Merkels Abschiedsbesuch in Griechenland: DIW-Vorstand hält „schwierige Jahre“ für beendet
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Geste der Freundschaft: Im August 2019 empfängt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den griechischen Miniosterpräsidenten Kyriakos Mitsotakis im Bundeskanzleramt. Am Donnerstag reist Merkel ein letztes Mal nach Athen.
© Quelle: Christoph Soeder/dpa
Berlin. Am Donnerstag bricht Bundeskanzlerin Angela Merkel zum letzten Mal zu einem Besuch nach Griechenland auf. In Athen wird sie mit Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis zu einem Abendessen zusammentreffen. Geplant sind Gespräche zu den Beziehungen beider Länder, zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und europapolitischen Fragen.
Alexander Kritikos, Vorstandsmitglied des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hält die Zeit der unterkühlten deutsch-griechischen Beziehungen für beendet. „Angela Merkels Abschiedsbesuch in Athen ist ein wichtiges Signal dafür, dass die vergangenen, doch sehr schwierigen Jahre mit der wirtschaftlichen Krise in Griechenland nun als halbwegs erfolgreich abgeschlossen betrachtet werden können“, sagte Kritikos, der selbst griechische Wurzeln hat, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Mit der jetzigen Regierung habe Merkel eine freundschaftliche Arbeitsatmosphäre gefunden, die „nach all den aufregenden Jahren endlich wieder Normalität signalisiert“. Das läge an den gemeinsamen Zukunftsprojekten beider Länder.
Energie und IT als Zukunftsbranche
Zum Ende von Merkels Amtszeit haben eine Reihe deutscher Unternehmen Investitionen in Griechenland angekündigt, darunter RWE und Volkswagen. „Mit Ministerpräsident Mitsotakis wird Merkel versuchen, bereits begonnene Wirtschaftskooperationen weiter auszubauen“, ist das DIW-Vorstandsmitglied überzeugt.
Ein Topthema werde die Entwicklung erneuerbarer Energiesysteme sein, die für Griechenland immer mehr an Bedeutung gewinne. Zudem müssten die Investitionen in die IT-Branche gestärkt werden. „Das Land will unabhängiger vom Tourismus werden“, sagte Kritikos. „Meine weitere Hoffnung ist, dass Frau Merkel auch darauf hinweist, die Strukturreformen in Griechenland weiter voranzutreiben, um attraktiver für Auslandsinvestitionen zu werden“, so der Wirtschaftsforscher.
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Alexander S. Kritikos ist Wirtschaftsforscher und Vorstandsmitglied am DIW Berlin.
© Quelle: DIW Berlin
Rückblick auf Krisenzeiten
Merkels Besuch lenkt den Blick auch auf eine schwierige jüngere Vergangenheit im deutsch-griechischen Verhältnis. In Griechenland ist die scheidende Kanzlerin mehrheitlich unbeliebt. „Sie ist keine Hassfigur wie Wolfgang Schäuble, aber wurde in Krisenzeiten schon mit denjenigen assoziiert, die die Daumenschrauben anzogen“, bilanziert Kritikos.
Dass sich Merkel gegen die Mehrheit der Deutschen und Teile der eigenen Regierung dafür einsetzte, Griechenland in der Euro-Zone zu halten, verdiene jedoch große Anerkennung. „Allerdings hat sie es versäumt, sich in den Rettungspaketen für eine Investitionsoffensive einzusetzen. Die Folge: Die Troika scheiterte, und die griechische Wirtschaft stagnierte lange Zeit, anstatt sich zu erholen“, sagte Kritikos.
Griechenland-Türkei-Konflikt bleibt ungelöst
Auch im Türkei-Griechenland-Konflikt habe sie sich bei der griechischen Bevölkerung nicht beliebter gemacht, als sie sich etwa weigerte, Stellung zu beziehen und sich schützend vor das EU-Land zu stellen. „Da ist erneut eine große Distanz sichtbar geworden.“
Der Konflikt ist zum Ende von Merkels Amtszeit ungelöst. Die griechische Seite hat eigene Militärabkommen mit Frankreich und Großbritannien abgeschlossen für den Fall, dass die Aggression seitens der Türkei im Mittelmeer fortgesetzt wird. Das bestehende Abkommen mit den USA hat sie verlängert. Die Bundesregierung sieht Kritikos hier künftig eher in der Mittlerposition. „Griechenland lässt Deutschland derzeit militärisch links liegen.“
Scholz soll Investitionen fortsetzen
Wie es unter einem möglichen Kanzler Olaf Scholz weitergehen wird? Die Frage werde sein, welches Gewicht Griechenland für ihn hat, meinte Kritikos. Traditionell habe das Land für Deutschland nicht den gleichen wirtschaftlichen Stellenwert wie etwa die Türkei. „Es bleibt zu hoffen, dass die positiven Schritte in Richtung gemeinsame Investitionen in Griechenland im Energie- und IT-Bereich fortgesetzt und intensiviert werden.“
Auch vonseiten Scholz‘ sollten Versuche unternommen werden, um den bilateralen Austausch zu stärken. „Da ist definitiv noch Luft nach oben.“