurz, sagte er. Der Europaabgeordnete sagte, die AfD müsse intern auch darüber reden, ob es klug gewesen sei, die Forderung nach einem Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union ins Wahlprogramm zu schreiben.

Die zweite Spitzenkandidatin der AfD Alice Weidel sprach von einem „Spitzenergebnis“. Sie sagte, dass sie sich das Ergebnis „nicht schlecht reden lasse, von niemandem“. „Man wollte uns 2017 zu einer Eintagsfliege machen und uns 2021 wieder aus dem Bundestag rauswählen. Das ist ja - seit gestern bekannt - nicht gelungen“, sagte die Fraktionschefin. In der Gesamtbetrachtung müsse man aber die Personaldebatten der vergangenen Monate analysieren. „Nichts hasst der Wähler mehr als eine Partei, die mit sich selbst beschäftigt ist“.

Söder: Das Ergebnis ist eine Niederlage

CSU-Chef Markus Söder hat eine klare Wahlniederlage eingestanden. „Das Ergebnis von gestern Abend ist eine Niederlage. Wenn man so viele Stimmen verliert, kann man das nicht schönreden“, sagte er. Er verwies darauf, dass die CSU nun ein Viertel statt ein Fünftel in der gemeinsamen Fraktion ausmache und dementsprechend auch mehr Verantwortung trage. Trotzdem bleibe der Gesamteindruck schlecht. „Wir dürfen nicht zur Tagesordnung zurückgehen“, sagte er. Was besonders schmerze, selbst in Sicherheits- und Wirtschaftsfragen werde ihnen nicht mehr so viel Kompetenz zugeschrieben, was nach dem „Afghanistan-Debakel aber auch kein Wunder“ sei.

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Söder betonte jedoch, alle hätten Fehler gemacht. „Einen Zusatzeffekt, den es bei uns gibt, ist das Thema Freie Wähler“, sagte er. Sie hätten vier Prozent mehr Stimmen eingefahren, das habe die Union deutschlandweit womöglich die Spitzenposition gekostet.

Scholz: Regierungsauftrag für SPD, Grüne und FDP

Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte zuvor den Anspruch der SPD auf die Führung in einer neuen Regierung untermauert. Grüne und FDP nahm er ebenfalls in die Verantwortung. „Die Wähler haben drei Parteien gestärkt: SPD, Grüne und FDP. Deshalb ist das der klare Auftrag: Diese drei sollen auch die nächste Regierung führen“, sagte er am Montag in Berlin.

Die Union habe dagegen die Botschaft bekommen: Sie solle nicht mehr in der Regierung sein, sondern in die Opposition gehen.

Scholz forderte, nun nicht eigene Befindlichkeiten in den Vordergrund zu stellen, sondern die Weichen für die wichtigen Aufgaben des 21. Jahrhunderts zu stellen. Es gebe genügend Schnittmengen zwischen SPD, Grünen und FDP, aber es seien auch Pragmatismus, Führungskunst und Ruhe gefragt, um eine gute Lösung zustande zu bringen. „Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger von uns.“ Er sei sehr dankbar für die große Zustimmung. „Und wir werden das, was die Bürgerinnen und Bürger uns als Auftrag gegeben haben, umsetzen.“

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„Man sieht hier eine sehr glückliche SPD“, sagte Scholz zuvor nach minutenlangem Applaus. „Zwei Wahlsiegerinnen und ein Wahlsieger.“ Und ergänzte: „Und alle zusammen haben zustande gebracht, was wir lange angestrebt haben: Nämlich eine sozialdemokratische Partei, die einen Regierungsanspruch erhebt. In Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und der Bundesrepublik.“

Linke: Wahlergebnis „schwerer Schlag“

Ungleich anders ist die Stimmungslage bei der Linken, die mit 4,9 Prozent extrem schwach abgeschnitten hat. Nur durch mehrere gewonnene Direktmandate hat die Partei überhaupt den Einzug in den Bundestag geschafft.

Partei-Ko-Chefin Janine Wissler sagte am Montag in Berlin: „Dieses Wahlergebnis ist ein schwerer Schlag.“ Flächendeckend gebe es schmerzliche Verluste. Das Ergebnis sei ein „tiefer Einschnitt“. Man sei froh über die drei Direktmandate, denen man zu verdanken habe, dass die Linke überhaupt in Fraktionsstärke in den Bundestag einziehen werde. Es müsse jetzt darum gehen, die Fehler zu analysieren. „Mein Eindruck ist, dass die Fehler nicht in den letzten zwei Monaten gemacht worden sind, sondern tiefer liegen.“ Die nächsten vier Jahre müssten genutzt werden, um die Partei neu aufzustellen, die strukturellen Probleme anzugehen und auch an der Außendarstellung zu arbeiten. Die sozialen Motive, warum es die Partei gebe, müssten wieder deutlich werden.

Der außenpolitischen Linie wolle die Linke treu bleiben, sagte Wissler. Man bleibe Friedenspartei, lehne auch weiterhin Kriegseinsätze ab. Nicht zuletzt Afghanistan habe gezeigt, dass dies die richtige Linie sei.

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Auf die Frage, ob es nun einen Sonderparteitag zur Neuerfindung der Partei geben sollte, sagte Wissler: „Der Parteivorstand wird sich am Wochenende zu einer Klausurtagung treffen.“ Und dabei würden Schlussfolgerungen gezogen. Im Moment gebe es keine Entscheidung.

Linke will in Ruhe Ursachenforschung betreiben

Auch Vorsitzkollegin Susanne Hennig-Wellsow sagte: „Die Partei die Linke hat wirklich einen herben Schlag mit diesem Wahlergebnis am vergangenen Abend bekommen. Wir wissen, dass wir eine schwere Niederlage eingefahren haben. Wir verstehen es als letzte Chance, unsere Partei nach vorn zu entwickeln.“ Es sei aber nicht nur für die Linke bitter, sondern für die Millionen Menschen im Land, die dringend eine linke und soziale Interessenvertretung bräuchten.

„Natürlich gibt es keine Ein-Punkt-Erklärung für das Ergebnis“, sagte sie weiter. Über Ursachen wolle sie nun aus einem emotionalen Impuls heraus aber nicht reden. Die komplexe Gemengelage müsse zunächst analysiert werden. „Der Wahlabend zeigt uns ja auch die Polarisierung mit Blick auf die Linke. Die Wählerabgänge an Grüne und SPD sprächen zudem eine deutliche Sprache, dass man nicht genug habe überzeugen können.

Sorge bereitet Hennig-Wellsow das Wahlergebnis der AfD. „Wenn wir in den Osten schauen, dann gibt es Bundesländer, in denen die AfD die Wahl gewonnen hat“, sagte sie. Es brauche eine gesamtdeutsche Anstrengung, um diesem Problem Herr zu werden. „Wenn wir uns ehrlich machen, war die CDU unter Regierungsbeteiligung im Osten immer auf dem rechten Auge blind.“

Fraktionschef Dietmar Bartsch sprach von einer „schweren Wahlniederlage“. Natürlich, sagte er, gebe es externe Faktoren, „die für uns ungünstig waren, aber die können wir nicht direkt beeinflussen“. Nicht der Wahlkampf sei Ursache, die Probleme seien grundsätzlicher Natur. Das Ergebnis müsse nachdenklich stimmen. Sicher sei ein Faktor, dass man in den letzten Jahren vielfach ein Bild der Zerrissenheit abgegeben habe. Es sei auch schade, dass die Parteivorsitzenden erst so spät gewählt worden seien. Man müsse überdies dringend zu alter Stärke im Osten zurückfinden. Zugleich sagte Bartsch: „Wir werden die Oppositionsrolle im Bundestag annehmen und das soziale Gewissen sein.“ Er betonte zudem, gemeinsam mit der umstrittenen Parteikollegin Sahra Wagenknecht für einen neuen Aufbruch kämpfen zu wollen.

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Nach der Auszählung aller Wahlkreise wurden die Sozialdemokraten mit Olaf Scholz am Sonntag stärkste Partei. Die CDU/CSU stürzte nach 16 Jahren Regierung von Kanzlerin Angela Merkel mit Armin Laschet auf ein Rekordtief. Trotzdem reklamierte am Wahlabend nicht nur Scholz, sondern auch Laschet den Auftrag zur Regierungsbildung für sich. Beide streben eine Koalition mit Grünen und FDP an. Die wollen jetzt erst einmal untereinander reden.

Nach dem Ergebnis der Auszählung aller Wahlkreise verbessert sich die SPD auf 25,7 Prozent (2017: 20,5). Sie schafft damit einen steilen Aufschwung, noch im Frühsommer hatte sie in Umfragen mit rund 15 Prozent auf Platz drei gelegen. Die Union dagegen erlebt ein historisches Debakel, sie kommt nur noch auf 24,1 Prozent (32,9). Die Grünen erzielen mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ihr bislang bestes Ergebnis im Bund, bleiben mit 14,8 Prozent (8,9) aber hinter den Erwartungen zurück. Die FDP verbessert sich auf 11,5 Prozent (10,7).

Grünen wollen regieren: bei GroKo würde Söder „steil gehen“

Grünen-Co-Chef Robert Habeck sagte am Nachmittag, es gehe jetzt darum, alle Möglichkeiten auszuloten und Gemeinsamkeiten zu finden. „Mit dem Wahlabend bricht eine neue Zeitrechnung in Deutschland an.“ Mit der FDP werde das Finden von Gemeinsamkeiten aber nicht einfach. In der Sozial- oder Wirtschaftspolitik seien beide Parteien weit auseinander. „Da treffen Welten aufeinander.“ Nun schaue man, wo am meisten Klimaschutz möglich sei. Man wolle zunächst Gespräche mit SPD und FDP führen, schließe aber Gespräche mit der Union nicht aus. Angesprochen auf Gemeinsamkeiten zwischen FDP und Grüne erklärte Habeck, dass beide Parteien bei der Rente auf eine dritte Säule als Fonds setze. Dies seien „Ansätze, die Rentenpolitik neu zu eichen“.

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Eine GroKo würde all dem widersprechen, was die SPD im Wahlkampf versprochen habe, sagte Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Ihr Parteikollege Habeck ergänzt: „Der erste, der steil geht, wäre Markus Söder“, eine große Koalition halte er für „nahezu ausgeschlossen“. Das schlechteste wäre, dass die große Koalition „noch einen fünften Aufguss bekommt, dann wird die Suppe wirklich dünn“, so Habeck.

Was Baerbocks größter Fehler war? „Dass ich mein Buch nicht nochmal schreiben würden“, räumt die Grünen-Kanzlerkandidatin ein.

RND/cz/scs/dpa/Reuters

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