Maas kritisiert: Flüchtlinge kein Spielball geopolitischer Interessen
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Griechische Polizisten patrouillieren während Zusammenstößen in der Nähe des Flüchtlingslagers "Moria" auf der Insel Lesbos. Griechenland hat angekündigt, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um seine Grenzen und die Grenzen der Europäischen Union an Land und zu Wasser zu schützen.
© Quelle: Alexandros Michailidis/AP/dpa
Berlin. Vor dem Hintergrund des Syrien-Konflikts und der angespannten Lage an der EU-Außengrenze hat Außenminister Heiko Maas (SPD) davor gewarnt, Flüchtlinge zu instrumentalisieren. “Wir dürfen nicht zulassen, dass Flüchtlinge zum Spielball geopolitischer Interessen gemacht werden. Egal wer das versucht, der muss immer mit unserem Widerstand rechnen”, sagte Maas am Montag in Berlin.
Die Europäische Union sei weiterhin bereit, ihren Beitrag zu einer menschenwürdigen Versorgung von Flüchtlingen unter anderem in Syrien und in der Türkei zu leisten. Mit Blick auf die Lage an der griechisch-türkischen Grenze sagte Maas, Griechenland dürfe nicht allein gelassen werden. In Richtung Türkei sagte Maas, das Land stemme mit der Unterbringung von "mittlerweile fast vier Millionen Flüchtlingen" eine große Last. Trotzdem müsse die Europäische Union das Land an die Einhaltung seiner Verpflichtungen erinnern.
Bundesregierung schätzt Lage als “sehr beunruhigend” ein
Die Bundesregierung warnte Flüchtlinge und Migranten in der Türkei derweil vor einem Aufbruch Richtung Europa. “Wir erleben zurzeit an den Außengrenzen der EU zur Türkei, auf Land und zur See, eine sehr beunruhigende Situation. Wir erleben Flüchtlinge und Migranten, denen von türkischer Seite gesagt wird, der Weg in die EU sei nun offen, und das ist er natürlich nicht”, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Auf die Frage, ob der Satz der Kanzlerin weiter gelte, dass sich 2015 nicht wiederholen werde, sagte er: “Der hat seine Gültigkeit.”
Die türkische Erklärung “führt diese Menschen, Männer, Frauen und Kinder, in eine extrem schwierige Lage, und es stellt genauso auch Griechenland vor enorme Herausforderungen”, sagte Seibert. Ausdrücklich sprach er von “Flüchtlingen und Migranten” - nicht jeder werde nach der gültigen Definition ein Flüchtling sein.
Es handelt sich nicht um individuelle Menschen. Es geht um Busse, die von Erdogan bezahlt werden, die an die Grenze gefahren werden.
CSU-Europapolitiker Manfred Weber
Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber sprach im Deutschlandfunk von "kollektiven Angriffen auf die Grenze". Die Beteiligten könnten nach geltendem Recht kollektiv zurückgeführt werden. "Das wird jetzt in Griechenland auch durchgeführt." Weber sagte weiter: "Es handelt sich nicht um individuelle Menschen, die sagen, ich möchte jetzt in Griechenland Asyl beantragen, sondern es geht um Busse, die von Erdogan bezahlt werden, die an die Grenze gefahren werden, die oft aus bestehenden Flüchtlingslagern kommen."
AfD: Merkel sieht “tatenlos zu” - Linke fordert Bundestagsdebatte
Die AfD will, dass Deutschland wegen der nach Europa drängenden Migranten und Flüchtlinge die nationalen Grenzen dicht macht. “Griechenland und Bulgarien müssen von uns volle finanzielle und logistische Unterstützung für den erforderlichen robusten Außengrenzenschutz erhalten”, schrieb Parteichef Jörg Meuthen auf seiner Facebook-Seite. Als “zweiter Sperrriegel” müssten zugleich “Schutzvorkehrungen” an den deutschen Grenzen getroffen werden. Er warf Merkel vor, sie schaue der Eskalation “tatenlos zu”.
Die Linke fordert eine Bundestagsdebatte über die Lage an der griechischen Grenze. Die Fraktion hat für den Mittwoch eine Aktuelle Stunde unter dem Titel “Haltung der Bundesregierung zur Notlage der Flüchtlinge an der türkisch-griechischen Grenze” beantragt. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, sagte laut einer Mitteilung am Montag, Bundesregierung und EU-Kommission müssten angesichts der Lage an der Grenze und in den “Elendslagern auf den griechischen Inseln” handeln.
“Wir brauchen humanitäre Hilfe und schnellstmöglich einen Sondergipfel.” Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) sollten sich gegenüber der griechischen Regierung zudem “klipp und klar” für ein sofortiges Ende der Gewalt einzusetzen. “Und Griechenland darf mit dem Problem nicht allein gelassen werden. Dass sich der schmutzige Deal mit dem Despoten Erdogan jetzt rächt, darf nicht auf Kosten von Humanität und Menschenrechten geschehen”, sagte Korte.
An diesem Dienstag wollen sich die Spitzen der EU ein eigenes Bild vom Geschehen an der Grenze machen. Nach UN-Angaben harren rund 13.000 Migranten bei Kälte auf der türkischen Grenzseite zu Griechenland aus. Viele wollen weiterziehen, etliche nannten im Fernsehen Deutschland als Ziel.
Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis teilte mit, er werde am Dienstag EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratschef Charles Michel und Europaparlamentspräsident David Sassoli an der griechischen Landgrenze zur Türkei treffen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wollte noch am Montag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonieren. Am Abend war ein Treffen Erdogans mit Bulgariens Regierungschef Boiko Borissow in Ankara geplant.
Tränengas und Blendgranaten gegen Migranten
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Samstag erklärt, die Tore zur EU seien für Migranten geöffnet. Daraufhin hatten Tausende Menschen versucht, nach Griechenland zu gelangen. Laut der UN-Organisation für Migration harrten zuletzt rund 13.000 Menschen bei Frost im Grenzgebiet aus. Griechische Sicherheitskräfte setzten Tränengas und Blendgranaten gegen die Migranten an der Grenze ein. Das Land hatte zudem angekündigt, die Asylverfahren für neue illegal eingereiste Migranten für einen Monat auszusetzen. Festgenommene Migranten sollen ohne Registrierung direkt in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden.
In den vergangenen 24 Stunden seien 9877 Menschen daran gehindert worden, aus der Türkei auf dem Landweg nach Griechenland zu kommen, hieß es am Montag aus dem Büro von Regierungssprecher Stelios Petsas. Am Grenzübergang von Kastanies am Grenzfluss Evros kam es nach einer ruhigen Nacht am Vormittag erneut zu Ausschreitungen. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex will rasch auf das Hilfeersuchen Griechenlands wegen der Vielzahl von Flüchtlingen aus der Türkei reagieren.
In sozialen Medien kursierten Videos, die einen angeblich von einem griechischen Soldaten erschossenen Migranten zeigen sollen. Die Regierung in Athen wies die Darstellung zurück. Das Video sei “fake news”, twitterte Regierungssprecher Petsas.
Griechische Armee führt Schießübungen durch
Die Türkei hat rund 3,6 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. In einem Flüchtlingspakt mit der EU von 2016 hat die Türkei eigentlich zugesagt, gegen illegale Migration vorzugehen. Im Gegenzug nimmt die EU regulär Syrer aus der Türkei auf. Ankara erhält zudem finanzielle Unterstützung für die Versorgung der Flüchtlinge im Land.
Einheiten der griechischen Armee führten auf den Inseln im Osten der Ägäis und am Evros Schießübungen durch, wie das Staatsfernsehen unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Athen berichtete. Die Übungen sind aus Sicht von Kommentatoren eine Reaktion Athens auf den Zustrom von Migranten, die am Vortag aus der Türkei zu den Inseln Lesbos, Chios und Samos übergesetzt hatten, und sollen offenbar der Abschreckung dienen.
Während seit Jahresbeginn täglich etwa 100 Menschen aus der Türkei kamen, setzten am Sonntag nach neuesten Angaben der Küstenwache mehr als 1000 Migranten zu den Inseln über. Am Montag ertrank in der Ägäis ein Kind, als vor Lesbos ein Schlauchboot mit 48 Migranten unterging.
Erdogan will mit Putin Waffenruhe aushandeln
Erdogan teilte derweil mit, mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin eine Waffenruhe für die nordwestsyrische Provinz Idlib aushandeln zu wollen. Erdogan sagte am Montag, er werde Putin am Donnerstag treffen, um „weiteres Blutvergießen zu verhindern“. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bestätigte die Pläne für ein Treffen.
RND/dpa/ms