Fraktion ein „arroganter feudaler Hofschranzenstaat“: Linke streitet sich nach Wagenknecht-Rede
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Sahra Wagenknecht bei ihrer Rede am Donnerstag im Bundestag in der Debatte zum Etat Wirtschaft und Klimaschutz.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Berlin. Die Linke kommt innerparteilich nicht zur Ruhe. Immer wieder gibt es Streit um die Positionen einer ihrer prominentesten Bundestagsabgeordneten: Sahra Wagenknecht. Sie ergriff am Donnerstag in der Haushaltsdebatte des Bundestages für ihre Fraktion das Wort, sprach zum Thema Energie und wartete mit Ansichten auf, die in der eigenen Partei auf massive Kritik stoßen.
„Meine Partei hat heute im Bundestag nicht den demokratisch beschlossenen Willen ihrer Mitglieder, Wählerinnen und Wähler, Anhängerinnen und Anhänger und jenen, die diese Stimme brauchen, artikuliert“, schrieb beispielsweise der ehemalige Bundesgeschäftsführer der Linken, Jörg Schindler, beim Kurznachrichtendienst Twitter. Die Fraktion habe sich verhalten wie ein „arroganter feudaler Hofschranzenstaat“.
„Dann läuft etwas schief“: Entsetzen über Zustandekommen von Wagenknecht-Rede
Die sächsische Landtagsabgeordnete Jule Nagel aus Leipzig schrieb bei Twitter: „Wenn eine Fraktionsspitze abstruse Minderheitenmeinungen so prominent und überhaupt zulässt, dann läuft was schief.“
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Elke Breitenbacher, Abgeordnete der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, schrieb: „Die Aufhebung der Sanktionen ist nicht die Forderung der Linken. Wohl aber die Position der Bundestagsfraktion, sonst hätte man Sahra Wagenknecht heute nicht reden lassen. Sehe ich das richtig?“ An Fraktionschef Dietmar Bartsch adressiert schrieb Breitenbacher: „Ich erwarte eine Klarstellung.“
Wagenknecht spricht von „beispiellosem Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten“
Was war geschehen? Wagenknecht hatte in ihrer Rede zwar nicht wie von einigen Genossen vorab befürchtet die Inbetriebnahme der russischen Erdgaspipeline Nord Stream 2 verlangt, wohl aber erneut von einem „beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten“ gesprochen und „Schluss mit den fatalen Wirtschaftssanktionen gegen Russland“ gefordert.
Die Vorstellung der Regierung, dass man Russlands Präsidenten Wladimir Putin damit bestrafe, dass man Millionen Familien in Deutschland in Armut stürze und die Industrie zerstöre, während der russische Energiekonzern Gazprom Rekordgewinne mache, sei „bescheuert“, so Wagenknecht.
Wagenknecht bekommt Beifall von der AfD
„Wenn wir ein Industrieland bleiben wollen, dann brauchen wir russische Rohstoffe und leider auf absehbare Zeit auch noch russische Energie“, sagte Wagenknecht und rief dazu auf, Verhandlungen mit Russland über die Wiederaufnahme von Gaslieferungen zu führen. Dafür gab es auch Beifall von der AfD.
Schon im Vorfeld hatte es in der Linksfraktion eine Diskussion gegeben, ob Wagenknecht im Parlament reden soll, weil sie in der Energiepolitik Auffassungen vertritt, die nicht der Mehrheitsmeinung der Partei entsprechen. Die ehemalige Fraktionschefin hat derzeit keine konkrete Zuständigkeit und keine Sprecherfunktion mehr und ist in keinem Ausschuss mehr vertreten.
Entscheidung pro Wagenknechts Rede muss der Fraktionschef getroffen haben
Die Entscheidung, dass sie sprechen durfte, muss letztlich Fraktionschef Bartsch getroffen haben. Womöglich ging es dabei auch um eine Art „Entschädigung“ dafür, dass Wagenknecht am Montag nicht bei der ersten großen Demo der Linken in Leipzig gegen die Sozialpolitik der Regierung reden durfte. Der „Spiegel“ will wissen, dass sie „auf Druck ihrer Gegner“ ausgeladen worden war.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) nach Wagenknechts Rede: „Es gibt keinen ‚Wirtschaftskrieg gegen Russland‘, sondern einen realen Angriffskrieg gegen die Ukraine, in dem Energie zur Waffe geworden ist. Putin hat ein Gasembargo gegen Deutschland verhängt, nicht umgekehrt.“
Ramelow fügte hinzu: „Ich hätte mich gefreut, wenn bezahlbare Energie für Deutschland übersetzt worden wäre mit regenerativer Energie aus Deutschland – und wenn die sofortige Abkoppelung des Strompreises vom Gaspreis die Forderung der linken Bundestagsfraktion gewesen wäre und nicht ein Zurück zu vermeintlich billigem Erdgas aus Russland, mit dem wir nur erpresst werden. Die Energiewende weg von fossiler Energie heißt auch weg von Erpressung und Abhängigkeiten – von wem auch immer.“