Machtkampf in West-SPD eskaliert – Kutschaty will Hartmann stürzen

SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty: “Unsere Kinder”.

SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty: “Unsere Kinder”.

Düsseldorf. Bislang fand der Machtkampf in der nordrhein-westfälischen SPD im Verborgenen statt, doch nun verlagert sich die Auseinandersetzung auf die offene Bühne. Der Chef der SPD-Faktion im Düsseldorfer Landtag, Thomas Kutschaty, will es wissen. Per Brief an seine Fraktionskollegen kündigt der 52-Jährige am Donnerstagmorgen an, was schon lange gemunkelt worden war: Beim Parteitag der NRW-SPD im November kandidiert er um das Amt des Landesvorsitzenden.

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Drei Seiten gönnt sich der Parteilinke, um seine Kandidatur zu begründen. Er beginnt bei seinem Elternhaus, berichtet von einer Sozialwohnung in Essen – der Vater Eisenbahner, die Mutter Hausfrau – und einer Familie, in der niemand Abitur hatte. “Ich hatte also Möglichkeiten, die meine Eltern nie hatten”, schreibt Kutschaty. “Seit ich denken kann, habe ich das als ungerecht empfunden.”

Deshalb sei er in die SPD eingetreten, deshalb kämpfe er für Bildungs- und Chancengerechtigkeit. “Eine Zeit lang schien es auch so, als ob der soziale Aufstieg wirklich für jede und jeden möglich wäre. Doch dieser Schein hat getrügt”, schreibt Kutschaty weiter. “Heute wissen wir, dass die Aufstiegschancen für Kinder aus nichtakademischen Familien geringer sind als zur Kaiserzeit.”

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Es dürfe nicht so weitergehen, dass man anhand der Postleitzahl, an der ein Kind wohnt, dessen Bildungsabschluss vorhersagen könne, fordert der Mann aus dem Ruhrgebiet. “Ich will einer ganzen Generation von Kindern eine Zukunft geben. Und zwar mindestens eine solche, wie meine Eltern sie mir geboten haben”, formuliert Kutschaty pathetisch.

Und dann folgt der eigentliche Satz: “Ich will der Partei ein Angebot machen, damit Partei und Fraktion geschlossen für unsere Ziele eintreten.”

Es ist eine direkt Kampfansage an Landeschef Sebastian Hartmann, den eine innige wechselseitige Ablehnung mit Kutschaty verbindet. Kutschaty will Hartmann stürzen. Er will die ganze Macht für sich.

Hartmann hört die Worte – und er reagiert prompt. “Während ich als erster Redner im Bundestag die Debatte zur Innenpolitik in der Haushaltswoche für die SPD eröffnete, erhielt ich von Kollegen den Kandidaturbrief Thomas Kutschatys zugeleitet. Er hat mit mir nicht gesprochen”, lässt der Bundestagsabgeordnete per Pressemitteilung wissen. “Das Wichtigste ist mir die Einheit der NRW-SPD, nur dadurch ist sie stark”, fügt er hinzu.

Aus Kutschatys Lager heißt es später, Hartmann sei sehr wohl vorab über die Kandidatur informiert worden. Kutschaty habe eine Mail geschickt, die auch an andere Spitzengenossen der NRW-SPD gegangen sei.

Das Tischtuch zwischen den beiden wichtigsten Männern in der NRW-SPD scheint zerschnitten. Sie haben sich nichts mehr zu sagen.

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Historisch schlechtes Ergebnis bei Kommunalwahl für NRW-SPD

Hartmann, der die NRW-SPD seit 2018 führt, hatte Anfang der Woche angekündigt, erneut für den Parteivorsitz des mitgliederstärksten SPD-Landesverbands bereitzustehen, gleichzeitig aber auch eine Doppelspitze ins Spiel gebracht. Der 43-Jährige kämpft um sein politisches Überleben, seit die Partei bei den NRW-Kommunalwahlen vielerorts deutliche Verluste hinnehmen musste und alles in allem das historisch schlechteste Kommunalwahlergebnis in dem Land eingefahren hat.

Dass Hartmann die Zahlen als Trendwende für die Sozialdemokraten in ihrem einstigen Stammland gedeutet hatte, weil sie bei der Europawahl 2019 noch schlechter abgeschnitten hatten, nehmen ihm viele Genossen übel.

Die Frage ist, wie es nun weitergeht. Hält auch Hartmann an seiner Kandidatur fest, würde es beim Landesparteitag am 14. November in Münster zu einer Kampfabstimmung kommen. Denkbar wäre aber auch, dass der moderate Parteiflügel, zu dem Hartmann gezählt wird, vorher noch einen anderen Kandidaten benennt, der als Kompromisskandidat verkauft werden könnte.

Achim Post, Chef der NRW-Landesgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion, wird als möglicher Kandidat genannt, hält allerdings bislang an Hartmann fest. “Ich arbeite mit dem Vorsitzenden der NRWSPD Sebastian Hartmann eng und vertrauensvoll zusammen. Gerade deshalb ist es gelungen für NRW besonders wichtige Schwerpunkte in Berlin durchzusetzen, wie bei der Unterstützung unserer Städte und Gemeinden und bei den Strukturhilfen beim Kohleausstieg genauso wie bei der Grundrente und dem Kurzarbeitergeld”, sagte Post dem RND. “Für diese Stärke brauchen wir eine geschlossene Landespartei.”

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Bevor es auf dem Parteitag zum Showdown kommt, könnten auch noch Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich oder Bundes-SPD-Chef Norbert Walter-Borjans eingreifen, um eine Spaltung des Landesverbandes zu verhindern.

Sicher ist nur eines: Es bleibt spannend in der West-SPD.

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